Flotter Spanier Seat Ibiza - mehr als im Datenblatt steht
20.01.2014, 13:35 Uhr
Der Seat Ibiza macht im Vergleich zur Klassenkonkurrenz eine sehr gute Figur.
(Foto: Holger Preiss)
Der Seat Ibiza gehört zu den Bestsellern im Programm der Spanier. Das hat seinen Grund, unterscheidet er sich doch gerade optisch wohltuend von den Klassenkameraden und gilt als zuverlässiger Begleiter. Nimmt man ihn genauer unter die Lupe, dann erschallt aber schon mal der Ruf: "Achtung Gefahrenstelle!"
Wer einen Kleinwagen will, der sucht in der Regel ein Auto, das nicht zu teuer ist, sich agil durch den Großstadtdschungel manövrieren lässt und dabei noch möglichst sparsam im Verbrauch bleibt. Wenn er dann noch gut aussieht und von vielen Seiten attestiert bekommt, dass er ein langlebiger Geselle ist und in der Ausstattungsliste eine ordentliche Anzahl an Zusatzausstattungen aufgeführt sind, dann hat man wahrscheinlich die eierlegende Wollmilchsau gefunden. Denn tatsächlich dürfte es schwer sein, all diese Tugenden unter einem Blech zu vereinigen. Insofern gilt es Abstriche zu machen und sich dennoch mit einem Auto den gewünschten Attributen zu nähern.
Die spanische VW-Tochter Seat hat seit 1984 den Ibiza im Angebot. Damals als Eigenentwicklung der Spanier von Giorgetti Giugiaro gezeichnet, der auch den VW Golf und den Fiat Uno entworfen hat, wurde der Iberer in ein sehr eckiges Kleid gepresst. Dafür arbeiteten vor 30 Jahren unter seiner Haube Porsche Motoren. Ausgenommen der 1,7-Liter Diesel, den übernahm man von Fiat. Heute stammt alles aus dem VW-Regal. Der Ibiza hat seine Ecken und Kanten verloren und erfreut sich, verglichen mit dem VW Polo oder dem Skoda Fabia, einer mutigen und sportlichen Formgebung. Der trapezförmige Grill mit dem großen Markenlogo ruht zwischen den scharf geschnittenen Scheinwerfern, die den Iberer "böse" blicken lassen. Ab der Ausstattungslinie Style gibt es auch das LED-Tagfahrlicht als optischen Hingucker ohne Aufpreis.
Spanier mit Highspeed
Nun ist die Optik nicht alles und die gibt es ja auch über alle Ausstattungsvarianten und Motorisierungen. Wenn die also gefällt, dann gilt es, das richtige Paket zu schnüren. Für den Praxistest fiel die Entscheidung auf den Seat Ibiza Style mit einem 1,6-Liter Dieseltriebwerk, das 105 PS leistet und über ein präzise arbeitendes manuelles Fünfganggetriebe gesteuert wird. Die Wahl erwies sich im Laufe des Testzeitraums als perfekt. Jedenfalls was die Leistungsausbeute und den Verbrauch betrifft. Der 1160 Kilogramm schwere Spanier beschleunigt in 10,5 Sekunden auf Tempo 100 und ist mit einer Spitzengeschwindigkeit von 188 km/h angegeben.
Das ist gemogelt, denn die Tachonadel des Testwagens ließ sich spielend an die 200er Marke bewegen. Eigene Zweifel des Testers ließen den Höchstgeschwindigkeitstest mit GPS-Unterstützung wiederholen. Und auch hier lief die digitale Zahlenfolge locker auf die 202 km/h zu. Eine beachtliche Leistung, die einem im kleinen Ibiza das Gefühl gibt, auch mit den großen Jungs spielen zu können. Neben diesen Exzessen wurde der Seat aber im Rahmen der Straßenverkehrsordnung bewegt und zeigte am Ende einen beachtlichen Verbrauch. Lediglich 5,4 Liter Diesel wurden auf 100 Kilometer verbrannt. So wurden mit einer Tankfüllung von 45 Litern 833 Kilometer überwunden. Hätte man auf dem Bleifuß verzichtet, wären über 1000 Kilometer keine Hürde gewesen.
Die sind im Übrigen auch kein Problem, wenn man sich auf dem einfachen, aber durchaus straffen und tatsächlich nicht unbequemen Sitzen im Ibiza niederlässt. Die Oberschenkelauflage ist gut, der Rückenhalt angenehm, nur der Drehknopf, um sie zu verstellen, ist etwas ungünstig zwischen Seitenwangen und B-Säule eingeklemmt. Außerdem wäre es schöner, wenn sich die Kopfstütze im Neigungswinkel verstellen ließe. Die Orientierung für den Fahrer ist wie in allen Modellen der VW-Familie auch im Seat Ibiza ein leichtes. Klar strukturierte Rundinstrumente im Blickfeld des Piloten, deren Ziffernfeld für die Optik einen feinen Chromrahmen bekommen hat.
"Achtung Gefahrenstelle!"
Ansonsten übt sich der Iberer im Innenraum in Bescheidenheit, die nicht ganz zum doch recht opulenten Preis zu passen scheint. Das für die Armaturen verwendete Plastik wirkt nicht billig, aber in der im Testwagen verwendeten Mischoptik wird es nicht jeden ansprechen. Und ohne Radio und Klimaanlage wirkt die Mittelkonsole dann auch denkbar karg. Ja, tatsächlich, selbst in der hochwertigen Ausstattung Style gelten diese beiden als Extras, wobei für das reine Audiosystem 500 Euro und für die Klimaanlage 355 Euro berappt werden müssen.
Besser ist es da, die Annehmlichkeiten der Unterhaltung mit einem portablen Navigationssystem von Garmin zu koppeln. Alles zusammen kostet zwar 975 Euro, aber allein das Navi ist seinen Preis wert. Als unabhängiger Anbieter können die US-Amerikaner nämlich auch vor Streckenfotos der Polizei warnen. Wer das Navi mit seinem Smartphone über Bluetooth koppelt und es zum Hotspot macht, bekommt während der Fahrt in Echtzeit durch eine freundliche Frauenstimme mitgeteilt: "Achtung Gefahrenstelle!" Wer jetzt nicht vom Gas geht, ist selber schuld. Natürlich beherrscht das Gerät auch die Routenführung und bietet zusätzlich die Möglichkeit des freihändigen Telefonierens und informiert über seinen 5-Zoll-Touchscreen über Wetter, Verkehrslage und Spritverbrauch.
Auch das Technikpaket beinhaltet durchaus relevante Features, wie zum Beispiel elektrisch anklappbare Außenspiegel, Coming-home-Funktion, Geschwindigkeitsregelanlage, automatisch abblendende Innenspiegel, Licht-an-Automatik, Nebelscheinwerfer mit Abbiegelicht-Funktion, Regensensor und Dauerfahrlicht. Kostenpunkt hier: 495 Euro. Auch die schicken 16-Zöller gibt es nicht umsonst. 300 Euro will Seat hierfür haben. Insgesamt schaukelt sich der per se nicht wirklich billige fünftürigen Ibiza Style von 18.310 Euro auf letztlich 22.815 Euro auf. Das ist für einen Kleinwagen verdammt viel Geld. Nicht weil er es nicht wert wäre, sondern weil hier eine Summe aufgerufen wird, die mit ähnlichen Ausstattungsmerkmalen auch den Blick in die nächsthöhere Klasse der Kompakten gestattet.

Die 292 Liter Kofferraumvolumen sind ordentlich. Ärgerlich ist, dass sich die Rückenlehnen nicht zu einer planen Fläche umklappen lassen.
Was im Vergleich mit denen dennoch für den Spanier spricht, ist sein trotz gestutzter Maße ordentliches Platzangebot. Öffnet man die Fondtüren, erschrickt der erwachsene Betrachter und drückt sich ängstlich auf die Bank. Umso erstaunlicher, dass die tiefe Sitzposition verhindert, dass die Knie an die Rückenlehne des Vordermanns stoßen. Unangenehmer ist es für Kinder bis zirka neun Jahre. Ihre Beine sind, wenn sie auf dem Kindersitz Platz nehmen, zu kurz, als dass sie unter dem Vordersitz verschwinden könnten. Der Kofferraum fasst für diese Klasse stattliche 292 Liter. Was dem kleinen Spanier einen weiteren Pluspunkt gegenüber den Kompakten bringt, ist seine ausgezeichnete Agilität. Das straffe, sehr sportlich abgestimmte Fahrwerk lässt deutlich mehr an Fahrdynamik zu, als man dem Ibiza zutrauen würde.
Fazit: Der Seat ist im Vergleich mit seinen Artgenossen ein absolut flotter und sehr emotionaler Zeitgenosse. Bestückt mit VW-Technik braucht sich ein Käufer auch kaum Gedanken über die Qualität und Langlebigkeit zu machen. Dank der durch das 1,6 Liter Dieseltriebwerk zur Verfügung gestellten 105 PS muss der Ibiza auch auf langen Strecken nicht permanent in der rechten Spur gehalten werden, sondern kann flott voranschreiten, und das bei einem absolut akzeptablen Verbrauch von 5,4 Litern im Schnitt. In dieser Hinsicht kann man mit dem Spanier also wirklich angeben. Nur beim Preis muss man für sich abschätzen, ob es das wert ist, denn der baugleiche Polo steigt mit der gleichen Motorisierung in der Ausstattung Highline bei 18.975 Euro ein.
DATENBLATT | Seat Ibiza Style 1,6 TDI |
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 4,05 / 1,69 / 1,45m |
Leergewicht (DIN) | 1160 kg |
Sitzplätze | 5 |
Ladevolumen | 292 l |
Motor | Reihen-Vierzylinder mit 1598 ccm Hubraum |
Getriebe | 5-Gang-Handschalter |
Leistung | 77 kW/105 PS bei 4400 U/min |
Kraftstoffart | Diesel |
Antrieb | Vorderradantrieb |
Höchstgeschwindigkeit | 188 km/h |
max. Drehmoment | 250 Nm 1500 - 2500 U/min |
Beschleunigung 0-100 km/h | 10,5 s |
Normverbrauch (außerorts/innerorts/kombiniert) | 3,6 / 5,1 / 4,2 l |
Testverbrauch | 5,4 l |
CO2-Emissionen (Normverbrauch) | 109 g/km |
Emissionsklasse | EU5 plus |
Grundpreis | 18.310 Euro |
Preis des Testwagens | 22.815 Euro |
Quelle: ntv.de