
Besser als sein Ruf, findet unser Restauranttester.
(Foto: imago stock&people)
Es ist mir ein steter Quell der Freude, Frankreich und Deutschland kulinarisch zu vergleichen und immer wieder in Richtung Escoffier zu tendieren anstatt in Richtung Knorr. Diesmal aber heißt es "Bonjour, Tristesse": Willkommen im französischen Bordbistro.
Es fängt schon mal damit an, dass es hier nur so eine kleine Theke gibt, an der sich alle drängeln, um dann ihre Papppackung mit zum Sitz zu nehmen. Und das Übel nimmt geschmacklich seinen Lauf: Das Croque Monsieur ist eine aufgewärmte Käsepampe mit etwa 600 Kalorien, der Dinkelsalat könnte im Baumarkt gut als Füllmasse verkauft werden. Aber vielleicht liegt diese kulinarische Liederlichkeit auch daran, dass Frankreichs Züge so schnell sind, dass man einfach mal zwei Stunden durchhalten muss - um dann am Ziel richtig gut zu speisen.
Ich erinnere mich mit Hohn an die Jubelveranstaltung, als die Schnellstrecke Berlin - München eröffnet wurde: 600 Kilometer in 4 Stunden 15 Minuten. Paris - Bordeaux ist als Strecke exakt gleich lang, dauert aber nur 2 Stunden und 4 Minuten - und zwar stündlich und pünktlich. So geht das mit dem Verzicht auf Flugreisen.
Bei vier Stunden aber kommt dann doch der kleine Hunger und so geschieht es also, dass ich häufig im deutschen Bordbistro esse. Und zugeben muss, wenn es denn mal geöffnet ist, weil die Elektroversorgung funktioniert und die Lieferung gekommen und genug Personal an Bord ist, dass es dann gar nicht so schlecht schmeckt auf den roten Ledersitzen.
Das Käse-Schinken-Sandwich etwa ist ein echter Klassiker - die Bahn hatte es mal von der Karte genommen und sofort wütende Proteststürme geerntet. Nun toasten sie also wieder und sowohl der Akkord von krossem Baguette, dem ordentlichen Schinken und dem schmelzenden Käse als auch die säuerliche Senfcrème sind wirklich gut gemacht.
Essen Sie bei den Tschechen
Ähnlich solide ist das Chili con carne, zeitgeistgemäß mit wenig Fleisch und viel Bohnen - und wenn man vorher die viel zu süße Industrie-Remoulade herunterlöffelt, dann ist das ein wirklich gutes Gericht. Genau wie die Spirelli-Nudeln mit Bolognese-Soße. Und neulich einmal das neue Gericht, eine Art Zürcher Geschnetzeltes auf drei krossen Rösti. Da ist die Sauce sehr weinlastig, die Säure bringt Aromatik und nicht mal die Kartoffelpuffer sind zu verachten.
Darauf zu achten ist stets, dass die zumeist freundlichen Bedienungen die Waren immer etwas länger im Ofen lassen, als sie es eigentlich vorhatten, ein Hinweis des Gastes genügt. Sonst könnte es passieren, dass beim Sandwich in der Mitte ein sehr kalter Kern lauert oder das Chili oben kochend heiß und unten eiskalt ist - und das ist dann ziemlich gruselig.

So geht es natürlich auch: Im Orient Express gibt's Stoffservietten.
(Foto: imago images/Agencia EFE)
Völlig unklar hingegen ist mir, warum ich neulich wieder ein Paar neben mir vorfand, das voller Begeisterung die Currywurst mit Pommes bestellte. "Die nehmen wir hier immer", sagten sie nickend und kauend am Platz in der 1. Klasse. Ich bestellte das Gericht also auch zum zweiten Mal, vielleicht hatte sich ja etwas verändert. Long story short: Hatte sich nicht.
Die Currywurst ist in Ordnung. Eher Bochum als Berlin mit der scharfen, recht dünnen Soße. Kein Konnopke-Ersatz, bei Weitem nicht. Aber die Pommes? Mangels Fritteuse kommen sie direkt aus dem Heißluftdämpfer, dem sogenannten Konvektomaten. Und es gibt genau einen Zeitraum, in dem sie essbar sind: Die ersten 20 Sekunden nach Auslieferung. Danach fallen sie in sich zusammen, das krosse Gefühl verschwindet und zurück bleiben gelbe Stäbchen, die irgendwie nach Kartoffel schmecken, McDonald's-Pommes, die man nach zwei Tagen Kinderurlaub auf dem Autorücksitz findet, lassen grüßen.
Neulich hatte ich mal den ICE nach Hamburg aus guten Gründen verpasst und fand mich im Eurocity der tschechischen Bahn wieder. Es ist schon viel darüber geschrieben worden - aber alle Lobeshymnen stimmen: Das Bier kommt vom Fass und die Wiener Schnitzel werden wirklich im Zug geklopft und im heißen Öl gebraten. Exzellent, genau wie die Gulaschsuppe. Es ist also noch Luft nach oben für die Deutsche Bahn, aber in Sachen Gastronomie liegen sie schon deutlich besser als in Sachen Pünktlichkeit.
Tipp: Wirklich gut ist derzeit die Weinbegleitung im Bordbistro: Der Rheingau-Riesling von Leitz (7,50 Euro für 0,25 Liter) hat eine tolle Mineralität und macht einen schönen Schwips, wenn's von Frankfurt nach Berlin mal wieder länger dauert.
Quelle: ntv.de