Russen-Milliarden für die UkraineWieso leistet ausgerechnet Belgien Widerstand?
Von Jan Gänger 
Die EU will eingefrorene russische Vermögenswerte nutzen, um der Ukraine Milliarden zu leihen. Der belgische Premierminister will das verhindern. Denn er fürchtet, dass russische Vergeltung vor allem sein Land treffen würde.
In zwei Wochen will die Europäische Union auf einem Gipfeltreffen den Weg dafür frei machen, einen Großteil des in Europa eingefrorenen russischen Staatsvermögens für Kredite an die Ukraine zu verwenden. Den größten Widerstand gegen diese Pläne leistet Belgien.
Das liegt daran, dass der Löwenanteil dieses Vermögens bei dem Wertpapierabwickler Euroclear liegen, der seinen Sitz in Brüssel hat. Euroclear wurde 1968 in der belgischen Hauptstadt gegründet und dient als zentrale Verwahrstelle für alle gängigen Wertpapiere - etwa Anleihen und Aktien.
Nach einem Kauf oder Verkauf ermöglicht Euroclear, dass die Papiere übertragen und die Zahlungen korrekt ausgeführt werden. Wie der Konkurrent Clearstream in Frankfurt wickelt Euroclear weltweit die zuvor an einer Börse getätigten Geschäfte ab. Nach eigenen Angaben sind das rund 330 Millionen Transaktionen pro Jahr im Gesamtwert von 1,1 Billionen Euro.
Wieviel der in der EU eingefrorenen russischen Vermögenswerte die EU-Kommission für den geplanten Fonds für die Ukraine zur Verfügung stellen will, ist unklar. Bundeskanzler Friedrich Merz sprach von 165 Milliarden Euro, es kursieren aber auch andere Zahlen zwischen 140 bis 250 Milliarden Euro. In der EU liegen Hunderte Milliarden Euro russischen Staatsvermögens, vor allem bei Euroclear. Das Geld wurde nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 eingefroren.
Drohungen aus Moskau
Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, einen Großteil davon für Kredite an die Ukraine zu nutzen, damit das Land sich weiterhin gegen die russische Aggression verteidigen kann. Das soll über einen komplizierten Weg erreicht werden, der juristisch umstritten ist: Die Vermögenswerte selbst sollen nicht konfisziert werden. Stattdessen sollen die Finanzinstitute, die sie halten,sie an die EU verleihen. Die Union leiht sie dann an die Ukraine weiter. Kiew muss diese Kredite erst zurückzahlen, wenn Russland im Rahmen eines Friedensabkommens Reparationen gezahlt hat.
Die belgische Regierung stemmt sich gegen den Plan, weil es Vergeltung aus Moskau fürchtet. Das russische Parlament hat rechtliche Schritte gegen Belgien und Euroclear im Falle einer Beschlagnahmung russischer Vermögenswerte durch die EU angedroht. Es schlug außerdem vor, Vermögenswerte von Bürgern aus "unfreundlichen Staaten" zu nutzen, um Verluste für Russland auszugleichen.
Merz reist am morgigen Freitag nach Brüssel, um dort den belgischen Ministerpräsidenten Bart De Wever und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu treffen. Dabei wird es um den belgischen Widerstand gehen. Da dem Plan alle EU-Länder zustimmen müssen, ist er ohne belgische Unterstützung zum Scheitern verurteilt.
Belgien fordert von den anderen EU-Ländern Garantien, dass sie die Risiken voll mittragen. Von der Leyen ging auf die belgischen Bedenken ein. "Wir werden die Last auf faire Weise teilen", versicherte sie. Auch Merz betonte, "dass wir sämtliche finanziellen Risiken dieses Schrittes gemeinsam tragen müssen".