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60 Jahre Alfa Romeo Giulia Wie aus anderen Sphären

Ihr Debüt feierte die Giulia auf dem Autodromo Monza.

Ihr Debüt feierte die Giulia auf dem Autodromo Monza.

(Foto: Alfa)

Während heute viertürige Crossover-Coupés die Auto-Mode bestimmen, war es vor 60 Jahren die Alfa Giulia, der erste reinrassige Sportwagen mit quattro porte für die ganze Familie. Mit feurigen Motoren und ganz eigenem Design schrieb die Giulia Geschichte als Vorbotin aller GTIs.

Dieser italienische Name entfaltet seine eigene Magie. Giulia, so heißt ein Chor des Petersdomes, eine päpstliche Sommerresidenz, die Geliebte von Romeo in der berühmtesten Liebesgeschichte der Welt und seit 1962 eine legendäre Mittelklasse-Limousine von Alfa Romeo. Bezahlbare Sportlichkeit für flotte Familienausflüge mit mehreren Bambini, vor allem aber heißblütige Motorsporttechnik und günstiges Leistungsgewicht für sonntägliche Siege auf Rundstrecken, das Ganze verpackt in charismatische viertürige Charakter-Formen: Die Alfa Giulia wirkte wie aus anderen Sphären. War die Mailänder Marke zuvor mit der romantisch-rundlich konturierten Giulietta in den Kreis der Massenhersteller aufgestiegen, bereitete nun die markante Nachfolgerin Giulia den Boden für Familienflitzer, die bei anderen Herstellern ab den 1970ern ein GTI-Signet trugen.

Als Alfa Romeo Giulia Ti ließ die Giulia BMW 1500 oder Porsche 356 locker hinter sich.

Als Alfa Romeo Giulia Ti ließ die Giulia BMW 1500 oder Porsche 356 locker hinter sich.

(Foto: Alfa Romeo)

Schon beim Debüt der Giulia auf dem Autodromo Monza wussten die anwesenden Medienvertreter kaum, wohin sie zuerst blicken sollten: Eine derart charakterstarke Karosserie mit neuartig forscher Doppelscheinwerfer-Front, die freie Bahn zu fordern schien, und mit im Windkanal auf den damals sensationellen cW-Wert 0,34 getrimmten kantigen Formen hatte die Autowelt noch nicht erlebt. Keine fließend-rundlichen, lang auslaufenden Stromlinien, sondern ein Abrissheck nach der Lehre des Aerodynamikers Wunibald Kamm, bei Alfa "coda tronca" genannt, kennzeichnete diese Berlina. Die Giulia war anders und das fasziniert bis heute.

Das Herz der Marke

Tatsächlich ist die Giulia für alle mit Kindern das viertürige Herz der Marke. Ein Cuore, für das es nach Einstellung der intern 105/115 genannten Baureihe im Jahr 1978 keinen würdigen Nachfolger gab. Ob neue Giulietta, Alfa 75, 155, 156 oder 159, kein Modell konnte die Aura der Markenikone in die Zukunft führen. Erst die seit 2015 gebaute Giulia (Typ 952) entfaltet wieder einen eigenen Zauber, der sie prompt auf die Titelseiten italienischer und sogar US-amerikanischer Zeitungen brachte. Dazu trägt wie einst nicht nur stilvolle italienische alta moda bei, sondern auch ein spektakulärer Highend-Motor. Sind es heute bis zu 510 PS aus einem V6 mit Ferrari-Genen, genügten der Giulia TI im Jahr 1962 noch 92 aus einem modernen 1,6-Liter-Aluminiummotor mit zwei oben liegenden Nockenwellen. Damit konnte die rassige Italienerin bereits über Speedsymbole wie BMW 1500 oder Porsche 356 hinauswachsen.

Wer in der Giulia Super saß, hatte damals das Gefühl, in einem Gran Turismo zu sein.

Wer in der Giulia Super saß, hatte damals das Gefühl, in einem Gran Turismo zu sein.

(Foto: Alfa Romeo)

Muskeln für schnelle Rundenzeiten zeigte 1963 ebenfalls erstmals auf dem Rennkurs von Monza das 960 Kilo leichte Homologationsmodell Giulia TI Super mit 112 PS für fast 190 km/h. "Wer am Volant der Giulia Super sitzt, hat sofort das Gefühl, in einem Gran Turismo-Wagen zu sein", erklärte die Werbung. Dieses auch von Fachmedien hochgelobte Mailänder Sportgerät - übrigens mit einem Armaturenbrett aus edlem Mahagoni, außergewöhnlichem Fünfgang-Getriebe sowie aufwändiger Fahrwerkskonstruktion - war kurzzeitig konkurrenzlos, nicht einmal der doppelt so teure Jaguar MK II konnte es mit der kompakte 4,11 Meter messenden Giulia aufnehmen. Auch BMW ermöglichte Sportfahrern mit Rennlizenz erst mit dem 1800 TI-SA echte Siegchancen. Insgesamt erwuchsen der Giulia-Baureihe erst mit dem Aufkommen immer vielfältigerer BMW-Neue-Klasse-Derivate und Modellen wie Triumph Dolomite Sprint oder Fiat 124/125 Special sowie der GTI/GT-Inflation in den 1970ern viele Konkurrenten.

In Deutschland anfangs rar

Auf deutschen Straßen blieb die Giulia anfangs rar, daran änderten fast perfekte Ergebnisse in Dauertests und in Qualitätsrankings wenig. Hierzulande musste Alfa in den 1960ern erst einmal ein flächendeckendes Vertriebsnetz aufbauen. Danach und mit der Lancierung preiswerterer Typen wie der Giulia mit 78 PS abgebendem 1,3-Liter-Motor und einfachen Rundscheinwerfern hoben die deutschen Verkaufszahlen ab; ein Höhenflug, wie ihn die kernig klingende Berlina weltweit bis Ende der 1970er zelebrierte. Insgesamt wurden in 17 Jahren 572.646 viertürige Giulia (davon allein gut 273.000 Giulia Super aller Evolutionsstufen) gebaut. Übrigens war dazu die Fertigung vom Alfa-Stammwerk Portello in den neuen größeren Standort Arese gewechselt. Die Giulia als bis dahin meistverkauftes Alfa-Modell trotzte sogar den endlosen Qualitätsdiskussionen, die vom mies verarbeiteten Alfasud, vielen Streiks in Alfa-Werken und allgemein schlechten Stahlqualitäten losgetreten wurden.

Anfang der 1960er Jahre fuhr die Giulia als Sprint vor.

Anfang der 1960er Jahre fuhr die Giulia als Sprint vor.

(Foto: Alfa Romeo)

Alfa Romeo galt schon damals als Marke für Individualisten und Enthusiasten, und dazu passte das gewöhnungsbedürftige Design der Giulia Berlina, die auch mit Details wie der kuriosen mittigen Einkerbung am Kofferraumdeckel zugunsten besserer Aerodynamik polarisierte. Ganz anders übrigens die weiteren Abkömmlinge der großen Giulia-Familie. Gab es die hochgelobten Doppel-Nockenwellen-Vierzylinder doch auch in Coupé- und Spider-Designs, die ursprünglich als Giulietta Sprint und Spider (mit Pininfarina-Signet) verkauft wurden, dann aber unter dem Namen Giulia liefen.

Hinzu kam 1963 das von der Carrozzeria Bertone realisierte Coupé Giulia Sprint GT, ein dynamischer Zweitürer, der in Deutschland als "Alfa Bertone Coupé" bekannt wurde und bis 1976 mit Motoren zwischen 1,3 und 2,0 Liter Hubraum Achtungserfolge in der Zulassungsstatistik erzielte. Nicht zu vergessen die sportlichen Lorbeeren auf Rennstrecken. Rar blieben dagegen das Cabriolet Giulia GTC und ein Zagato-Entwurf. Diese exzentrische Carrozzeria hatte einst das Sportcoupé Giulietta SZ kreiert, aus dem die schrille und schnelle Weiterentwicklung Giulia Tubolare Zagato (TZ) hervorging. Schließlich gab es zusätzlich noch ein Sportcoupé namens Giulia GT Junior Zagato, technisch eng verwandt mit den Bertone-Coupés.

Die bella macchina

Das Alfa Romeo Giulia Bertone Coupe 1300 GT Junior.

Das Alfa Romeo Giulia Bertone Coupe 1300 GT Junior.

(Foto: Alfa Romeo)

Zurück zur Berlina, jener Limousine, die auf Behörden- oder besonderen Privat-Kundenwunsch auch als Kombi-Umbau erhältlich war. Mindestens fünf Carrozzerie lieferten unterschiedlich ausgeführte Fünftürer namens Combinata und Giardiniera vorzugsweise an Polizia und Carabinieri. Sanfte, regelmäßige Modellpflegen - Jahresringe, die sich optisch am Chrom-Grill und den Stoßstangen reflektierten - hielten die agile bella macchina attraktiv.

Nur ein Facelift fand nicht bei allen Fans Anklang: Im Jahr 1974 kommunizierte die neue Typenbezeichnung Nuova Giulia einen zeitgeistigen Plastik-Kühlergrill, einheitliche Größe der Doppelscheinwerfer, eine geglättete Motorhaube sowie Kofferraumdeckel ohne Knick. Vom klassischen Stil kündeten immerhin das große Holzlenkrad und Holzeinlagen in der Mittelkonsole.

Der Alfa Romeo Nuova Giulia nahm ab 1974 den Zeitgeist auf.

Der Alfa Romeo Nuova Giulia nahm ab 1974 den Zeitgeist auf.

(Foto: Alfa Romeo)

Unter der Haube nagelte es nun auf Wunsch, denn mit einem 52 PS abgebenden Selbstzünder zollte Alfa den mit der Ölkrise explosionsartig gestiegenen Benzinpreisen Tribut: ein 138 km/h lahmer und lauter Diesel, den nur gut 6500 Kunden wollten.

Giulia, dieses Wort verkörpert eben bis heute auch stilvollen Motorensound und maximale Velocità. Viel Tempo, wie es heute zum 60. Jubiläum der Markenikone die aktuelle Giulia 2.9 Quadrifoglio (Typ 952) bereithält, die dem sehr exklusiven Club über 300 km/h schneller Viertürer angehört.

Quelle: ntv.de, Wolfram Nickel, sp-x

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