Fußball

Im Fußball ist nun alles möglich Die "Berliner Mauer" des Sports wird eingerissen

Sie waren glühende Verfechter der Super League: Real Madrid.

Sie waren glühende Verfechter der Super League: Real Madrid.

(Foto: picture alliance / NurPhoto)

Der Europäische Gerichtshof öffnet die Tür für eine Super League im europäischen Fußball. Und auch wenn der Vorschlag, der derzeit im Raum steht, wohl kaum umgesetzt wird: Das Urteil hat für den Sport viel weitreichendere Folgen, sagt ein Experte.

Am Ende bleibt nur Humor, anders lässt sich die Reaktion von UEFA-Präsident Aleksander Čeferin am Donnerstag nicht erklären. Mit Spott reagierte er auf das, was wenige Stunden zuvor passiert war. "Es ist kurz vor Weihnachten", sagte er: Die Super-League-Agentur "A22 hat ein Geschenk unter dem Weihnachtsbaum gefunden. Sie haben sich gefreut. Wenn sie es aufmachen, werden sie merken, dass nicht viel drin ist".

Das Geschenk, das Čeferin meinte, hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) unter den Weihnachtsbaum gelegt. Dieser hatte geurteilt, was eigentlich viele zuvor als Niederlage für den Verband auslegten. Nämlich, dass für die Super League, einem möglichen Konkurrenzprodukt zur Champions League, die Tür doch offen ist. Die Richterinnen und Richter erklärten, dass der Europäische Verband sein Monopol ausgenutzt habe.

Es sei rechtswidrig, so der EuGH, dass jeder neue Fußballwettbewerb die Zustimmung der FIFA und UEFA brauche. Es gebe dafür kein Regelwerk, das transparent, objektiv, angemessen und nicht-diskriminierend sei. Damit gilt für die UEFA auch das, was für jedes marktwirtschaftliches Unternehmen gilt: Der Verband unterliegt dem EU-Wettbewerbsrecht.

Die Grenzen des UEFA-Monopols

Einer, der sich im Kartellrecht und bei der Super League auskennt, ist Rechtsanwalt Mark-E. Orth. Der EuGH hat, wie er es beschreibt, die "Berliner Mauer" des Sports eingerissen. "Sportverbände haben ein Monopol, das seit etwa einem Jahrhundert gewachsen ist", erklärt er im Gespräch mit ntv.de. Orth vertritt Klubs und Athleten, immer wieder stoßen sie gegen dieses Machtgefälle, das sich wie eine Mauer vor ihnen auftürmt.

Das Ironische - die erste Pointe - dabei ist, dass der Sport ja eigentlich im Wettbewerb organisiert ist. Es gewinnt diejenige, die am schnellsten läuft oder die beste Technik hat. Nur für die Organisation gilt das nicht. Im Fußball gibt es zumindest in Europa nur eine Champions League. Hinzu kommt, dass die Athletinnen und Athleten einer Reihe von Beschränkungen ausgesetzt sind. Sie dürfen etwa während der Olympischen Spielen keine Werbung machen - oder müssen dafür kämpfen, an konkurrierenden Wettbewerben außerhalb ihrer Verbände teilzunehmen.

Fast schon untergegangen ist, dass der EuGH in dieser Sache am selben Tag auch ein Urteil von 2020 bestätigte - das vielleicht sogar bedeutender ist. Im Mai 2014 wollten zwei niederländische Eisschnellläufer an einem Wettbewerb außerhalb des Verbandes in Abu Dhabi teilnehmen, auch weil es dort höhere Prämien gab. Der Verband ISU untersagte das und drohte mit lebenslangen Sperren. Doch in letzter Instanz unterlag der ISU nun vor Gericht. Ein Verbot der Teilnahme an Veranstaltungen außerhalb des Verbandes ist dann unzulässig, wenn nicht gleichzeitig der Verband ein verbindliches und nicht-diskriminierendes Genehmigungsverfahren für solche außerverbandlichen Wettbewerbe vorsieht.

Das EuGH-Urteil zur Super League setzt an der gleichen Stelle an. "Hier wird wirklich gesagt: Sportverbände, euer Monopol hat Grenzen", erklärt Orth. Konkret sagt der EuGH, dass die UEFA nachvollziehbare Kriterien braucht, wenn sie die Teilnahme an konkurrierenden Veranstaltungen unter einen Genehmigungsvorbehalt stellen will. "Sie muss nachweisen, dass sie den Vorschlag objektiv geprüft hat." Eben transparent, objektiv, angemessen und nicht-diskriminierend. Die volle Wirkung des Urteils wird sich noch entfalten, die Sportlerinnen und Sportler sowie die Klubs bekommen jedoch deutlich mehr Entfaltungsspielraum.

Für den Aufstand der Super-League-Klubs, den die UEFA im April 2021 niedergeschlagen hatte, nannte der Verband für die Teilnahme an konkurrierenden Veranstaltungen, das ist Teil der EuGH-Entscheidung, keine objektiven Kriterien. Und genau das könnte teuer werden. Nach so einem Urteil sei der nächste Schritt eine Schadensersatz-Klage, sagt Orth. Die Gruppe hatte damals auch die Finanzierung schon geklärt, es ging um fast drei Milliarden Euro.

"Ein Vorteil für die UEFA"

Unabhängig von dem Geld, ähnlich schlimm wäre für die UEFA wohl, wenn die Super League tatsächlich zustande kommen würde. Weil dann gingen dem Verband beträchtliche Summen verloren. Doch danach sieht es im Moment nicht aus, was auch die spöttischen Bemerkungen von Verbandsboss Čeferin erklärt. Öffentlich haben sich bislang nur Real Madrid und der FC Barcelona dazu bekannt, der Rest steht hinter dem bestehenden System. Für eine neue internationale Liga reichen zwei Klubs noch nicht.

Hinzu kommt die zweite Pointe dieser Geschichte, dass es ausgerechnet das Urteil sein könnte, das einen neuen Wettbewerb verhindert. "So unsinnig, wie es klingt: Es ist zum Vorteil der UEFA", sagt Orth. Schon 1999 gab es mit Projekt Gandalf einen ersten Super-League-Anlauf, der zu einer größeren Champions-League-Reform geführt hat. Allein die Idee eines Wettbewerbs, in dem es für die Klubs mehr Geld geben könnte, sorgte dafür, dass die UEFA ihre Wettbewerbsstruktur massiv überarbeitet hat.

Noch hat die UEFA kein Problem. Denn die aktuelle Superliga, die englische Premier League mit all ihren Superstars und Giganten, hat sich gegen eine internationale Liga verschworen. Ohne sie ergibt die Super League keinen Sinn. Doch in einem hypothetischen Szenario, in dem das Angebot der Super League weniger vage ist und wirklich mehr Geld als in der Champions League lockt, könnte sich alles ändern. Dann, in dieser fernen Zukunft, in der es keinen Fan-Widerstand mehr und unter den europäischen Top-Klubs doch eine Mehrheit gibt, könnte es sein, dass doch eine Super League zustande kommt. Und dann war es eben dieses EuGH-Urteil, das dafür die Tür geöffnet hat. Die Frage ist, ob der dann amtierende UEFA-Boss immer noch mit Spott reagiert.

Quelle: ntv.de

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