Wirtschaft

Atomkraftwerke fallen aus Wie Frankreich den Strompreis in Deutschland nach oben treibt

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Weil Atomkraftwerke ausfallen, kauft Frankreich massiv Strom. In Deutschland bekommen Verbraucher die höheren Preise zu spüren - in Frankreich allerdings nicht.

In Deutschland gehen die Strompreise durch die Decke. Am Großhandelsmarkt erreichen sie schwindelerregende Höhen. Einer der wesentlichen Gründe: Frankreich. Das Nachbarland setzt bei der Stromversorgung auf Atomkraftwerke und hat derzeit massive Probleme mit den Meilern. Die Folge: Frankreich produziert nicht nur weniger Strom, es muss sogar Strom importieren - ungewöhnlich für ein Land, das traditionell viel Atomstrom exportiert.

Das sinkende Angebot und die gleichzeitig steigende Nachfrage Frankreichs treibt die Preise am Großhandelsmarkt nach oben und schlägt mit Verzögerung bei den Endkunden durch. Da der Preis, den sie bezahlen, zum Großteil aus Umlagen und Steuern besteht, bleiben die Auswirkungen zwar begrenzt. Dennoch: In Deutschland kostet dem Vergleichsportal Verivox zufolge eine Kilowattstunde Strom in einem Durchschnittshaushalt mittlerweile 42 Cent - und damit 28 Prozent mehr als vor einem Jahr.

Beim Strom gibt es mehrere Preistreiber. Einer von ihnen ist der Preis für Erdgas, der durch die russischen Lieferkürzungen drastisch gestiegen ist. Auch Gas wird für die Stromerzeugung verwendet. Ein anderer ist die Atomnation Frankreich, für die in Deutschland derzeit teurer Strom produziert wird.

Dort sind mehr als die Hälfte der insgesamt 56 Kernkraftwerke abgeschaltet. Das liegt nicht nur an wochenlangen turnusmäßigen Wartungsarbeiten, die im Sommer stattfinden. In diesem Jahr gibt es mehr als sonst, weil einige wegen der Corona-Pandemie verschoben wurden. Hinzu kommt, dass bei in die Jahre gekommenen Meilern Korrosionsschäden im Notkühlsystem entdeckt wurden, die behoben werden müssen.

"Koste es, was es wolle"

Verschlimmert wird die Lage durch die Dürre in Frankreich. Sie sorgt dafür, dass nicht alle Atomkraftwerke, die im Betrieb sind, die volle Leistung bringen können. Die Flüsse, aus denen die Meiler ihre Kühlung beziehen, haben einen niedrigen Wasserstand. Deshalb werden sie durch das zurückgeleitete Kühlwasser schneller erwärmt. Dieses darf aber eine bestimmte Temperatur nicht überschreiten, um die Tier- und Pflanzenwelt des Flusses zu schützen. In Frankreich ist diese Temperatur für jedes Kernkraftwerk festgelegt, die Regelungen wurden angesichts der Energiekreise teilweise aufgeweicht.

Frankreich deckt knapp zwei Drittel seines Strombedarfs mit Atomkraft. Da das Land beim Heizen stark auf Strom setzt, wächst die Angst, dass in Europa der Strom knapp werden könnte. Am Großhandelsmarkt spielen die Preise deshalb regelrecht verrückt. "Offensichtlich ist, dass derzeit vor allem aus Frankreich heraus viel Strom vom europäischen Markt gekauft wird", sagt Mirko Schlossarczyk, Partner bei der Energieberatungsfirma Enervis, im Gespräch mit ntv.de. "Manche Versorger stehen unter extremem Druck. Den Franzosen fehlt der Strom aus ihren Kernkraftwerken. Um ihre Lieferverpflichtungen zu erfüllen, müssen sie sich eindecken - koste es, was es wolle."

Dass es in der EU tatsächlich zu einem Strommangel kommt, hält Schlossarczyk für unwahrscheinlich, "Die Situation bei den französischen Atomkraftwerken sollte sich in den kommenden Monaten wieder entspannen, genauso wie das Angebot an Wasserkraft", sagt der Energie-Experte. Die extremen Ausschläge seien nur eine Momentaufnahme.

Ironischerweise bekommen die französischen Verbraucher die Preisexplosion kaum zu spüren, die deutschen allerdings schon. Denn im Nachbarland hat die Regierung unter Präsident Emmanuel Macron die Preise bis mindestens zum Jahresende gedeckelt. Das führt dazu, dass französische Kunden keinen Anreiz haben, Strom zu sparen.

Für den hoch verschuldeten Atom-Konzern EDF ist das ein Problem. Das Unternehmen muss viel Strom im Ausland zu Rekordpreisen kaufen und darf die Kosten wegen des Preisdeckels nicht an die Kunden weitergeben. Außerdem hat die Regierung EDF verpflichtet, eine bestimmte Menge Atomstrom zu einem ebenfalls festgelegten Preis an die Konkurrenz zu verkaufen. Damit sollen auch die Kunden dieser Versorger vor hohen Strompreisen geschützt werden. Der Konzern verlangt vom französischen Staat deshalb eine Entschädigung von mehr als acht Milliarden Euro.

Quelle: ntv.de

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