Wirtschaft

"Ein Mysterium" Wirtschaftsweise Grimm legt im Streit mit Scholz nach 

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Sie hoffe, "dass die Regierung sich dazu durchringt, einen Haushalt zu verabschieden, der tatsächlich verfassungskonform ist und nicht wieder vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten wird", so Grimm

Sie hoffe, "dass die Regierung sich dazu durchringt, einen Haushalt zu verabschieden, der tatsächlich verfassungskonform ist und nicht wieder vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten wird", so Grimm

(Foto: picture alliance / Metodi Popow)

Aus dem Urlaub schaltet sich Bundeskanzler Olaf Scholz in den neuen Streit zum Bundeshaushalt ein - und er zieht andere Schlüsse aus zwei Gutachten als sein Finanzminister. Doch der bekommt Unterstützung von einer Wirtschaftsweisen.

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm widerspricht Bundeskanzler Olaf Scholz in der Diskussion um den Bundeshaushalt für das kommende Jahr. Die Pläne der Bundesregierung seien offensichtlich nicht verfassungskonform. "Das belegen zwei Gutachten, die einerseits aus wirtschaftspolitischer Perspektive und andererseits aus juristischer Perspektive darauf geschaut haben und schon sehr klare Evidenz dafür gefunden haben, dass man da eben nachsteuern muss", sagte Grimm im Interview mit ntv.

Scholz hält den Etat für juristisch sauber. Grimm bezeichnete diese Haltung als "ein Mysterium" und übte zudem "Kritik an der gesamten Bundesregierung". Sie hoffe, "dass die Regierung sich dazu durchringt, einen Haushalt zu verabschieden, der tatsächlich verfassungskonform ist und nicht wieder vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten wird", sagte die Wirtschaftsweise.

Hintergrund sind drei Maßnahmen, die die Finanzierungslücke im Etat für das kommende Jahr um zusammen acht Milliarden Euro reduzieren sollten. Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner hatte rechtliche und wirtschaftliche Bedenken an den Ideen geäußert, die ihm zufolge aus der Feder des SPD-geführten Kanzleramts stammen. Deshalb hatte er zwei Gutachten zur Bewertung der Pläne in Auftrag gegeben.

Der Bielefelder Rechtsprofessor Johannes Hellermann und der unabhängige wissenschaftliche Beirat des Finanzministeriums äußerten daraufhin übereinstimmend Zweifel an der Idee, bei der KfW liegende, ungenutzte 4,9 Milliarden Euro für die Gaspreisbremse im Haushalt für andere Zwecke zu nutzen.

Grimm stellt sich hinter Lindner

Weniger eindeutig fielen dagegen die Bewertungen zum Vorhaben aus, der Bahn und der Autobahngesellschaft Darlehen statt Zuschüsse zu zahlen. Unter bestimmten Voraussetzungen sei das rechtlich umsetzbar, erklärte Hellermann. Der wissenschaftliche Beirat sieht in beiden Fällen allerdings Probleme, weil möglicherweise weder Bahn noch Autobahn das geliehene Geld aus eigenen Einnahmen zurückzahlen könnten. Die bundeseigene Bahn ist bereits hoch verschuldet, die Autobahngesellschaft hat aktuell überhaupt keine eigenen Einnahmen. Dies könnte gesetzlich aber geändert werden, meint Hellermann.

Lindners Ministerium hatte argumentiert, die nötigen Reformen bei der Autobahngesellschaft seien aufwendig, politisch umstritten und vor einem Haushaltsbeschluss nicht umsetzbar. Im Fall der Bahn lasse sich das Problem dagegen über eine Eigenkapitalspritze lösen. Politiker der SPD und der Grünen warfen ihm vor, die Haushaltseinigung zu torpedieren - denn Lindner meldete sofort neuen Beratungsbedarf an und brachte auch Einschnitte bei Sozialausgaben ins Spiel. Bis Mitte August wollen Scholz, Lindner und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) nun erneut Lösungen suchen. Dann soll der Haushaltsentwurf an den Bundestag weitergeleitet werden, der viel Zeit zur Beratung braucht.

Im Haushaltsstreit hatte sich die Wirtschaftsweise Grimm hinter Lindner gestellt - und legt nun nach. Sollte der Haushalt als nicht verfassungskonform eingestuft werden, wäre das "auch mit Blick auf das Vertrauen in die Politik eigentlich eine Katastrophe."

Es gehe bei der aktuellen Diskussion zudem nicht nur um die bekannt gewordene Finanzierungslücke von fünf Milliarden Euro. "Das Problem ist ja viel größerer Natur", sagte Grimm. Wesentliche Zukunftsaufgaben würden nicht thematisiert: Der deutsche Staat habe "natürlich steigende Ausgaben für die Renten, Sozialversicherungen, und da muss neu justiert werden". Es gehe da "um größere Verschiebungen, die man der Bevölkerung auch klar kommunizieren muss."

Grimm verteidigte Aussagen ihres Wirtschaftsweisen-Kollegen Martin Werding, der höhere Abschläge für Frührentner fordert und damit die Rentenkassen entlasten will. Allerdings reiche ein solches Vorhaben nicht aus. "Wir sollten an verschiedenen Stellen ansetzen", forderte die Ökonomin.

Quelle: ntv.de, jga/DJ/dpa

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