Briten machen Druck Triumph Tiger 1200 - auf Augenhöhe mit der GS?
23.03.2022, 16:45 Uhr
Mit der Tiger 1200 macht Triumph mächtig Druck auf die Konkurrenz.
(Foto: Triumph)
War bis jetzt bei den Reise-Enduros die BMW R 1250 GS unanfechtbar, muss sie sich in der nächsten Saison einer ernst zu nehmenden Konkurrentin stellen. Mit der Triumph Tiger 1200 haben die Engländer nämlich tatsächlich ein Bike auf die Räder gestellt, das der Klassenbesten das Wasser reichen kann.
Reise-Enduros stellen das anspruchsvollste Segment des Motorradmarktes dar. Ähnlich viele Finessen wie in dieser europaweit seit Jahren von der BMW R 1250 GS dominierten Klasse sind nirgendwo sonst vonnöten, wenn ein Hersteller es mit seinem Produkt ganz nach oben schaffen will. Zu diesem elitären Kreis gehört künftig auch die Triumph Tiger 1200. Die vollkommen neu entwickelte jüngste Generation des englischen Big Adventure Bikes brilliert bei Motor, Fahrwerk, Kardanantrieb, Ausstattung und Ergonomie. Die 150 PS starke Tiger 1200 kommt im Lauf des April in insgesamt fünf verschiedenen Modellversionen zu den Händlern; die Preise beginnen bei 17.750 Euro, liegen aber bei den vier voraussichtlich meistgefragten Ausführungen zwischen rund 20.000 und 22.500 Euro.
Grundsätzlich teilt sich die Modellfamilie der Triumph Tiger 1200 in zwei Linien auf: Die drei GT-Versionen zielen mit ihrer asphaltorientierten Auslegung auf jene Kunden, die zwar ein großes und starkes Adventurebike wollen, aber keine verstärkten Geländeambitionen haben. Diese befriedigen die beiden Rally-Modelle, die statt mit Leichtmetallgussrädern mit Drahtspeichenrädern und gröber profilierten Reifen ausgerüstet sind und auch längere Federwege haben, weshalb sie zudem über mehr Bodenfreiheit verfügen. Neben dem Basismodell Tiger 1200 GT gibt es die GT Pro und GT Explorer - beide straßenorientiert - sowie Rally Pro und Rally Explorer. Hauptunterschied zwischen den Pro- und den Explorer-Versionen ist neben der Größe des Tanks - bei den Pros fasst er 20 Liter, bei den Explorern 30 - die Ausstattung mit dem radarbasierten Totwinkel-Assistenten bei den Explorern. Wegen der 22 statt 20 Zentimeter messenden Federwege fällt deren Sitzhöhe um 2,5 Zentimeter höher aus.
Umfängliche Ausstattung
Die grundsätzliche Ausstattung aller Triumph Tiger 1200 ist umfangreich: Zu nennen sind der 1160 Kubikzentimeter große Dreizylinder-Reihenmotor mit der satten Leistung von 150 PS bei 9000 U/min. und einem maximalen Drehmoment von 130 Newtonmetern bei 7000 Kurbelwellenumdrehungen. Ebenfalls identisch ist das semi-aktive Federungs- und Dämpfungssystem, das vom Komponentenhersteller Showa bezogen wird. Integriert ist eine automatische Einstellung der Federvorspannung in Abhängigkeit von der Beladung des Motorrads.

Die Rally-Ausführungen der Triumph Tiger 1200 haben längere Federwege und mehr Bodenfreiheit.
(Foto: Triumph)
Ebenfalls geliefert wird die Rundumausstattung mit LED-Beleuchtung samt adaptivem Kurvenlicht, eine Berganfahrhilfe, eine dynamische Traktionskontrolle und ein ABS, das die Bremskraft auch in Schräglage zu dosieren vermag. Weiterhin zur Serienausstattung zählen stets eine zweistufige Sitzhöhenverstellung, ein einhändig verstellbarer, aerodynamisch sehr vorteilhaft geformter Windschild, Handschützer und eine hochwertige Cockpit-Ausstattung mit großem TFT-Display und bei Dunkelheit rot hinterleuchteten Lenkerschaltern. In puncto Ausstattung fährt die Tiger 1200 eine Eins mit Stern ein. Dieselbe Note verleihen wir ihr im Kapitel Ergonomie, denn sowohl bei flotten Landstraßenritten als auch beim Stehendfahren im Gelände gibt es keinerlei Anlass zu Mäkeleien. Mag sein, dass dem einen oder der anderen der Sitz auf Dauer etwas zu weich ist.
Nicht laut, tönt aber besonders
Blubbert die Tiger im Leerlauf unauffällig-dezent, ändert sich das mit steigender Drehzahl dank der außergewöhnlichen Zündabstände des Triple: Triumph hat eine sogenannte T-Plane Kurbelwelle entwickelt, so dass sich ein ganz spezieller Sound ergibt, der teils an V2-, teils an V4-Motoren erinnert. Die Tiger sind nicht laut, tönen aber besonders. Freunde des scharfen Triumph-Sounds werden vielleicht irritiert sein. Wir empfinden die neue Tonlage als eindrucksvoller, zudem verbindlicher und angenehmer.

In der GT-Versionen zielt die Triumph Tiger 1200 auf Kunden, die ein großes und starkes Adventurebike wollen, aber keine Geländeambitionen haben.
(Foto: Triumph)
Die Kraftentfaltung des Triebwerks erfolgt linear und nicht überfallartig, was zur leichten Handhabung der Tiger 1200 beiträgt. Der Druck bei mittleren und niedrigen Drehzahlen ist aber eher verhalten. Ungewöhnlich war ein vernehmliches Rucken beim beginnenden Gasgeben in Kurven. Hinzu kam, dass einige der gefahrenen Motorräder beim Übergang vom Rollen in die Beschleunigungsphase ziemlich hart ans Gas gingen, was Triumph mit dem Vorserienstatus der Testfahrzeuge erklärte.
Bei den GT-Modellen gibt es fünf Fahrprogramme: Regen, Straße, Sport, Offroad und einen komplett individuell konfigurierbaren "Fahrer"-Modus. Bei den Rally-Versionen findet sich zusätzlich "Offroad-Pro", bei dem außer dem Heck-ABS (wie im Offroad-Modus) auch das Front-ABS deaktiviert wird. Zudem ist die Fahrwerksabstimmung dann härter. Die Fahrmodi sind gut gewählt und spreizen sich wahrnehmbar, sodass der Wechsel bei unterschiedlicher Fahrbahnbeschaffenheit beziehungsweise veränderten Fahrbedingungen durchaus spürbar ist. Fahrmodus-Wechsel sind selbstverständlich auch während der Fahrt möglich. Angesichts der Vielfalt der elektronischen Einstellmöglichkeiten muss man sich als Tiger-Neuling allerdings eine gewisse Gewöhnungszeit zubilligen.
Auf Augenhöhe mit dem Marktführer
Ein weiteres Lob muss man den Triumph-Entwicklern wegen ihrer konsequenten Gewichts-Diät aussprechen. Angesichts des Kardanantriebs und der insgesamt sehr guten Ausstattung sind 245 Kilogramm für die GT- und 249 Kilogramm für die Rally-Version mit dem 20-Liter-Tank ein mehr als anständiger Wert. Gegenüber der Vorgängergeneration konnten bis zu 25 Kilogramm eingespart werden. Die erlaubte Zuladung beträgt bei jeder Version reichliche 222 Kilogramm. Dank eines Praxisverbrauchs von circa 5,5 Litern würden wir übrigens dem kleineren Tank den Vorzug geben, denn 350 Kilometer Reichweite erscheinen bei Einsätzen in Mitteleuropa mehr als ausreichend.
Kurvt man mit einer GT oder Rally durch bergige Reviere, stellt sich beim Fahrer schon nach kurzer Strecke großes Wohlbefinden ein: Das Fahrwerk vermittelt viel Vertrauen, alles funktioniert leichtgängig und exakt, der stets serienmäßige Quickshifter darf sogar als exzellent bezeichnet werden. Ließ sich bislang universelle Fahrfreude auf unterschiedlichem Terrain am prägnantesten mit den Buchstaben "Boxer-GS" beschreiben, trifft jetzt auch die Buchstaben- und Ziffernfolge "Tiger 1200" zu. Triumph hat den Kraftakt erfolgreich bewältigt und Augenhöhe mit dem Marktführer erreicht. Schöne Aussichten also für Kardan-Liebhaber unter den Fans der großen Adventurebikes, denn für sie gibt es künftig eine ernsthafte Alternative.
Quelle: ntv.de, Ulf Böhringer, sp-x