Training für angehende ChirurgenWarum eine Firma Leichen die Knochen bricht
Von Janna Linke
In der chirurgischen Ausbildung gehört der Besuch in der Anatomie zur Pflicht: An Leichen üben die angehenden Mediziner den Umgang mit dem Skalpell. Doch Verletzungen sucht man dort oftmals vergeblich. Die Geräte von Marc Ebinger ändern dies - mit echten Imitationen von Knochenbrüchen.
Rimasys steht für eine der außergewöhnlichsten Ideen der medizinischen Ausbildung: Ein Trainingssystem für Chirurgen, das auf echten Körperspender-Präparaten und "echten" Verletzungen basiert und nicht wie üblich auf Plastikmodellen. In Köln entwickelte Marc Ebinger mit seinem Team Geräte, die Verletzungen wie gebrochene Handgelenke oder Ellenbogen an Körperspendern nachstellen können - inklusive Blutsimulation bei schweren Frakturen.
Was heute international gefeiert wird, war ein juristischer und ethischer Drahtseilakt. "Wir wollten Knochenbrüche real imitieren, um Chirurgen auf Extremsituationen vorzubereiten", sagt Ebinger im ntv-Podcast "Startup - jetzt ganz ehrlich". "Die Szene fanden wir erst verstörend, aber der medizinische Nutzen war offensichtlich."
Denn: In der Ausbildung üben alle angehenden Mediziner an Leichen in der Anatomie. Verletzungen sucht man dort jedoch vergeblich.
"Keine kommerzielle Nutzung"
In Deutschland stand das Team bei der Entwicklung der Geräte mit Universitäten und Anatomie-Institutionen im engen Austausch. Weltweit arbeitet Rimasys zusätzlich mit Programmen für Körperspenden zusammen, etwa in den USA. "Wir können für jede einzelne Leihgabe minutiös nachweisen, was damit gemacht wird", so Ebinger. "Keine kommerzielle Nutzung, sondern echter Patienten- und Ausbildungsvorteil."
Dabei war der Start für Ebinger nicht nur unternehmerisch eine Herausforderung. Der Umgang mit echten Leichenteilen sei anfangs "krass" gewesen, sagt er. Ethische Abwägungen hätten das Gründerteam geprägt.
Inzwischen hat der Gründer den millionenschweren Exit geschafft. Freude kam bei Ebinger aber nicht auf. "Intellektuell wusste ich, ich hab's geschafft", sagt er. "Aber emotional war ich ganz woanders unterwegs." Nach Jahren mit durchgearbeiteten Nächten, verpassten Familienfesten und zerbrochenen Beziehungen kam die große Leere.
Die radikale Kehrtwende kam in Portugal. Am Wasser, im Neoprenanzug, auf dem Weg zur nächsten Riesenwelle. Big-Wave-Surfen ist für Ebinger die neue Herausforderung geworden. "Das ist wie Gründen: Immer wieder aus der Komfortzone raus, durch die Angst durchgehen." Und am Ende hoffentlich ohne gebrochene Knochen wieder herauskommen.
Mit Marc Ebinger sprach Janna Linke. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Vollständig können Sie es im ntv-Podcast "Startup - jetzt ganz ehrlich" anhören.