Die Zeichen stehen auf Sturm Wird der Kombi vom SUV überrollt?
20.01.2022, 09:42 Uhr
Obgleich der SUV-Boom ungebrochen ist und wohl auch weiter voranschreitet, halten sich die Kombis wacker.
(Foto: Collage)
Das Gerücht, dass Mercedes seine Kombis mit den kommenden Modellwechseln in Rente schicken will, hat bei den Fans der Lademeister für Unruhe gesorgt. Stellt sich die Frage, ob andere Hersteller ähnliche Pläne haben oder ob der Kombinationskraftwagen hier erhalten bleibt.
Das SUV ist die invasive Art in der Automobil-Welt. Es verdrängt immer stärker den klassischen Pkw, verändert Straßenbild, Käufergewohnheiten und auch das Angebot der Hersteller. Am Kombinationskraftwagen scheint es sich aktuell aber die Zähne auszubeißen - zumindest bei den meisten deutschen Herstellern. Und auch in einem anderen Segment ist der Wettbewerb um die Vorherrschaft noch nicht entschieden.
Wirft Mercedes T-Modell und Shooting Brake raus?
Anfang des Jahres sorgte eine Nachricht für Bestürzung unter traditionsbewussten Auto-Fans: Mercedes streicht einem Medienbericht zufolge seine Kombis aus dem Angebot. Neue Auflagen der T-Modelle in C- und E-Klasse soll es nicht mehr geben. Und auch der Shooting Brake in der A-Klasse wird mit dem Modellwechsel verschwinden. Offiziell bestätigen wollen die Stuttgarter die Nachricht nicht - energische Dementis gibt es allerdings auch keine, noch nicht einmal halbherzige. Wer einen Mercedes-Neuwagen mit extra großem Laderaum will, muss sich also künftig ein SUV kaufen. Natürlich am besten eins, das elektrisch betrieben wird.
Die Verdrängungsleistung der Crossover ist wahrscheinlich nicht der einzige Grund für den Abschied vom T-Modell. In die Entscheidung für das Aus floss wohl auch die wachsende Bedeutung des chinesischen Marktes für den schwäbischen Konzern ein. Im Reich der Mitte werden traditionell keine T-Modelle, Avants, Tourings oder Shooting Brakes gekauft, sondern Limousinen oder SUV. Gleiches gilt für den großen US-Markt, wo Kombis noch nie wirkliche Rolle gespielt haben. Anders ist es weltweit gesehen sowieso nur in einer Handvoll Ländern, allen voran Deutschland und Großbritannien. Bedenkt man dann noch den allgemeinen Branchentrend, aus Kostengründen die Vielfalt und Komplexität der eigenen Modellpalette zu reduzieren, wirkt die Mercedes-Entscheidung nur folgerichtig.
Die asiatischen Hersteller haben dem Kombi schon lange abgeschworen, zumindest in der lange Zeit von dieser Karosserievariante beherrschten Mittelklasse. Weder Toyota, Honda oder Mazda noch Hyundai oder Kia bieten zurzeit ein entsprechendes Modell an. Immerhin sind in der Kompaktklasse noch einige Modelle zu bekommen. Wohl nicht zuletzt aus strategischen Gründen handelt es sich aber meist um speziell für Europa entwickelte Baureihen, die ihre Limousinen-Ableger bei der Eroberung des hart umkämpften Golf-Klasse-Segments unterstützen sollen.
BMW hält am Touring fest
Trotzdem: Die heimische Konkurrenz hält zumindest bislang weiter am Kombi fest. Etwa bei BMW: "Der Touring ist seit Langem fest verankert im Produkt-Portfolio von BMW. Auch in Zukunft werden wir an diesem erfolgreichen Konzept festhalten", heißt es auf Nachfrage etwas blumig aus München. VW wird sogar richtig konkret: "Wir planen weiterhin mit Kombimodellen, sowohl in der klassischen Verbrennerwelt - so kommt der Passat-Nachfolger ab 2023 nur als Kombi - als auch in der Elektrowelt, wo die Serienversion der Studie ID. Space Vizzion in den Startlöchern steht."
Opel bringt mit dem Astra Sports Tourer in wenigen Wochen sogar einen neuen Kombi auf den Markt, der wohl mindestens für die kommenden sechs Jahre weiterlaufen wird. Ähnliches gilt für Porsche, die das Kombiangebot bei ihrem E-Modell Taycan gerade um neue Antriebs- und Design-Varianten erweitert haben. Und selbst Ford hält dem "Turnier" die Stange und verweist auf den 80-prozentigen Kombi-Anteil bei den Focus-Verkäufen in Europa. Auch die anderen genannten Hersteller kommen zumindest in Deutschland oder Europa in den relevanten Baureihen auf beeindruckende Kombi-Quoten von 70 Prozent und mehr.
Volvo modifiziert den Kombi
Zu den klassischen Kombimarken zählt auch Volvo. Was auch so bleiben soll, wie der scheidende Unternehmenschef Hakan Samuelsson kürzlich gegenüber britischen Medien erklärte. Obwohl die SUV-Modelle der Marke (mit dem Modellkürzel "XC") auf deutlich höhere Verkaufszahlen kommen, werde es auch in Zukunft Limousinen ("S") sowie Kombis ("V") geben. Wohl aber in etwas modifizierter Form - weniger eckig als bislang, stattdessen breiter, niedriger und coupéhafter.

Volvo wird seine Kombis zwar modifizieren, will sie aber nicht aus dem Programm nehmen.
(Foto: Volvo)
Der Volvo-Ansatz ist nicht neu. Schon länger legen die meisten Kombis den Fokus nicht mehr auf maximales Ladevolumen, sondern auf schöne Formen. Fließende Dachlinien bis hin zum besonders sportlichen "Shooting Brake"-Stil sind mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme. Und gerade die Elektrifizierung könnte das einstige Handwerkerauto endgültig zum prestigeträchtigen Schmuckstück machen. Denn aktuell setzen die meisten Hersteller bei ihren E-Modellen auf hohe SUV, bei denen die platzraubenden Batterien problemlos im Unterboden eingebaut werden können, ohne die Proportionen zu zerstören. Bei Limousinen und Kombis ist das viel schwieriger. Funktionieren kann das nur mit großem konstruktivem und auch finanziellem Aufwand. "Flach ist das neue Premium" könnte daher künftig zum neuen Motto der Branche werden und dem Kombi sowie der Prestige-Limousine als eleganter SUV-Alternative das Leben retten.
Bei Kleinwagen holen die Crossover auf
Weniger gut sieht die Situation bei der landläufigen Steilhecklimousine aus - vor alle im Kleinwagen-Segment. Dort tobt der Kampf mit den SUV um die Vorherrschaft besonders intensiv. Aktuell haben zumindest in Europa die klassischen Pkw größtenteils noch die Nase knapp vorn. So lag der Opel Corsa 2021 noch gerade so vor dem Mokka, der Renault Clio vor dem Captur und der VW Polo vor dem T-Cross. Lediglich beim Ford-Pärchen Fiesta/Puma und bei Peugeot 208/2008 war das Verhältnis bereits umgekehrt.

Noch hat der Opel Corsa bei den Kleinwagen die Nase vorn. Hier holen die Crossover aber gewaltig auf.
(Foto: Opel)
Die Kleinwagen haben es beim Widerstand allerdings auch schwerer als die Kombis, sind sie den Mini-SUV nicht nur vom Auftritt unterlegen, sondern auch beim Platzangebot. Wie schnell die Crossover solche Schwächen ausnutzen, hatte zuletzt das Van-Segment erleben müssen. Ihr Marktanteil in Europa hat sich seit 2000 mehr als halbiert und dümpelte zuletzt bei 4,4 Prozent. Hingegen ist der, der SUV ist im gleichen Zeitraum von knapp 4 Prozent auf 30 Prozent gewachsen.
Dass die SUV andere Karosserievarianten nicht nur verdrängen, zeigt sich ausgerechnet im kriselnden Cabrio-Segment. Nach Jahren des Niedergangs haben die Verkaufszahlen 2021 in Deutschland erstmals wieder zugelegt. Grund war der große Erfolg des T-Roc Cabrios - eines SUVs mit Stoff-Faltdach.
Quelle: ntv.de, Holger Holzer, sp-x