Dow schließt unter 18.000 Dax verliert kräftig
02.11.2016, 21:16 Uhr
Ein Schreckgespenst für Anleger: Donald Trump.
(Foto: REUTERS)
Anleger sehen viele Gründe, Kasse zu machen. Vor der US-Wahl liegt Trump in Umfragen vor Clinton. Was bedeutet das für die Zinsen? Hinzu kommt der "bärenhafteste Ölbericht aller Zeiten". Derweil hält die US-Notenbank still.
Das vorherrschende Thema an den Märkten ist und bleibt die US-Wahl. Die schlechte Nachricht dazu lautet: Die traditionelle Wahlrally wird wohl endgültig ausfallen. Die Gute: Sie dürfte nur aufgeschoben, nicht aufgehoben sein. Viele Händler rechnen mit einer Nachwahlrally.
Der "Wash-Out", also die Marktbereinigung, betrifft die Börsen weltweit. Grund ist das extrem enge Rennen um die US-Präsidentschaft. Laut Umfragen liegt Donald Trump erstmals seit Mai wieder vor Hillary Clinton. Statistikguru Nate Silver sieht zwar noch immer eine Wahrscheinlichkeit von gut 71 Prozent, dass Clinton das Rennen um das Weiße Haus gewinnen wird. Die Anleger sind allerdings nervös und lösen Risiko-Positionen auf.
Der Dax verlor bis Handelsschluss 1,4 Prozent nur knapp über Tagestief bei 10.370 Zählern. Die spontane Talfahrt am Nachmittag ging dabei aufs Konto des starken Öllageranstiegs in den USA.
Der Index der mittelgroßen Werte MDax gab 0,8 Prozent auf 20.705 Zähler nach. Der Technologiewerte-Index TecDax verlor 1,1 Prozent auf 1685 Punkte.
Auch im restlichen Europa war am Mittwoch von Kauflaune bei den Investoren nichts zu spüren: Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 fiel erstmals seit Mitte Oktober wieder unter die runde Marke von 3000 Punkten - zuletzt betrug der Kursverlust 1,3 Prozent bei einem Stand von 2982 Zählern.
Die Anlegerflucht "erinnere stark an die Phase der Brexit-Abstimmung", sagte ein Händler. "Die Anleger haben Angst, dass sich das Drama wiederholt, auch weil die Umfragen seit dem Wochenende wieder so eng geworden sind." Die Anleger verkaufen Aktien und behalten entweder das Bargeld oder kaufen Gold, denn das gilt als krisensichere, wertbeständige Anlage. Marktbeobachter prognostozieren bereits, dass der Trump-Schock den Goldpreis wieder über 1300 Dollar je Feinunze treiben könnte.
Bei einzelnen Titeln waren teils heftige Kursausschläge zu beobachten. Die Aktien von Fresenius zum Beispiel stürzten ohne Nachrichten kurzzeitig um 2,5 Prozent ab. Zuletzt notierte die Aktie jedoch 0,7 Prozent höher. Am Vortag gab es das gleiche Phänomen bei Prosieben und RWE, die ebenfalls nachrichtenlose "Spikes" von bis zu 2,5 Prozent aufwiesen, die dann schnell wieder komplett revidiert wurden.
Händler führen diese hohe Volatilität auf die steigende Illiquidität der Märkte zurück. "Das Orderbuch von echten Anlegern und Händlern wird immer dünner", sagte ein Händler. Regulierung und damit fallende Risikobudgets seien einer der Gründe dafür. Umgekehrt werde der Computer- oder Algo-Handel immer lästiger und mache an umsatzarmen Tagen bis zu 90 Prozent der Trades eines Tages aus, sagte ein anderer Händler. Den Schaden solcher Bewegungen hätten vor allem Fonds, die durch solch ungerechtfertigte Kursausschläge ausgestoppt würden.
Die größten Verlierer waren die zyklischen Sektoren wie Banken oder Rohstoffe. Deutsche Bank verloren 2,8 Prozent. Unter Druck standen auch die Stahlwerte. Thyssenkrupp verloren 0,7 Prozent, Salzgitter 2,8 Prozent. Nicht hilfreich ist ein schwacher Ausblick von US Steel, obwohl man im Handel diesem nur einen untergeordneten Einfluss auf die Kursentwicklung im Sektor zubilligt.
Die guten Mercedes-Absatzzahlen in den USA gingen in der allgemeinen Risiko-Aversion unter. Mercedes konnte sich der Marktschwäche mit einem Minus von lediglich einem Prozent weitgehend entziehen. "Aber auch Daimler bläst die Dollar-Schwäche als Gegenwind ins Gesicht", sagte ein Händler. Daimler verloren 2,6 Prozent. Fast alle Hersteller erlitten Einbußen. VW und BMW schnitten im Unterschied zu Mercedes schwächer ab als der Gesamtmarkt. BMW gaben 3,7 Prozent nach, VW hielten sich besser mit einem Minus von 2,7 Prozent.
Spekulationen auf ein Gegenhalten der Lufthansa bei einem Flugangebot des Konkurrenten Ryanair von Frankfurt aus stützten zunächst diese Aktien. Sie lagen kurzzeitig sogar an der Dax-Spitze. Anschließend schmolzen die Kursgewinne aber wieder ab und die Aktie drehte mit 2,4 Prozent ins Minus.
Am Vortag hatten die Aktien rund 1,6 Prozent verloren, da der irische Billigflug-Marktführer Insidern zufolge wohl ab dem nächsten Sommer erstmals Flüge vom Airport Frankfurt aus, der Heimatbasis der Lufthansa, anbieten will. Die Lufthansa könnte dem Beispiel nach Aussagen von Konzernchef Carsten Spohr aber folgen und ihre eigene Low-Budget-Tochter Eurowings ebenfalls vom Frankfurt aus starten lassen.
USA: Wall Street schaut mehr auf Trump als auf Fed
Der New Yorker Wall Street machte das doch wieder enge Rennen um die US-Präsidentschaft weiter zu schaffen. Zudem drückte ein starker Ölpreis-Rückgang auf die Kurse. Auf den Entscheid der US-Notenbank, die Zinsen zunächst unverändert zu belassen, reagierten die Kurse indes kaum.
Der Dow-Jones-Index der Standardwerte sackte um 0,4 Prozent ab und schloss bei 17.960 Punkten. Der S&P-500 gab 0,7 Prozent auf 2098 Zähler nach. Der Index der Technologiebörse Nasdaq verlor 0,9 Prozent auf 5106 Stellen.
"Die Wiederauferstehung Trumps in den Umfragen so kurz vor der Wahl hat Investoren ernsthaft erschüttert", sagte Marktanalyst Craig Erlam vom Brokerhaus Oanda. Die jüngsten Kursentwicklungen zeigten, dass sie einen Sieg der Trump-Kontrahentin Hillary Clinton bevorzugen würden, weil diese für Kontinuität in der US-Wirtschaftspolitik stehe. Donald Trump dagegen gilt wegen seiner Unberechenbarkeit als Börsenschreck. Gewählt wird kommenden Dienstag.
Die US-Notenbank hielt kurz vor der Wahl den Leitzins konstant. Die Argumente für eine Anhebung hätten sich aber weiter verstärkt, erklärte die Fed. Zuvor wolle man jedoch noch weitere Hinweise sehen, dass es auf dem Weg zu Vollbeschäftigung und stabilen Preisen vorangehe. Viele Experten rechnen mit einer US-Zinsanhebung im Dezember.
Bei den Einzelwerten stiegen Papiere von Office Depot um 15,4 Prozent. Der zweitgrößte US-Büroartikelhersteller hatte erklärt, angesichts neuer Aufträge davon auszugehen, dass der zuletzt anhaltende Umsatzschwund verringert werden könne.
Electronic Arts legten 1,8 Prozent zu. Der Videospiele-Entwickler ("Fifa") hatte seine Prognose für Umsatz und Gewinn angehoben.
Asien: Auf breiter Front bergab
Der Schreck über die jüngsten Umfragen zum Ausgang der US-Präsidentschaftswahl ist Anlegern weltweit tief in die Glieder gefahren: Auch an den südostasiatischen Börsen ging es auf breiter Front bergab.
In Tokio fiel der Aktienmarkt - auch belastet von steigenden Yen-Kursen - auf den tiefsten Stand seit zwei Wochen. Zum Handelsende stand ein Abschlag von 1,8 Prozent auf 17.135 Punkte zu Buche.
Sydney meldete mit dem Minus von 1,2 Prozent gar ein Siebenwochentief - trotz sehr guter Arbeitsmarktdaten aus Neuseeland, wo die Arbeitslosigkeit den niedrigsten Stand seit acht Jahren markierte. Der Leitindex S&P/NZX-50 in Wellington büßte 1,1 Prozent ein, auf den Philippinen ging es 1,8 Prozent abwärts und in Taipeh auf Taiwan 1,4 Prozent und damit auf den tiefsten Stand seit sechs Wochen. Im chinesischen Kernland ermäßigte sich der Schanghai-Composite um 0,6 Prozent auf 3103 Zähler.
Der Wechsel an der Regierungsspitze in Seoul lastete nicht stärker auf dem Markt - der Kospi bewegte sich mit minus 1,4 Prozent im Mittelfeld der regionalen Börsen. Die wegen eines Skandals unter Druck geratene südkoreanische Präsidentin Park Geun Hye hatte ihren Ministerpräsidenten entlassen und das Kabinett umgebildet.
Devisen: Dollar verliert
Trumps Aufholjagd belastete aber nicht nur die Aktien, sondern auch den Dollar. "Mit Helloween kehrte das Schreckgespenst Trump an die Börsen zurück", sagte LBBW-Analyst Uwe Streich. Sollte der republikanische Präsidentschaftskandidat nächster Präsident werden, dürfte dies zu Unsicherheiten an den Finanzmärkten führen und das könnte wiederum die US-Notenbank vor einem Zinsschritt zurückschrecken lassen.
Dollar und Euro nehmen das Szenario gewissermaßen bereits vorweg. Der Euro notierte bereits mehrfach über der Marke von 1,11 Dollar, zuletzt waren es 1,1115 Dollar.
Die Commerzbank spricht von einem "Déjà vu". Zwar spreche weiterhin mehr für einen Clinton-Sieg, allerdings habe der Markt die Turbulenzen am Devisenmarkt nach dem Brexit-Referendum nicht vergessen. Die sicheren Währungshäfen Yen und Schweizer Franken sind die Gewinner der neuen Unsicherheit.
Rohstoffe: Starker Öllageranstieg
Die stark gestiegenen US-Rohöllagerbestände drückten auf die Ölpreise. Brent-Öl verbilligte sich im Vergleich zum Vortag um 2,1 Prozent auf 47,12 Dollar, nachdem es vor knapp zwei Wochen noch mit über 52 Dollar gehandelt wurde. WTI kostete nur noch 45,50 Dollar je Barrel, 2,5 Prozent weniger als am Vortag. Craig Erlam vom Broker Oanda sieht kurzfristig die Gefahr eines weiteren Rückgangs bis auf 42,50/41,50 Dollar.
Die Rohöllagerbestände in den USA sind in der Woche zum 28. Oktober überaus kräftig gestiegen. Die Lagerbestände kletterten nach Angaben der staatlichen Energy Information Administration (EIA) um 14,4 Millionen Barrel gegenüber der Vorwoche. Das ist der stärkste Anstieg seit 34 Jahren.
Analysten hatten nur einen Zuwachs um 1,0 Millionen erwartet. In der Vorwoche hatten sich die Lagerbestände um 0,6 Millionen Barrel verringert. "Man kann leicht davon sprechen, dass dies der bärenhafteste Bericht aller Zeiten ist", meinte Bob Yawger, Direktor der Future-Abteilung von Mizuho Securities USA. "Alle Barrel, bei denen wir uns gewundert haben, wo sie eigentlich abgeblieben sind, kamen mit einem einzigen Bericht zurück."
Hinzu kamen die Zweifel an einer Einigung der Ölförderer auf eine Drosselung der Produktion. Der Iran hat seine Ölausfuhren kräftig gesteigert und nach Regierungsangaben Ende Oktober 2,44 Millionen Barrel pro Tag exportiert. Das sei "eines der höchsten je erreichten Niveaus", zitierte die Nachrichtenagentur Mehr Ölminister Bidschan Namdar Sanganeh. Das Land übertraf damit sein im Mai ausgegebenes Ziel, täglich 2,2 Millionen Barrel auszuführen, etwa so viel wie vor der Verhängung der westlichen Sanktionen im Atomkonflikt.
Gold profitierte vom Trump-Effekt und fallenden Dollarkursen. Die Feinunze verteuerte sich auf 1298 Dollar nach Preisen um 1280 Dollar am Vortag. Die HSBC sieht den Goldpreis am Jahresende bei 1400 Dollar - unabhängig vom Wahlausgang in den USA.
Quelle: ntv.de, ddi/chr/DJ/dpa