Weidel-Vorstoß im Realitätscheck "Windmühlen der Schande niederreißen" - eine gute Idee?
18.01.2025, 09:44 Uhr Artikel anhören
Windkraft ist mittlerweile die wichtigste Energiequelle in Deutschland.
(Foto: IMAGO/Jochen Eckel)
Ein Ausschnitt der Parteitagsrede von AfD-Spitzenkandidatin Weidel schlägt hohe Wellen: Alle Windkraftwerke müssten weichen, wenn die Partei an die Regierung käme. Dabei irritiert nicht nur der harsche Tonfall der AfD-Chefin. Gegen den Plan sprechen erhebliche praktische Gründe.
Es waren markige Worte, die AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel auf dem Parteitag in Riesa in den Raum rief: "Wenn wir am Ruder sind, wir reißen alle Windkraftwerke nieder. Nieder mit diesen Windmühlen der Schande!" Weg mit der Windkraft - kann das wirklich funktionieren? Wo stünden wir in Deutschland ohne Windkraft, wie effizient ist die Energie aus Wind? Und ist die Windkraft nicht auch ein Wirtschaftsfaktor, wie viele Menschen arbeiten eigentlich in diesem Bereich?
Kurz gesagt: Ohne Windkraft wird es schwierig, denn Wind ist bei der Stromerzeugung in Deutschland die Nummer eins. Wind ist unser wichtigster Energieträger. Ein Drittel der inländischen Stromproduktion kam im ersten Halbjahr 2024 aus Windkraftanlagen - Tendenz steigend. Blicken wir mal zurück: Im Jahr 1998 lag der Anteil der Windenergie am Strommix bei 0,8 Prozent. Deshalb kann die Windkraft mit Fug und Recht als riesige Erfolgsstory tituliert werden. Ende 2023 standen 28.667 Windenergieanlagen auf deutschem Land und Mitte 2024 noch einmal 1602 vor der Küste.
Deutschland ist also ein Windland. Auch bei den Investitionen liegt Wind gut im Rennen. In Europa hat kein Land mehr Windleistung installiert als Deutschland - das macht das Land interessant für Investoren. Weltweit liegen wir auf Rang drei nach China und den USA, laut Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung flossen 2023 7,4 Milliarden Euro an Investitionen in die Windenergie. Das waren aber nur 21 Prozent der Gesamtinvestitionen in erneuerbare Energien. Vor allem die ausufernde Bürokratie, die Zubau-Beschränkungen und komplizierte Bewerbungsverfahren sind hier die größten Hindernisse für Investoren. Hier hat der Zweig also Luft nach oben.
Es wird massiv in Wind investiert
Dennoch ist die Windkraft in Deutschland schon jetzt ein Job-Motor: 124.000 Menschen arbeiteten 2024 in der Windbranche, mehr als in der Solarbranche (84.000) und weit mehr als in der Kohle-Industrie, die mittlerweile weniger als 17.000 Menschen Arbeit gibt. Mit einer Beschäftigtenquote von 32 Prozent ist die Windenergie auch der größte Arbeitgeber unter den Erneuerbaren.
Wer hier also Windkraftanlagen niederreißt, der zerstört auch Jobs. Es arbeiteten zwar schon mal viel mehr Menschen in diesem Sektor, doch mit dem Koalitionsbeschluss von 2013 deckelten CDU und FDP die Windkraft, es kam zu massiven Jobverlusten in Deutschland. Vor allem im Offshore-Bereich, also der Windkraft, die auf See erzeugt wird, steigen die Zahlen aber derzeit wieder an.
Und die Windkraft ist generell auf dem Wachstumspfad. 2023 wurden 745 neue Windenergieanlagen mit einer Leistung von 3.567 Megawatt neu installiert und an das deutsche Stromnetz angeschlossen. Auf See wurden 27 neue Anlagen mit einer Leistung von 257 Megawatt in Betrieb genommen und 74 Fundamente installiert. Damit lag der Gesamtzubau 2023 33 Prozent über dem Vorjahresniveau. Es wird also in Wind investiert.
Windenergie unschlagbar günstig
Und wie steht es mit der Effizienz der Windenergie, die Weidel ja kritisiert? Tatsächlich sind die Anlagen im Laufe der letzten Jahre wesentlich effizienter geworden. Sie wurden größer und leistungsfähiger. Die sogenannte "Energy Payback Time", also die Zeit, bis die eingesetzte Energie amortisiert ist, liegt unter einem Jahr. Laut einer Recherche des Bayerischen Rundfunks liegen die besten Windkraftanlagen schon nach zweieinhalb Monaten im Energieplus.
Außerdem ist mittlerweile überall bekannt, dass Photovoltaik und Wind den günstigsten Strom produzieren. An die 4 bis 6 Cent pro Kilowattstunde für Windenergie an Land - Offshore-Wind ist ein wenig teurer - kommt keine fossile Energie heran. Atomkraft übrigens schon gar nicht, allein schon, weil die Baukosten so exorbitant sind. Laut aktueller Berechnungen ist die Kilowattstunde Atomkraft viermal teurer als Wind.
Daher reagieren Wirtschaftsverbände, höflich formuliert, irritiert auf Weidels Wahlkampfrede. Zu behaupten, erneuerbare Energien würden nicht gebraucht, sei "fundamentale Volksverdummung", sagte der Vorstandsvorsitzende des Oldenburger Energieversorger EWE, Stefan Dohler. "Das ist purer Populismus, der die Fakten einfach negiert und den Wirtschaftsstandort Deutschland massiv schädigen würde", so Dohler, der auch Präsident des Bundesverbandes der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft ist.
AfD-Plan ginge mit Enteignungen einher
Vom Bundesverband Windenergie Offshore hieß es, erneuerbare Energien und Klimaschutztechnik seien für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft entscheidend. Alles andere erhöhe nur die Abhängigkeit von Gas und Öl, Nutznießer wäre der russische Staatschef Wladimir Putin, sagte Verbandsgeschäftsführer Stefan Thimm.
Ein Rückbau würde uns auch teuer zu stehen kommen, denn es käme neben den Rückbaukosten zu Entschädigungszahlungen an die Betreiber. Und die bereits investierten Milliarden in die Stromtrassen wären teure Milliardengräber. Abgesehen davon würde der Strompreis natürlich stark in die Höhe getrieben werden, weil Strom zur Mangelware würde und die Importe enorm anstiegen.
Übrigens: Wollte die AfD die Windkraftanlagen wirklich niederreißen, dann würde sie sich ziemlichen Ärger zuziehen, denn die meisten Windparks befinden sich in Privatbesitz von Firmen und Investoren. Das wären dann streng genommen Enteignungen, und gegen die hat sich die AfD bisher immer sehr laut ausgesprochen.
Wer also in Deutschland Windkrafträder niederreißen will, der legt massiv Hand an einen wachsenden Wirtschaftszweig, an unsere Stromversorgung und nicht zuletzt an Privatbesitz. Insofern ist Weidels Rede entweder als Wahlkampfgerassel zu verstehen oder schlichtweg als populistischer Unsinn.
Quelle: ntv.de