Kreml torpediert Rückzug Wintershall Dea beklagt "ständig neue" Abschieds-Hürden
26.04.2023, 14:08 Uhr
Das Aus in Russland sowie deutliche niedrigere Öl- und Gaspreise als noch im Vorjahr sorgten bei Wintershall Dea im ersten Quartal für einen deutlichen Ergebnisrückgang.
(Foto: picture alliance/dpa)
Knapp ein Jahr nach Kriegsbeginn kündigt Wintershall Dea doch noch seinen Rückzug aus Russland an. Doch selbst nach der faktischen Enteignung gestaltet sich der Prozess schwierig. Denn die russische Führung torpediert den Abschied nach Angaben von Vorstandschef Mehren mit immer neuen Hürden.
Der Rückzug aus Russland gestaltet sich für den Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea schwierig. "Ich kann überhaupt nicht abschätzen, wie lange es dauern wird, bis wir dieses Kapitel endlich abschließen können", sagte Vorstandschef Mario Mehren. Der Konzern habe mit der Verkleinerung seines Büros in St. Petersburg begonnen, zudem würden Kollegen aus Russland zurück an ihre Heimatstandorte gebracht. Darüber hinaus prüfe der Vorstand verschiedene Möglichkeiten für den Ausstieg aus den dortigen Vermögenswerten. "Der Rückzug bleibt jedoch ein komplexer und andauernder Prozess, da die russische Regierung ständig neue Hürden, Hindernisse und Verwaltungsverfahren für diejenigen aufbaut, die das Land verlassen wollen", sagte Mehren.
Wintershall Dea hatte im Januar - knapp ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine - das Aus seiner Geschäfte in Russland angekündigt. Diese machten zuletzt rund 50 Prozent der gesamten Produktion aus. Letztlich wurde der Konzern faktisch enteignet, wie Mehren damals einräumen musste. Er bekräftigte, dass der Vorstand weiter alle rechtlichen Ansprüche prüfe, die das Unternehmen gegen den russischen Staat oder seine Partner in dem Land haben könnte. Dazu gehöre unverändert auch eine mögliche Inanspruchnahme von Investitionsschutzgarantien durch den Bund.
"In Russland kann alles passieren"
Von der Übernahme der Kontrolle über die russischen Geschäfte des Düsseldorfer Energieversorgers Uniper durch die Regierung in Moskau sei er nicht überrascht, sagte Mehren. Es handele sich um einen weiteren Erlass, der "direkt in die Rechte ausländischer Unternehmen in Russland eingreift." Diese Politik habe auch Wintershall Dea getroffen. Von dem Dekret, das die russische Regierung am Dienstag veröffentlicht hatte und mit dem Moskau auch die russischen Vermögenswerte des finnischen Versorgers, der ehemaligen Uniper-Konzernmutter Fortum Oyj, unter staatliche Leitung stellte, sei Wintershall Dea gegenwärtig aber nicht betroffen. Doch: "Heutzutage kann in Russland alles passieren, was eine direkte Einmischung in unsere Rechte, in unser Vermögen anbetrifft."
Das Aus in Russland sowie deutliche niedrigere Öl- und Gaspreise als noch im Vorjahr sorgten bei Wintershall Dea im ersten Quartal für einen deutlichen Ergebnisrückgang. Der operative Gewinn fiel um 14 Prozent auf 1,14 Milliarden Euro.
Der Nettogewinn belief sich auf 274 Millionen Euro, nachdem im Vorjahr wegen milliardenschweren Abschreibungen auf die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ein Nettoverlust von rund einer Milliarde Euro angefallen war. Die Produktion lag bei 318.000 Barrel Öläquivalent (boe) pro Tag - für das Gesamtjahr strebt Wintershall Dea weiterhin 325.000 bis 350.000 boe pro Tag an. 321.000 boe waren es 2022 ohne Russland, inklusive 597.000 boe.
"Ausgaben deutlich erhöhen"
Das Unternehmen, an dem der Chemiekonzern BASF 72,7 Prozent und die ehemalige Dea-Eignerin LetterOne den Rest hält, setzt künftig neben dem Ausbau seiner Geschäfte außerhalb Russlands auch stark auf das Kohlenstoffmanagement- und Wasserstoff-Geschäft. Wintershall Dea plant, eine Reihe von miteinander verbundenen Projekten in der Nordsee zu entwickeln. Im März startete der Konzern mit dem Projekt Greensand die erste Einspeicherung von CO2 in einer Lagerstätte in der dänischen Nordsee.
Zur Höhe der insgesamt geplanten Investitionen äußerte sich Technologievorstand Hugo Dijkgraaf nicht. Sobald Wintershall Dea aber die endgültige Wirtschaftlichkeit der Projekte nachweisen könne, "werden wir die Ausgaben deutlich erhöhen".
Quelle: ntv.de, chr/rts