
"Bloomberg" schätzt das Vermögen von Ellison auf 343 Milliarden Dollar.
(Foto: Getty Images via AFP)
Eine fast 50 Jahre alte, dröge Datenbank-Firma ist plötzlich einer der größten US-Börsenstars. Zu verdanken hat sie ihr unglaubliches Comeback der KI-Revolution. Und ihrem Gründer Larry Ellison. Er wird zum Tech-Mogul von Donald Trumps Gnaden.
Der Tag der Wiederauferstehung kam für Oracle nicht an einem Sonntag, sondern einem Mittwoch. Am 10. September dieses Jahres schoss der Aktienkurs des Software-Giganten an einem einzigen Tag um 40 Prozent nach oben - der größte Kurssprung seit 1992. Am Vorabend hatte das "Wall Street Journal" berichtet, dass OpenAI bei Larry Ellisons Datenbank-Firma Rechenleistung für gigantische 300 Milliarden Dollar über die nächsten fünf Jahre kaufen wird. Fast aus dem Stand machten die Märkte Oracle-Gründer Larry Ellison damit zum reichsten Mann der Welt. Und katapultierten seine in die Jahre gekommene Softwarefirma auf einen Marktwert von fast einer Billion Dollar - und damit in die erste Liga der größten US-Tech-Konzerne.
Bis zu einer Bewertung von sagenhaften 4,5 Billionen Dollar wie inzwischen beim Chip-Hersteller Nvidia ist es zwar noch ein weiter Weg. Und auch ein Kursplus von über 1000 Prozent seit dem Launch von ChatGPT vor rund zweieinhalb Jahren kann Oracle anders als der KI-Chiphersteller noch nicht vorweisen. Doch allein seit Jahresbeginn hat der Oracle-Kurs um mehr als die Hälfte zugelegt. Und die weiteren Erfolgserwartungen sind ähnlich schwindelerregend wie bei Nvidia - dank der KI-Revolution und Ellisons politischen Connections zu Donald Trump und der Maga-Bewegung.
"KI wird alles verändern", hat der Tech-Milliardär als Marschbefehl für Oracle ausgegeben. Wie alle US-Tech-Aktien - und damit nahezu der gesamte US-Aktienmarkt - ist sein Konzern nun eine gigantische Hochrisikowette auf den Erfolg künstlicher Intelligenz. Sie hat den technologisch angestaubten Konzern vollkommen transformiert - und als KI-Rechenprovider wiedergeboren.
Auch mit Mark Zuckerbergs Meta-Konzern soll Oracle laut US-Medien über einen weiteren Milliarden-Vertrag verhandeln. Elon Musks xAI zählt bereits zu den Kunden und will offenbar ebenfalls über die Miete weiterer KI-Kapazitäten sprechen. Zudem ist auch der KI-Chiphersteller Nvidia selbst, der mit seinen Grafikprozessoren (GPUs) das Wettrüsten um die globale KI-Vorherrschaft antreibt, einer der größten Klienten.
Falls die KI-Blase platzt, ist Oracle geliefert
Insgesamt schlummern in Oracles Büchern fast eine halbe Billion Dollar unterschriebene Aufträge - mehr als viermal so viel wie noch vor einem Jahr. Die Orderflut stammt fast ausschließlich von KI-Serverleistung, die Oracle an OpenAI und andere KI-Entwickler vermieten will. Mit diesem Ausblick hat Oracle die Börse in Ekstase versetzt. Denn falls sich die Prognosen einstellen, wird es in den nächsten Jahren Unmengen Geld auf die Firma regnen.
Analysten handeln Oracle schon als mögliche Aktie des Jahres. Die Umsätze sind zwar noch deutlich kleiner als bei den Hyperscalern Amazon, Microsoft oder Google, die zwar Oracles direkte Konkurrenten sind, aber dennoch seine Datenbank-Software auf ihren Servern laufen lassen. Doch bis 2030 will Oracle sein Cloudgeschäft auf 144 Milliarden Dollar steigern - mehr als das Zehnfache des Umsatzes aus dem letzten Geschäftsjahr. Die Gesamteinnahmen könnten sich damit in den kommenden drei Jahren mehr als verdoppeln - das stellt selbst die Wachstumsrate von Google in den Schatten.
Dank des KI-Hypes sind die gigantischen Klumpenrisiken dabei nur Fußnoten: Zwei Drittel von Oracles versprochenen Umsätzen hängen mit OpenAI von einem einzigen Kunden ab. Zusammen mit Sam Altmans KI-Schmiede und Masayoshi Sons Softbank-Konzern will Ellison in den kommenden Jahren 500 Milliarden Dollar in den Bau von Datenzentren mit einer Kapazität von 4,5 Gigawatt pumpen - soviel Strom, wie 4 große Atomreaktoren liefern. Allein für die Nvidia-Chips im ersten Stargate-Supercomputer im texanischen Abilene wird Oracle wohl 40 Milliarden Dollar zahlen. OpenAI will laut "Wall Street Journal" im Schnitt jährlich etwa 60 Milliarden Dollar für den Betrieb seiner Supercomputer an Oracle überweisen.
Die Preisfrage ist nicht nur, wie OpenAI und die anderen Oracle-Kunden mit ihren Chatbots jemals Geld verdienen wollen - und ob Ellisons Konzern diese versprochenen Milliardenumsätze jemals einfahren wird. Sondern wie die Firma den gigantischen Serverausbau für all die vermeintlich eingetüteten Aufträge finanzieren will, ohne in die roten Zahlen zu rutschen. Wegen der gigantischen Kosten für seine KI-Investments hat Oracle erstmals seit 1990 statt zweistelliger Milliardenüberschüsse in diesem Jahr einen negativen Cashflow eingefahren. "Unter allen Hyperscale-Anbietern ist Oracle der am stärksten gehebelte und verbrennt am meisten Geld", warnt die Bloomberg-Reporterin Shuli Ren.
KI hat den schlummernden Giganten wiedererweckt
Denn Oracle finanziert den KI-Serverausbau auf Pump und schiebt eine riesige Schuldenlast von über 140 Milliarden Dollar vor sich her - fast 90 Prozent seines Gesamtvermögens. Google, Amazon & Co. dagegen kommen auf höchstens 30 Prozent. Sie zahlen das KI-Wettrüsten mit einem Haufen Cash, fast aus der Portokasse. 18 Milliarden Dollar hat Oracle etwa über extrem langlaufende 40-Jahres-Anleihen aufgenommen. Kaum jemand kann sich heute überhaupt vorstellen, wie KI bis dahin die Welt verändert. Oder ob die KI-Blase platzt und Oracle einfach mit ihr verschwindet.
Lange war die Firma so etwas wie der schlafende Riese unter den Tech-Konzernen. Larry Ellison gründete sie schon vor fast 50 Jahren. Statt hipper Smartphone-Apps, Messenger-Diensten oder Sozial-Media-Netzwerken verkaufte sie eines der ödesten Produkte der Tech-Welt: Datenbank-Software für Firmen. Die Idee dazu hatte Ellison, als er Ende der 70er bei der CIA arbeitete. Er wollte Amerikas Business-Titanen helfen, ihre mit Beginn des Computerzeitalters explodierenden Datenschätze besser zu organisieren. "Oracle galt bereits als abgeschrieben - als eine Art zweites IBM", sagt der Bloomberg-Reporter Brody Ford. Denn jahrelang sah der Konzern aus wie ein langweiliger Oldtimer.
Noch 2008 hatte Ellison das Cloud-Geschäft als "kompletten Blödsinn" abgetan. Kein Wunder: Er setzte eigentlich darauf, Kunden Software zu verkaufen, die sie auf ihren Servern installieren - und damit auf dem Weg in die technologische Bedeutungslosigkeit. Microsoft, Amazon und Salesforce jagten Oracle immer mehr Marktanteile ab. Erst als Oracle begann, selbst Cloud-Infrastruktur zu bauen und zu vermarkten, hauchte das dem Konzern wieder Leben ein. Nach und nach gewann er wichtige Kunden für seine Serverfarmen zurück, darunter Zoom, Uber und schließlich TikTok.
Die chinesische Video-App ist bis heute ein Schlüsselkunde für Oracles wirtschaftlichen Erfolg. Nicht nur läuft inzwischen ihr gesamter US-Traffic über Oracles Server. Lange vor dem KI-Hype setzte Oracle für TikTok auch die ersten Nvidia-GPUs ein - und sammelte so wertvolles Knowhow im Umgang mit den Chips, die für den Bau von KI-Servern inzwischen unersetzlich sind.
Tech-Mogul von Trumps Gnaden
An TikTok zeigt sich auch das andere große Erfolgsgeheimnis von Oracle: Larry Ellisons Connections zu Donald Trump. Gleich zu Beginn des Jahres entpuppte er sich bei der Vorstellung der Stargate-Initiative als einer von Trumps engsten Unterstützern, schäkerte im Weißen Haus auf offener Bühne mit dem Präsidenten. Inzwischen hat ihn Trump offiziell zu seinem Lieblingsoligarchen auserkoren, der die Medienlandschaft Maga-freundlich umpolen soll.
Sein Sohn David hat mit Ellisons Geld und der Erlaubnis von Trumps oberstem Medienaufseher bereits Paramount und den US-Sender CBS übernommen. Zudem streckt Ellison mit einem Milliarden-Angebot auch die Fühler nach Warner Bros. Discovery und dessen unzähligen Sendern wie HBO und CNN aus. Und er soll mit anderen Trump freundlich gesonnenen Tech-Milliardären nun auch die US-Geschäfte von TikTok übernehmen - und dabei den Algorithmus der App von Grund auf neu trainieren.
Schon bald wird Ellison damit potenziell beeinflussen, was weite Teile der US-Bevölkerung zu sehen bekommen. Ideologisch liegt er voll auf der autoritären Linie von Trump und dessen Unterstützern Peter Thiel und Elon Musk. Mit dem Tesla-Boss ist Ellison laut eigenen Angaben "sehr eng befreundet" und hat selbst eine Milliarde Dollar in Tesla investiert. Auch zu Musks Twitter-Übernahme hat Ellison eine Milliarde Dollar beigesteuert. Zwischen 2018 und 2022 saß er im Tesla-Aufsichtsrat.
Ellison will die totale Dominanz von KI auf der Welt und eine Master-Datenbank errichten, mit der das Leben aller US-Bürger vom Staat durchleuchtet werden kann. "Die Bürger werden sich mustergültig verhalten, denn wir zeichnen alles auf und melden laufend jedes Geschehen." Solange Trump im Weißen Haus sitzt, hat Ellison es wohl zu einem Großteil selbst in der Hand, ob diese Vision wahr wird. Und wie die Geschäfte bei Oracle laufen.
Quelle: ntv.de