Wirtschaft

Drehbuch der Autokraten Trumps Tech-Oligarchen übernehmen die Kontrolle über die US-Medien

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Rupert Murdoch (links) und Larry Ellison im Oval Office. Ellisons Meinungsmacht in den USA könnte bald die von Murdcoh noch übertreffen.

Rupert Murdoch (links) und Larry Ellison im Oval Office. Ellisons Meinungsmacht in den USA könnte bald die von Murdcoh noch übertreffen.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Der jüngste Frontalangriff der US-Administration auf die Meinungsfreiheit ist nur der erste Schritt hin zu gelenkten Medien in den USA. Wie in Ungarn und Russland kontrollieren Trumps Oligarchen bald Amerikas wichtigste Medienkonzerne. Und machen sie womöglich zum Propaganda-Arm der Regierung.

"Wir können das auf die sanfte Tour machen oder auf die harte", stellte der von Donald Trump ernannte Chef der Medienaufsichtsbehörde FCC, Brendan Carr, den Sender ABC und seinen Mutterkonzern Disney vor die Wahl. Sie könnten "Wege finden, ihr Verhalten zu ändern, um gegen Kimmel vorzugehen". Oder "auf die FCC kommt zusätzliche Arbeit zu" - schließlich bräuchten die Sender eine Lizenz.

Nur Stunden später stellte ABC die Show des Trump-kritischen Moderators Jimmy Kimmel ein. Der Sender und der Disney-Konzern kapitulierten in vorauseilendem Gehorsam vor der offenen Zensur durch Trumps Regierung. Selbst Senator Ted Cruz, einer der größten Unterstützer des Präsidenten, brandmarkte Kimmels Absetzung als Erpressung mit Mafia-Methoden. "Das ist wie in 'Goodfellas'. Wie ein Mafioso, der in eine Bar kommt und sagt: 'Schöne Bar haben sie hier, wär' doch ein Jammer wenn ihr was passieren würde'", sagte Cruz in seinem Podcast.

Nach einem Proteststurm von Disney-Kunden, die ihre Streaming-Abos kündigten, strahlt der Disney-Konzern Kimmels Show inzwischen wieder aus. Dennoch ist klar: Donald Trump fährt einen Frontalangriff auf die Pressefreiheit, der offenkundig von langer Hand geplant ist. Der frühere Late-Night-Talker David Letterman warnt: "Wir sehen alle, wo das hinführt, oder? Gelenkte Medien."

Die Abschaltung unliebsamer Kommentatoren oder die Vorab-Genehmigung von Berichten durch das Pentagon sind nur die sichtbarsten Manöver in diesem autoritären Feldzug. Trump geht längst viel weiter. Er hat nicht nur die New York Times, den Penguin-Buchverlag, der wie ntv.de zu Bertelsmann gehört, oder das Wall Street Journal auf Milliarden verklagt. Er hat Millionen von ABC und CBS vor Gericht erpresst, deren Mutterkonzerne für ihre Fusionen die Zustimmung seiner Regierung brauchen, und sie mit regulatorischen Konsequenzen gezwungen, Trump-Kritiker mundtot zu machen. Er droht US-Sendern offen mit dem Entzug der Lizenzen, falls sie nicht berichten, was er will.

Effizienter als Repression

Formell zensiert nicht der Präsident die Sender, sondern die Konzerne zensieren sich selbst, weil Trump sie wirtschaftlich erpresst. Ökonomische Macht ist effektiver als offene Repression bei der Kontrolle der Medien. Daher ist es besorgniserregend, was Trump offenbar als Nächstes vorantreibt: die wichtigsten Medienunternehmen in den Händen Trump-freundlicher Tech-Milliardäre zu konsolidieren. Mit einer Reihe von Deals haben die Oligarchen aus dem Silicon Valley bereits begonnen, ein Medienimperium zu errichten, aus dem bald der Propaganda-Arm der Trump-Regierung werden könnte.

Das Drehbuch ist aus anderen Staaten, in denen Demokratie und Pressefreiheit eingeschränkt werden, bekannt: Wie in Ungarn, der Türkei oder Russland übernehmen dem Staatschef nahestehende Unternehmer Medienunternehmen und bündeln sie für ihn. In Budapest etwa hat Viktor Orban mittels Übernahmen durch regierungsnahe Oligarchen "ein wahres Medienimperium aufgebaut, das den Befehlen seiner Partei untersteht", wie es in einer Analyse der Organisation Reporter ohne Grenzen heißt. Orbans Partei habe dadurch die Kontrolle über gut 80 Prozent des ungarischen Medienmarkts. Dasselbe Spiel läuft seit 2008 in der Türkei. "Die führenden Medienmarken werden von Firmen und Personen kontrolliert, die Erdogan und seiner AKP nahestehen", schreibt Reuters. Auch in Russland haben Putins Oligarchen die Medienkonzerne zu Sprachrohren der Kreml-Propaganda gemacht.

Der Weg zu ähnlichen Verhältnissen in den USA ist nicht sehr weit: Bedeutende Teile der US-Medien gehören bereits Trump-freundlichen Tech-Milliardären. Elon Musk kontrolliert X. Amazon-Gründer Jeff Bezos gehört die "Washington Post". Die Murdoch-Familie besitzt unter anderem das "Wall Street Journal", "Fox News" und die "New York Post". Und nun kommt noch ein weiterer Oligarch hinzu: Oracle-Gründer Larry Ellison, der Elon Musk gerade als reichsten Menschen der Welt abgelöst hat.

Larry Ellisons Sohn David hat mit dem Geld seines Vaters und seiner Firma Skydance bereits Paramount und den US-Sender CBS übernommen, der etwa das Investigativ-Flaggschiff "60 Minutes" produziert. Der langjährige Chef des Formats nahm daraufhin aus Protest gegen Angriffe auf seine journalistische Unabhängigkeit seinen Hut, ebenso wie die Nachrichtenchefin des Senders. Zudem streckt Ellison mit einem Übernahmeangebot die Fühler nach dem Konzern Warner Bros. Discovery und seinen Sendern HBO, CNN, TNT sowie unzähligen weiteren Kanälen aus. Auch beim Social-Media-Schwergewicht Tiktok könnten die Ellisons schon bald mitreden.

Trump schanzt Tiktok seinen Unterstützern zu

Mehr als 130 Millionen Amerikaner nutzen die Video-App aus China. Das sind ein Drittel aller Erwachsenen und mehr als 60 Prozent aller US-Teenager. Für viele von ihnen ist sie längst eine der wichtigsten Nachrichtenquellen. Das macht Tiktok zu einer enorm mächtigen Plattform zur Beeinflussung der US-Bevölkerung. Aus Angst, Peking könnte damit Propaganda verbreiten, hat der Kongress Tiktok verboten, falls die App nicht an US-Eigentümer verkauft wird. Doch Trump hat die Deadline schon viermal verschoben. Denn er will Tiktoks mediale Reichweite nicht etwa zerstören, sondern für seine Zwecke umpolen: indem er die App freundlich gesonnenen Milliardären zuschanzt.

Laut US-Medien und Trump selbst sollen Larry Ellison, Michael Dell und der rechte Trump-Unterstützer und Tech-Milliardär Marc Andreessen die US-Geschäfte von TikTok übernehmen. Zudem hat Trump bestätigt, dass wahrscheinlich auch die Murdochs mit von der Partie sein werden - über die Fox News Corporation, Trumps Haus- und Hofsender. Trump hat den Deal bereits mit einem offiziellen Dekret besiegelt.

Der Empfehlungs-Algorithmus, der darüber entscheidet, welche Videos den Nutzern in die Timeline gespült werden, soll demnach in die Hände der Investoren um den Datenbank-Giganten Oracle übergehen, ebenso wie sämtliche "Entscheidungen zur Inhaltsmoderation". Trumps Milliardär Larry Ellison könnte also künftig potentiell beeinflussen, was weite Teile der US-Öffentlichkeit zu sehen bekommen. Die Tür steht weit offen dafür: Oracle soll den TikTok-Algorithmus für die USA von Grund auf neu trainieren und sämtliche Daten der Nutzer speichern.

Zudem soll Oracle umfassend mit der US-Regierung bei der Entwicklung der App und ihres Quellcodes zusammenarbeiten - angeblich aus Gründen der nationalen Sicherheit. Trump sicherte zwar zu, dass Meinungsfreiheit bei Tiktok gewahrt werden sollen - allerdings nur zähneknirschend. Wenn er könnte, würde er für "100 Prozent Maga"-Inhalte sorgen, sagte er. "Leider" werde aber jeder in Zukunft bei Tiktok "fair behandelt werden".

Faktisch werden die Trumps Regierung und die Tech-Milliardär die Kontrolle über die Inhalte und Daten von Millionen Amerikanern haben. Mit diesen Deals würde Ellison "einer der mächtigsten Medien- und Unterhaltungsmogule, den das Land je gesehen hat", bilanziert die "New York Times". Als reichster Mensch der Welt hat er nahezu unendliche Ressourcen, die er nun gezielt einsetze, schreibt die Zeitung: "Er will sich zum Medienmagnaten wandeln."

Gleich nach Trumps Amtsantritt präsentierte sich Ellison als Trumps enger Verbündeter. Mit OpenAI-Chef Sam Altman und Softbank-Chef Masayoshi Son kündigte er im Oval Office die 500 Milliarden Dollar schwere Stargate-Initiative zum Bau von KI-Datenzentren an. Es gibt keinen Zweifel, dass Trump Ellisons Wandel zum Medienmogul begrüßt und unterstützt. Die Übernahme von Paramount hat er ausdrücklich begrüßt: "Er wird großartige Dinge damit tun." Und schon vor Monaten hatte Trump zur Zukunft von Tiktok gesagt: "Ich würde es gerne sehen, wenn Larry es auch kauft".

Ellison will den Überwachungsstaat schaffen

Ideologisch liegt Ellison wie Elon Musk, Peter Thiel, Marc Andreessen und andere Tech-Milliardäre auf Trumps autoritärer Linie. Ellison strebt die totale Dominanz von KI auf der Welt an und argumentiert für einen Überwachungsstaat: "Die Bürger werden sich mustergültig verhalten, denn wir zeichnen alles auf und melden laufend jedes Geschehen," hat er seine Vision gegenüber Oracle-Investoren umrissen. Er will den gläsernen US-Bürger schaffen mit einer Master-Datenbank, die dann von KI durchsucht werden kann. Krankheiten und auch sonst alle Probleme sollen so gelöst werden. "Ich denke, das wird für zufriedenere Bürger sorgen", meint Ellison.

Er und die anderen Tech-Milliardäre installieren in ihren Medien längst die von Trump gewünschte Meinungskontrolle. Die "Washington Post", deren Kommentatoren Jeff Bezos die Verteidigung "persönlicher Freiheit und freier Märkte" verordnet hat, feuerte gerade die Kolumnistin Karen Attiah, weil ihr deren Social-Media-Posts über den ermordeten rechten Aktivisten Charlie Kirk nicht passten. Bei der Übernahme von Paramount versicherte Ellisons Firma schriftlich, im Programm "eine Vielfalt von Standpunkten aus allen Teilen des politischen und ideologischen Spektrums" abzubilden. Dafür wird zwei Jahre lang ein Ombudsmann eingesetzt, bei dem sich Zuschauer über angeblich verzerrte Berichte beschweren können: Kenneth Weinstein, Ex-Chef des konservativen Hudson-Instituts.

Trumps Medienzar Carr hilft, den Tech-Oligarchen den Weg freizuräumen. Laut geltenden Regeln dürften sie mit ihren TV-Stationen nicht mehr als 39 Prozent der US-Bevölkerung erreichen. Aber Carr will diese jahrzehntealte Beschränkung aufheben: "Diese Regeln und Vorschriften sind schon viel zu lange in Kraft." Damit können sie ihre Medienimperien noch weiter ausbauen.

All das sei "Teil einer konzertierten Strategie bei der Trump-freundliche Oligarchen die Kontrolle über die Medien konsolidieren", warnt Ben Rhodes, Ex-Sicherheitsberater von US-Präsident Barack Obama. Diese Oligarchen würden dafür sorgen, dass die einzigen Inhalte, die die Amerikaner sehen, "faktisch ideologisch dem entsprechen, was Trump und sein FCC-Chef vorgeben". Putin habe dafür eine Weile gebraucht, ebenso wie Orban. "Es gibt dafür nur ein Drehbuch, das überall verfolgt wurde. Wir sind nicht am Anfang dieses Drehbuchs. Wir sind fast an seinem Ende."

Quelle: ntv.de

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