"Ich hatte ja keine Ahnung!" Opel Insignia - ein Oberklasse-Schnäppchen?
18.11.2013, 14:59 Uhr
Auch wenn die Limousine nicht die bevorzugte Karosserieform in hiesigen Gefilden ist, kann man gut erkennen, dass der Insignia flott geworden ist.
(Foto: Holger Preiss)
Lange hat Opel versucht in die Oberklasse einzufahren. Seit 2008 haben die Rüsselsheimer ein Auto am Start, dass sich dort durchaus Platz verschaffen konnte: den Insignia. Wie weit er noch von den Großen entfernt ist, soll ein Praxistest beweisen.

Am Heck fallen markante LED-Leuchten und ein tiefer gezogenes Chromband ins Auge.
(Foto: Holger Preiss)
Seit 2008 hat Opel den Insignia im Programm. Ein Auto, das das ist, was der Signum immer sein wollte und der Vectra nie war: ein Fahrzeug der Oberklasse. Dabei meint Oberklasse hier tatsächlich nur Ausstattung und Fahrgefühl, nicht aber den Preis. Der Testwagen, ein Insignia 2.0 CDTI, kostet als Limousine in der Ausstattungslinie "Sport" ganze 31.950 Euro. Pah, wird der Zweifler jetzt rufen, für den Preis kann es kein Auto fürs Oberhaus geben! Nun, sagt der Tester, vielleicht ja doch.
Herzrasen ohne Kollaps
Das Herz, das die gerade erst fein geliftete Limousine befeuert, ist der Zwei-Liter-Diesel, den es mit 130 PS, 140 PS, 163 PS und als BiTurbo mit 195 PS gibt. Beim Testwagen fiel die Wahl auf das 140 PS starke Aggregat. Dank seines Drehmoments von 350 Newtonmeter, beim Overboost werden sogar 370 Newtonmeter auf die Kurbelwelle gewuchtet, geht der Insignia sportlicher zur Sache als man es von einem Auto erwartet, das immerhin knapp 1,7 Tonnen auf die Waage bringt. In lediglich 10,5 Sekunden rennt der Rüsselsheimer an die 100 km/h-Marke und beendet seinen Lauf erst bei einem Spitzentempo von 205 km/h. Das ganze geschieht ohne Anstrengung, ohne Opel-Brummen oder -Nageln. Die sauber durch die Gasse zu führende Sechsgangschaltung tut ein Übriges, um den schwungvollen Antritt zu unterstützen.
Doch auch im Rausch der Geschwindigkeit, bei langen Autobahnetappen und dichtem Stadtverkehr gibt sich der mittlere Diesel erstaunlich genügsam. Insgesamt verbrannte der Selbstzünder im Schnitt über 100 Kilometer 7,1 Liter. Das entspricht natürlich nicht den Werten des Herstellers, aber die Rollenprüfstandwerte wieder und wieder ins Feld zu führen nervt nicht nur den Tester. Im Vergleich mit anderen Fahrzeugen, die ähnlich motorisiert sind, kann sich der Opel mit diesem Wert durchaus sehen lassen.
Sehen lassen kann sich auch das Blechkleid. Opel hat den Fünfjährigen nämlich noch mal richtig schick gemacht, bevor 2016 die nächste Generation vorfährt. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger wirkt der Kühlergrilll mit seiner dicken Chromspange jetzt dominanter. Die Frontschürze ist dynamischer und durch die Zeichnung der Lufteinlässe sportlicher. In der Summe streckt es die Front des Rüsselsheimers in Richtung Asphalt. Am Heck fallen jetzt markante LED-Leuchten und ein tiefer gezogenes Chromband auf. Für den sportlichen Auftritt sorgt die weit auslaufende Spoilerlippe auf der Kofferraumklappe, in die auch die dritte Bremsleuchte integriert ist.
Für Transportfreunde eher den Tourer
Bei den Maßen hat sich nichts geändert. Mit einer Gesamtlänge von 4,84 Meter ist der Insignia ein wuchtiges Kerlchen, was aber im besten Fall Gepäck und Insassen zugute kommt. Immerhin 500 Liter verschwinden im Kofferraum, wer die Rückbank umlegt, hat sogar 1015 Liter zur Verfügung. Aber wie das so bei Limousinen ist, ist ob der Kante unterhalb der Heckscheibe die Befüllung nicht ganz einfach und auch beim Leeren des Transportraumes bedarf es einiger Beweglichkeit, um auf Hüfthöhe abgeknickt schlangengleich in die unendlichen Weiten abzutauchen. Für Transportfreunde gilt hier: Lieber den Sports Tourer, im Volksmund auch als Kombi bekannt, wählen. Der kostet nämlich nur 930 Euro mehr als die gleich ausgestattete Limousine.
Auf den Plätzen geht es komfortabel zu. Die Limousine bietet Mitreisenden ausreichend Kopf- und Kniefreiheit, wobei die Größe bis 1,85 Meter keine Rolle spielt. Jedenfalls nicht auf den äußeren Sitzen. Sollte jemand in die Verlegenheit kommen, auch den Mittelplatz auf der Rückbank zu besetzen, muss er selbst bei kleinen Fahrgästen mit wachsendem Unmut rechnen - auch auf kurzen Strecken. Taschen in den Rückenlehnen der Vordersitze sorgen für ein wenig Ordnung in der zweiten Reihe und Becherhalter in der Mittelarmlehne und Einschübe für Flaschen in den Seitentaschen dafür, dass auch auf langen Fahrten niemand dürsten muss. Immer wieder zu loben sind die von Opel angebotenen Premiumsitze mit dem Gütesiegel von der Aktion Gesunder Rücken e.V. Die kosten mit schwarz perforiertem Nappa zwar 1745 Euro zusätzlich, sind aber auch saubequem. Knapp 900 Kilometer am Stück waren auf diesem Gestühl kein Problem.
Das Ende der Opel-Knopfflut
Wer sich so in einen Rausch gesessen hat, der kann seine Blicke über die völlig neue und für Opel-Verhältnisse extrem aufgeräumte Armatur schweifen lassen. Als erstes fällt ins Auge, dass die Flut für Knopffetischisten verebbt ist. Unter dem 8-Zoll großen Touchscreen befinden sich nur noch die Tasten für das Wichtigste, beziehungsweise Sensorfelder für die Zweizonenklimaautomatik - 395 Euro Aufpreis - und die Powärmer. Um die Masse an Informationen zu bündeln, die via Bluetooth vom Handy auch auf das riesige Display übertragen werden können, lassen sich dort bis zu 60 Favoriten anlegen.
So können zum Beispiel Telefonnummern, Adressen, Kontakte, Radiostationen, Musiklisten, Interpreten und Alben gespeichert und durch Tippen auf den Touchscreen aufgerufen werden. Außer über das berührungsempfindliche Display lassen sich aber auch nahezu alle Funktionen über Sprachbefehle - das geht erstaunlich gut -, und über die neu gestaltete Lenkradfernbedienung steuern oder über das Touchpad, das jetzt wie bei Audi, Mercedes und BMW im Mitteltunnel zu finden ist. Dabei erkennt das Pad sogar die Handschrift, so dass über die Eingabe von Buchstaben auch Kontakte und Navigationsziele gefunden werden können. Auch das ist wie bei den Großen.
Ärger über unwillige Assistenten
Nicht wie bei den Großen war der Umstand, dass der für satte 695 Euro erstandene Parkassistent eine Ausfallquote von nahezu 90 Prozent hatte. Opel beteuert, dass es sich hierbei um einen Softwarefehler handelt, der sich schnell beheben lässt. Ärgerlich war es dennoch. Fahrinformationen und Fehlermeldungen erscheinen im Testwagen in einem e benfalls 8 Zoll großen Instrumentendisplay. So wird neben den Anzeigen für Drehzahlen, Tankinhalt und Kühlwassertemperatur auch die Geschwindigkeit im Display dargestellt. Das ist gewöhnungsbedürftig und wird mit Sicherheit auch nicht jedem gefallen. Dessen müssen sich die Rüsselsheimer aber bewusst gewesen sein, denn sie bieten wahlweise auch eine Ausstattung mit konventionellen Instrumenten für Drehzahl und Geschwindigkeit an. Die akustische Krönung erfährt der Insignia mit einem Bose Sound System für zusätzlich 580 Euro. Acht Lautsprecher hämmern dann den Lieblingssound in beachtlicher Qualität in den Innenraum. Schade nur, dass der analoge Radioempfang extrem schwachbrüstig ist und der für 210 Euro zugebuchte DAB+-Empfang nur wenige Sender bietet.
Fahrwerk ist sein Geld wert
Gar nicht schwachbrüstig gibt sich hingegen das FlexRide Premium-Fahrwerk, das Opel optional für 930 Euro anbietet. Es trägt die Insassen nicht nur unaufgeregt über Kopfsteinpflaster und Querfugen, sondern bietet auch die Wahl zwischen drei unterschiedlichen Fahr-Modi: Standard, Tour und Sport. Wobei bei Letztgenanntem ein spürbar schärferes Ansprechen von Fahrwerk und Antrieb wahrnehmbar ist. Ein zentraler Bestandteil des FlexRide Fahrwerks ist die elektronische Dämpferregelung. Dabei werden die Rad- und Fahrwerksbewegungen 100-mal pro Sekunde überprüft und die Stoßdämpfer in Sekundenbruchteilen der jeweiligen Fahrsituation angepasst. Hier sind die knapp 1000 Euro wirklich gut investiert.
Apropos Investition: Der aufmerksame Leser wird jetzt im Kopf überschlagen haben, dass die hier aufgeführten zusätzlichen Ausstattungsfeatures doch einiges kosten. Sie müssen jetzt nicht nachrechnen. Im Testwagen handelt es sich um insgesamt 6125 Euro. Ergibt aber aufgeschlagen auf den Grundpreis lediglich eine Gesamtsumme von 38.075 Euro. Lediglich deshalb, weil nicht mal im Ansatz ein gleichwertig ausgestattetes Fahrzeug deutscher Premiumhersteller zu diesem Preis zu bekommen ist.
Fazit: Wir wissen alle, dass Werbung lügt. Aber im Fall des Werbespots zum neuen Insignia ist doch ein Quäntchen Wahrheit dabei. Sie wissen, was gemeint ist? Eine Stewardess im Flugzeug fahndet nach dem Besitzer des Autoschlüssels für einen Insignia. BVB-Coach Jürgen Klopp meldet sich. Worauf die Frau verdutzt sagt: "Ich hatte ja keine Ahnung." "Haben die wenigsten", so Klopp, "bis sie ihn fahren!" Das sollte auch hier die Devise sein. Bevor man 50.000 Euro auf den Tisch legt, sollte man erst mal eine Probefahrt mit dem Rüsselsheimer machen. Klar, das angeschlagene Image kauft man mit. Aber angesichts des Fahrzeuges lässt es sich gut damit leben.
DATENBLATT | Opel Insignia 2.0 CDTI ecoFlex |
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 4,82 / 1,85 / 1,49 m |
Leergewicht (DIN) | 1513 - 1788 kg (je nach Motorisierung) |
Sitzplätze | 5 |
Ladevolumen | 500 - 1015 |
Motor | Reihen-Vierzylinder mit 1956 ccm Hubraum und Turboaufladung |
Getriebe | 6-Gang Handschalter |
Leistung | 103 kW/140 PS bei 6000 U/min |
Kraftstoffart | Diesel |
Antrieb | Vorderradantrieb |
Höchstgeschwindigkeit | 205 km/h |
max. Drehmoment | 350 Nm (370 Nm mit Overboost) bei 1750 U/min |
Beschleunigung 0-100 km/h | 10,5 Sek |
Normverbrauch (außerorts/innerorts/kombiniert) | 3,3 / 4,6 / 3,7 l |
Testverbrauch | 7,1 l |
CO2-Emissionen (Normverbrauch) | 99 g/km |
Effizienzklasse | A+ |
Grundpreis | 31.950,00 Euro |
Preis des Testwagens | 38.075,00 Euro |
Quelle: ntv.de