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Herausforderin der Road Glide Indian Challenger - ein klares Jein

Mit der Challenger hat Indian eine direkte Konkurrentin für die Harley-Davidson Road Glide im Programm.

Mit der Challenger hat Indian eine direkte Konkurrentin für die Harley-Davidson Road Glide im Programm.

(Foto: Indian)

Der Kampf zwischen Harley und Indian ist alt und eigentlich hatten ihn die Jungs aus Milwaukee schon gewonnen, denn Indian war pleite. Doch wie das so ist: Die Indianer sind zurück und der Streit geht mit Challenger gegen Road Glide in die nächste Runde.

Mit 31.000 Euro ist die Indian Challenger kein Schnäppchen.

Mit 31.000 Euro ist die Indian Challenger kein Schnäppchen.

(Foto: Indian)

Der Name der neuesten Indian ist Programm: Die US-Firma, 2011 vom finanzstarken Polaris-Konzern zu neuem Leben erweckt, hat schon bei vier der fünf seither präsentierten Modelle diverse Harleys im Visier gehabt. Mit der neuen Challenger hat es Indian nun auf die Road Glide abgesehen. Mit knapp 31.000 Euro kostet die in den USA gefertigte Indian rund 2000 Euro mehr als ihre Mitbewerberin. Für die Nicht-US-Märkte wird das gute Stück unterdessen in Thailand zusammengeschraubt.

Aber egal, wo das gute Stück gebaut wird, der flüssig gekühlte V2-Motor mit 1768 Kubikzentimetern Hubraum arbeitet weitestgehend vibrationsfrei und ist mit 122 PS bei 5500 U/min auch extrem kräftig. Das maximale Drehmoment von 178 Newtonmetern liegt bei 3800 Kurbelwellenumdrehungen an und sorgt beim Beschleunigen schon dafür, das die Arme des Piloten so richtig lang werden. Resümierend könnte man sagen, dass Drehfreude gepaart mit Laufkultur und Durchzugskraft die Kennzeichen des sehr ansehnlichen Vierventil-Triebwerks sind.

Eine Augenweide ist der V2 der Indian Challenger.

Eine Augenweide ist der V2 der Indian Challenger.

(Foto: Indian)

Der Wohlfühlbereich des V2 liegt übrigens zwischen knapp 1500 und 5000 Touren. So hoch dreht man in der Praxis aber selten. Der Sound jedenfalls ist perfekt: ausdrucksstark, aber weder für Fahrer noch Umgebung lästig. So kann man bis etwa 140 km/h selbst ohne Kopfhörer recht gut Radio hören; der elektrisch verstellbare Windschild wie die 6,5 Zoll großen 100-Watt-Lautsprecher helfen dabei.

Der Verbrauch des Power Plus V2, dem volumenstärksten Motor der Amis, wird laut WMTC-Test mit 6,1 Liter über 100 Kilometer angegeben. Dieser Wert ist bei artgerechter Fahrweise durchaus erreichbar. Im Test über 2000 Kilometer lag der Verbrauch zwischen 5,0 und 6,9 Liter. Dank des großen 22,7-Liter-Tanks sind 350 Kilometer Reichweite kein Problem. Einzig die Gasannahme könnte im Kapitel Antrieb besser gelöst sein: Nur im Regen-Fahrprogramm geht der V2 kultiviert ans Gas, bei Standard und Sport löst spontanes Gasgeben einen mehr oder minder kräftigen Ruck aus.

Kurve geht auch

Auch Kurven lassen sich mit der Indian Challenger sauber nehmen.

Auch Kurven lassen sich mit der Indian Challenger sauber nehmen.

(Foto: Indian)

Absolut gefällig gibt sich das Fahrwerk. Sowohl die 43er USD-Gabel als auch das in der Vorspannung einstellbare Zentralfederbein bieten dank guter Abstimmung und ausreichender Federwege guten Fahrkomfort; die Challenger erklimmt diesbezüglich die Spitzenposition im Segment. Der breite Lenker liegt gut zur Hand, fürs Einlenken in Kurven genügt ein leichter Druck.

Apropos Kurven, die packt die Indian souverän und stabil, auch der Geradeauslauf ist bis zur abgeregelten Höchstgeschwindigkeit von 177 km/h einwandfrei. Die hochwertige Brembo-Bremsanlage ist leider keine Zweifingerbremse; vermutlich wegen sehr defensiv ausgewählter Beläge braucht die Frontbremse ordentlich Handkraft, um gut zu verzögern. Die hintere Bremse macht ihre Sache hingegen unauffällig gut. Weil modernste Stabilisierungstechnik von Bosch an Bord ist, verfügt der Fahrer auch über ein Kurven-ABS und eine dynamische Traktionskontrolle. Einen Berganfahrassistenten gibt es allerdings nicht und gerade der wäre bei einem Gewicht von 381 Kilogramm hilfreich.

Das Eigenleben der Challenger

Das gut bedienbare Navigationssystem verfügt über ein riesiges Display.

Das gut bedienbare Navigationssystem verfügt über ein riesiges Display.

(Foto: Indian)

Auch beim Blick aufs Dashboard gibt es Kritik: Die beiden runden Anzeigen im Cockpit spiegeln und sammeln bei Regen das Wasser, die voluminösen Ablagefächer in der Frontverkleidung sind nicht absperrbar und das nicht im Keyless-System integrierte Lenkschloss ist fummelig zu bedienen. Schön wäre auch eine Hinterleuchtung der Lenkerschalter. Das gut bedienbare Navigationssystem verfügt über ein riesiges Display, doch nervt die Menge der nutzlosen Ansagen auf Dauer enorm.

Die anderen Elemente des fülligen Rider Command Systems können dagegen überzeugen. Irritierend war die Eigenschaft des Testbikes, beim Druck des Anlasserknöpfchens nicht stets spontan den Motor zu starten; mitunter bedurfte es mehrerer Versuche. Dass zweimal eine einige Minuten aufleuchtende Kontrollleuchte auf "Fehler am Fahrwerk" aufmerksam machte, trug ebenfalls zur Verunsicherung des Fahrers bei. Und auch die Reichweitenanzeige bewies eine gewisse Eigensinnigkeit. Mit Sprit für noch rund 80 Kilometer am Abend abgestellt, informierte das Display am nächsten Morgen darüber, dass man nun nur noch einen Kilometer fahren könne. Der Schreck zwang den Tester umgehend an die Tankstelle, wo sich herausstellte, dass noch über sechs Liter im Tank waren.

"Im Prinzip ja, aber ..."

Für längere Touren ist die Indian Challenger gut gerüstet.

Für längere Touren ist die Indian Challenger gut gerüstet.

(Foto: Indian)

Dennoch ist die Indian Challenger für längere Touren gut geeignet: Der Sitzkomfort ist auch für eine Sozia sehr gut, die Fahrer-Trittbretter bieten eine prima Auflagefläche für die Stiefel, der Windschutz ist dank des elektrisch verstellbaren Windschilds und diverser Flaps bis etwa 160 km/h okay. Auch das LED-Licht überzeugt. Das gelingt den beiden voluminösen Seitenkoffern nicht: Ihre Aufhängung wie auch der Schließmechanismus mittels eines mittig installierten Hakens wirken nicht vertrauenerweckend.

Ganz besonders wichtig ist beim Typus eines Fullsize-Baggers das Design. Die Kommentare Umstehender reichten auf der Reise von "Gefällt mir super" bis zu "Im Prinzip ja, aber …". Zu den protokollierten "Aber" gehört eine Überfrachtung mit Firmenemblemen wie auch eine mangelhafte Wertigkeit der verwendeten Kunststoffe im Cockpit, am Wasserkühler und an den Fahrzeugseiten.

Die Lichtsignatur der Indian Challenger sorgt für einen hohen Wiedererkennungswert auch im Dunkeln.

Die Lichtsignatur der Indian Challenger sorgt für einen hohen Wiedererkennungswert auch im Dunkeln.

(Foto: Indian)

Einig waren sich aber alle Betrachter, welche die Indian bei Dunkelheit auf den Parkplatz rollen sahen, dass die beim Anhalten aufleuchtende Unterflur-Illumination "der Hammer ist". Wie sehr man sich bei einem Bike dieses Kalibers angesichts einer nicht vorhandenen Rückfahrhilfe mitunter schinden muss, steht auf einem anderen Blatt. Immerhin ist die Umfallgefahr dank der niedrigen Sitzhöhe gering.

Ist die Indian Challenger nun die bessere Harley-Davison Road Glide? Die Antwort besteht in einem klaren Jein. Das urwüchsige Bike aus Milwaukee ist in sich stimmiger und wirkt in Details wertiger, während der Herausforderer das feinere, stärkere und deutlich komfortablere Motorrad ist, mit dem sich spürbar besser reisen lässt. Zudem bietet es mit der erwähnten Unterflurbeleuchtung ein geniales, wenn auch fürs Fahren nutzloses Gimmick.

Quelle: ntv.de, Ulf Böringer, sp-x

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