Umfrage Ukraine-Krieg und Corona 43 Prozent der Ungeimpften glauben an Ablenkung
22.03.2022, 16:15 Uhr
Manche Impfgegner haben ein sehr verdrehtes Verständnis von Diktatur.
(Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress)
Die Schnittmenge aus Impfgegnern und Anhängern von Verschwörungsideologien ist offenbar groß. Die jüngste COSMO-Umfrage ergibt unter anderem, dass 43 Prozent der Ungeimpften glauben, der Ukrainekrieg diene nur der Ablenkung von der Corona-Pandemie.
Die Universität Erfurt hat in Zusammenarbeit mit dem Robert-Koch-Institut (RKI), der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und anderen Institutionen die Corona-Pandemie fast seit Beginn mit Erhebungen begleitet. Das COSMO Covid-19 Snapshot Monitoring hatte das Ziel, herauszufinden, wie die Bevölkerung in dieser Zeit tickte. In der vorerst letzten Umfrage spielte der Ukraine-Krieg eine wichtige Rolle. Die Wissenschaftler wollten unter anderem wissen, wie der Konflikt die Einstellung zur Pandemie verändert und welche Zusammenhänge die Menschen sehen.
Krieg tritt in den Vordergrund
Allgemein ist der Krieg in den Vordergrund getreten. 71 Prozent der Befragten informieren sich regelmäßig über Russlands Angriff auf die Ukraine, nur noch 51 Prozent über Corona. Im Dezember gaben noch rund 69 Prozent an, sich häufig über die Pandemie zu informieren.
Das wahrgenommene Stress-Niveau ist bei beiden Themen fast gleich hoch. Das gefühlte Risiko durch den Krieg ist allerdings deutlich höher als bei Covid-19, wo es insgesamt gesunken ist, obwohl die Menschen die Infektionswahrscheinlichkeit so hoch wie nie zuvor einschätzen. 62,5 Prozent denken, dass die Fallzahlen weiter steigen, nur 11,2 Prozent gehen davon aus, dass sie sinken.
Menschen verhalten sich leichtsinniger
Auch das persönliche Schutzverhalten hat abgenommen. Dabei bleibt die Bereitschaft, die AHA+L-Regeln einzuhalten, zwar relativ stabil. Aber die Forscher haben festgestellt, dass die Menschen kritische Situationen - beispielsweise geschlossene Räume, Feiern, Gespräche mit engem Kontakt - deutlich seltener meiden.
Das Narrativ des "milden Omikron-Verlaufs" scheine sich durchgesetzt zu haben, schreiben die Wissenschaftler. Andererseits machen sich aber immer noch 55 Prozent der Befragten (eher) große Sorgen wegen möglicher Spätfolgen einer Covid-Infektion. Das sind nur 3 Prozentpunkte weniger als im Januar.
Kurz vor dem Auslaufen der meisten Maßnahmen sagten 27 Prozent der Befragten, sie gingen zu weit, 49 Prozent hielten sie für angemessen, 23 Prozent gingen sie nicht weit genug. Damit ist die Zustimmung zwar geringer als in der Delta-Welle, aber insgesamt noch hoch. Vertrauen in die Corona-Politik der Regierung äußerten nur 54 Prozent. Allerdings sind derzeit auch nur 15 Prozent bereit, gegen die Maßnahmen zu demonstrieren.
Hohe Bereitschaft, Masken zu tragen, aber ...
Ein Großteil der anderen 85 Prozent ist durchaus dafür, weiter Masken in Innenräumen zu tragen. Ein Umfrage-Experiment habe aber gezeigt, dass "ein Wegfall der Maskenpflicht bei den anstehenden Lockerungen deutlich die Bereitschaft zum Tragen von Masken reduziert", so die Wissenschaftler.
Eine signifikant höhere Impfquote scheint ohne Impfpflicht nicht erreicht werden zu können. Rund 10 Prozent der Befragten zwischen 18 und 74 waren ungeimpft, nur 4 Prozent davon sind bereit, sich noch impfen zu lassen. Dabei gehen die Forscher davon aus, dass die Quote in ihrer Stichprobe höher als in der Gesamtbevölkerung ist.
Von den ungeimpften Genesenen ist laut Umfrage nur ein Viertel bereit, sich impfen zu lassen, wenn ihr Zertifikat abgelaufen ist. Fast die Hälfte will sich auf keinen Fall impfen lassen.
Hälfte der Ungeimpften hält Krieg für überdramatisiert
Hier gäbe es noch einen großen Aufklärungsbedarf, heißt es in der Zusammenfassung der Umfrage. Allerdings scheint ein erheblicher Anteil der Ungeimpften damit kaum erreichbar zu sein. 43 Prozent von ihnen stimmen der Ansicht zu, der Ukraine-Krieg diene zur Ablenkung von der Corona-Pandemie, 15 Prozent sind unentschieden. 49 Prozent der Ungeimpften halten den Krieg für ebenso künstlich dramatisiert wie die Corona-Pandemie, 20 Prozent wissen noch nicht, ob sie dem zustimmen sollen.
Das Phänomen ist nicht auf Deutschland oder Europa beschränkt. Eine kanadische Umfrage von Ekos Politics hat vor einigen Tagen zu sehr ähnlichen Resultaten geführt. Unter anderem votierten 75 Prozent der befragten Ungeimpften gegen härtere Sanktionen gegen Russland und immerhin 27 Prozent halten die Invasion sogar für gerechtfertigt. Umgekehrt sind 82 Prozent der Geboosterten für verschärfte Sanktionen und lediglich 2 Prozent befürworten den russischen Angriffskrieg.
Fast 60 Prozent für allgemeine Impfpflicht
Eine große Zahl der Befragten macht sich Sorgen, der Zustrom von Menschen aus der Ukraine könne die Corona-Situation verschärfen. Fast die Hälfte der Befragten fürchtet dadurch eine stärkere Ausbreitung des Virus. Etwa 46 Prozent sehen durch die Flüchtlinge ein erhöhtes eigenes Infektionsrisiko, knapp 20 Prozent haben deshalb auch Angst vor einem Kontakt mit ihnen.
Die Zustimmung für eine allgemeine Impfpflicht ist mit 58 Prozent unter den Befragten weiter gestiegen, bei der vorangegangenen Erhebung waren es noch 54 Prozent. 61 Prozent votieren für eine Impfpflicht für Geflüchtete.
Quelle: ntv.de, kwe