Wirtschaft

Zweifel an Schlafentzug-Vorwürfen Wurde Middelhoff wirklich dauernd geweckt?

Thomas Middelhoff wurde direkt aus dem Gerichtssaal in die JVA Essen gebracht. Dort sitzt er in Untersuchungshaft.

Thomas Middelhoff wurde direkt aus dem Gerichtssaal in die JVA Essen gebracht. Dort sitzt er in Untersuchungshaft.

(Foto: dpa)

Kann es sein, dass ein Häftling in Deutschland alle 15 Minuten geweckt und so am Schlafen gehindert wird? Der inhaftierte einstige Top-Manager Thomas Middelhoff beklagt das. Experten und das Landesjustizministerium schließen solche Vorgänge aus.

Bei den nächtlichen Kontrollen von Untersuchungshäftling Thomas Middelhoff in der JVA Essen hat laut NRW-Justizministerium kein Bediensteter dessen Zelle betreten. Das ergebe sich aus dem Meldebuch, das die JVA-Mitarbeiter führen müssen, sagte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage. "Kein Bediensteter hat den Haftraum zwischen 22 und 6 Uhr betreten." Das Meldebuch belege, dass die Kontrolle im 15-Minuten-Takt vom 14. November bis 9. Dezember und noch einmal am 18. und 19. Dezember lediglich aus einem Blick durch den Spion der Zellentür bestanden habe.

Die JVA Essen begründet die engmaschige Sichtkontrolle mit Suizidgefahr. Die Rechtsanwälte des früheren Topmanagers hatten der Justiz vorgeworfen, Middelhoff immer wieder geweckt zu haben und von einem "unter keinem denkbaren Gesichtspunkt gerechtfertigten Schlafentzug" gesprochen. Der gesundheitliche Zustand des 61-Jährige habe sich drastisch verschlechtert. Er sei haftunfähig.

Gefängnisexpertin hält Vorwurf für übertrieben

Zuvor hatte bereits die Vorsitzende der Bundesarbeitsgruppe Suizidprävention im Gefängnis, Katharina Bennefeld-Kersten, erhebliche Zweifel an dem Vorwurf des Schlafentzugs geäußert. Im Deutschlandradio Kultur sagte sie: "Ich glaube, das wird nicht so gewesen sein." Eine solche Überwachung brauche zu viel Personal. Ein Bediensteter dürfe eine Zellentür in der Nacht alleine nicht öffnen. Vermutlich sei die Überwachung von Middelhoff wegen Suizidgefahr über die sogenannte Kostklappe erfolgt. Durch die Kostklappe könne einfach gesehen werden, ob es einen Suizidversuch gegeben habe.

Die Anwälte Middelhoffs hatten den Vorwurf erhoben, dass diesem über Wochen Schlaf entzogen worden sei. Sie beantragten Haftprüfung. Die Ärzte gehen demnach von einer seltenen Autoimmunkrankheit aus, die sich unter den Haftbedingungen verschlechtert haben soll.

Das Essener Landgericht hatte den einstigen Spitzenmanager Middelhoff im November 2014 wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft verurteilt und noch im Verhandlungssaal einen Haftbefehl gegen ihn verkündet. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft, mehrere Beschwerden gegen die Haft blieben wegen Fluchtgefahr erfolglos.

Der frühere Arcandor-Chef legte gegen das Landgerichtsurteil Revision ein, über die der Bundesgerichtshof noch nicht entschieden hat. Vor wenigen Tagen stellte Middelhoff außerdem Antrag auf Privatinsolvenz.

Quelle: ntv.de, nsc/dpa/AFP

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