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In Vino Verena Deutschland, deine Komiker

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Sorgt für Unmut: der Komiker Faisal Kawusi

(Foto: picture alliance/dpa)

Die deutsche Comedy-Branche hat ein Problem. Statt guter Gags gibt es oft zotige Flachwitze, die Menschen verletzen mit dem Argument: Humor kenne keine Grenzen. Unsere Kolumnistin über Faisal Kawusi, K.o.-Tropfen und die Freiheit der Comedy.

Achtung, ich muss Sie vorwarnen! Das hier wird womöglich meine letzte Kolumne sein, nicht etwa, weil mir ntv.de den Stecker zieht, Gott bewahre, sondern, weil ich ins Comedy-Geschäft einsteige. Denn in der deutschen Comedy-Branche muss ganz dringend feucht durchgewischt werden.

Ja, die deutsche Comedy-Branche hat ein gravierendes Problem. Damit sind natürlich nicht alle Komikerinnen und Komiker dieses Landes gemeint. Wir haben viele, die ihr Metier beherrschen, der Gesellschaft den Spiegel vorhalten und von denen jeder Witz, so böse er auch manchmal sein mag, zündet. Aber mit dem Begriff Komiker - genauso wie mit der Berufsbezeichnung Journalist - fängt das Dilemma bereits an. Denn wie sich jeder halbseidene Hallodri, der in ein Mikro seiert oder seine Tastatur malträtiert, Journalist nennen kann, so kann sich jeder Dorf-Zorro Comedian nennen, der meint, Witze rausballern zu können. Der Begriff Komiker ist nicht geschützt und zieht reihenweise Leutchen an, die ungefähr so lustig sind wie eine Wurzelbehandlung ohne Betäubung.

Das Problem: Viele Witzbolde unserer Comedy-Landschaft haben ein übersteigertes, oft größenwahnsinnig anmutendes Ego, ein nicht selten unreflektiertes Management und sehr oft eine große Reichweite auf Social Media. Sehr lange sind viele der Platzhirsche, an denen niemand im deutschen TV vorbeikommt, mit ihren einstudierten und meist von anderen Autoren geschriebenen Bühnenprogrammen gut gefahren. Aber mit der Kohle und dem Ruhm kommt in den allermeisten Fällen auch dieser immense Geltungsdrang. Der Komiker möchte immer mehr, auf immer größeren Bühnen stehen, eine Samstagabendshow, mehr Gage. Der Erfolg, er wird zur Droge.

Beobachter der deutschen Comedy-Szene sagen seit Jahren, es herrschen massiver Konkurrenzdruck und Feindseligkeit. Vor der Kamera grinst man sich natürlich gegenseitig heuchlerisch in die Visage. Das kommt, ganz klar, natürlich überall vor, sogar in den besten Familien, vor allem da.

"Witzischkeit kennt keine Grenzen"

Die deutsche Comedy-Branche, man kann es nicht anders sagen, ist ein einziger Morast. Damit unterscheidet sie sich natürlich nicht von anderen Branchen. Aber es ist schon amüsant, dabei zuzuschauen, was in Deutschland alles als Witz durchgeht. Denn Humor dürfe, so die gängige Meinung vieler Komiker und Komikerinnen, "alles". Humor kenne keine Grenzen. Einst sangen die beiden großen Entertainer Hape Kerkeling und der 2014 verstorbene Heinz Schenk: "Witzischkeit kennt keine Grenzen, Witzischkeit kennt kein Pardon, Und wer witzisch is, der hat gut Lache, Und darum gehts in diesem Song."

Witzigkeit aber kennt sehr wohl Grenzen. Diese nämlich ist immer dann überschritten, wenn der Mensch statt zu lachen, Bauchschmerzen bekommt. Wenn ihm von dem Witz sogar regelrecht übel wird, weil er Themen behandelt, die so traurig, so traumatisierend, triggernd und auch so perfide sind, dass sich selbst die dümmste Zote dagegen wie ein okayer Sketch anfühlt.

Deutsche Comedy, das ist unter anderem, wenn sich Komikerinnen den Feminismus auf die Fahnenstange geschrieben haben, sich aber tatsächlich unter dem Deckmantel dieser Strömung ein Geschäft aufbauen und Produkte mit feministischen Sprüchen wie: "The Future is Female!" zu überteuerten Preisen verhökern.

Die "Freiheit der Comedy"

Deutsche Comedy ist auch, wenn man Witze über die mutmaßlich kleinen Penisse von Politikern macht. Oder auch die "kleinen Penisse von Babys". Generell sind Penis-Witze superfunny. Hahaha, was lachen wir alle, wenn dümmlich auf der Bühne von einer Komikerin über den vermeintlich kleinen Penis von Markus Söder palavert wird!

Aktuell wurde dieser Tage viel über den Comedian Faisal Kawusi gesprochen, der nicht nur Witze über K.o.-Tropfen machte, sondern auch einem mutmaßlichen Opfer, das selbst aussagte, fast daran gestorben zu sein, schrieb, er würde "die Dosis beim nächsten Mal verstärken, versprochen".

Nach viel öffentlichem Protest ist der 30-Jährige inzwischen zwar zurückgerudert, aber sonderlich glaubwürdig wirkt seine Entschuldigung nicht. Denn sein Bühnenprogramm, so heißt es auf seiner Website, sei "politisch inkorrekt". Er wolle die "Freiheit der Comedy" bewahren. Aber die Freiheit der Comedy bedeutet nicht, nach unten zu treten. Sie bedeutet auch nicht, grenzüberschreitendes, übergriffiges Verhalten als Witz zu legitimieren.

Witze über kleine Kinder, Menschen mit Behinderungen, Vergewaltigungen oder K.o.-Tropfen: Sie sind nicht verboten. Aber sie sind auch nicht lustig, und sie stehen auch nicht für einen Freiheitsgedanken, den es zu bewahren gilt, sondern in den allermeisten Fällen für die infantile Kleingeistigkeit von Leuten, die meinen, sich alles erlauben zu dürfen, bloß, weil sich aus den eigenen Reihen bis dato keiner getraut hat zu sagen, wie unsäglich dämlich es ist, über derlei Dinge zu scherzen. Witze müssen nicht intelligent sein. Sie können auch unter der Gürtellinie sein. Aber sie müssen funktionieren!

Das Übel unserer Gesellschaft

Die große Ära des guten, deutschen Humors eines Loriots, man kann sie heute auf YouTube bestaunen. Natürlich gibt es nach wie vor große Entertainer, die ihr Handwerk verstehen, der Kuchen des medialen Erfolges aber scheint aufgeteilt unter Personen, die die Hallen dieses Landes füllen. Erfolgreich witzig ist, wer Tickets verkauft.

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Deutschland hat ein immenses Problem mit seinen Komikern. Ich bin immer wieder überrascht, wie groß das Ego ist, sobald man in einer lausigen Show als wandelnder Flachwitz drei Lacher im Publikum erzeugt hat. Zusätzliche Erkenntnis: Leute, die meinen, extrem witzig zu sein, sind es in den seltensten Fällen. Wohingegen Leute mit einem feinen Sinn für Humor oft meinen, gegen die großen Player, die die Bühnen dieses Landes mit ihren grobschlächtigen Allmachtsphantasien fluten, keine Chance zu haben.

In einer Zeit, wo sich jeder "Suppentrulli", um es mit einem Begriff von Olli Dittrich alias Mike Hansen aus "Zwei Stühle - Eine Meinung" zu sagen, Komiker oder Star nennen kann, ist die fehlende Demut eines der größten Übel unserer ganzen Gesellschaft. Daran ändert auch eine Sahnetorte im Gesicht nichts.

Quelle: ntv.de

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