Nach stundenlangem Großeinsatz 65-Jährige in Aachener Klinik überwältigt
04.03.2024, 23:46 Uhr Artikel anhören
Stundenlang sind Polizei und Feuerwehr an einem Aachener Krankenhaus im Einsatz, die Bevölkerung soll den Bereich weiträumig meiden. Die Lage ist diffus, bekannt ist lediglich, dass sich eine Frau in der Klinik verschanzt haben soll. In der Nacht wird die 65-Jährige schließlich schwer verletzt aus dem Gebäude gebracht.
Eine 65-jährige Frau hat mit einer Sprengstoff-Attrappe einen Großeinsatz in einem Krankenhaus in Aachen ausgelöst. Stundenlang verschanzte sie sich in einem Raum des Luisenhospitals, die Feuerwehr und das SEK rückten an. Nach derzeitigem Ermittlungsstand sei davon auszugehen, dass sie das Krankenhaus in suizidaler Absicht aufgesucht habe, teilte die Kölner Polizei am frühen Morgen mit. "Sie wird sich in einem Strafverfahren wegen eines versuchten Tötungsdelikts verantworten müssen." Zuvor soll die Frau ihre Wohnung in Brand gesetzt haben.
Im Polizeibericht heißt es: "Die 65-Jährige soll das Luisenhospital gegen 17 Uhr mit einer Waffe, die sich erst später als Schreckschusswaffe herausstellte, einem auffallend großen Gürtel und einem weiteren, bislang unbekannten, Gegenstand betreten und Angestellte der Physiotherapiepraxis bedroht haben." Nachdem es einem Mitarbeiter gelungen sei, ihr die Waffe zu entziehen, soll sie sich in ein Patientenzimmer zurückgezogen, einen pyrotechnischen Gegenstand entzündet und auf den Gang geworfen haben. Gegen 22.38 Uhr habe sie den Raum verlassen und versucht, einen Gegenstand auf dem Gang abzubrennen. Daraufhin hätten die Polizisten die Schusswaffe gezogen, um die Gefahrenlage zu beenden, so das Kölner Polizeipräsidium. Dabei habe die Frau schwere Verletzungen erlitten und sei medizinisch versorgt worden. Weitere Personen seien nach ersten Erkenntnissen nicht zu Schaden gekommen.
Anlass des blutigen "Notzugriffs": Der auffallend große Gürtel der 65-Jährigen sah für die Polizisten aus wie ein Sprengstoffgürtel. Zudem habe sie "einen verdächtigen Gegenstand" in der Hand gehalten und sich auf die Einsatzkräfte zubewegt. Da die Frau nicht auf Ansprache reagiert habe, sei es schließlich zum Schusswaffengebrauch gekommen. Erst später hätten Fachkräfte des Landeskriminalamts klären können, dass es sich bei dem Gürtel um eine Attrappe gehandelt habe.
Im Laufe des Einsatzes sei bekannt geworden, dass die Wohnung der Frau in Eschweiler am Montagnachmittag ausgebrannt war. "Die Wohnungsinhaberin wird verdächtigt, den Brand selbst gelegt zu haben", heißt es im Polizeibericht. Ermittler hätten einen entsprechenden Brief gefunden.
Einsatzlage war lange unübersichtlich
Gegen 23 Uhr hatten Reporter beobachtet, dass die Frau auf einer Krankenbahre aus der Klinik gerollt wurde, zugedeckt mit einer Wärmefolie. Noch vor Ort wurde sie in einem Krankenwagen ärztlich behandelt. Zu dem Zeitpunkt war über die Vorgänge in dem Krankenhaus noch kaum etwas bekannt.
- Bei Suizidgefahr: Notruf 112
Deutschlandweites Info-Telefon Depression, kostenfrei: 0800 33 44 5 33
- Beratung in Krisensituationen: Telefonseelsorge (0800/111-0-111 oder 0800/111-0-222, Anruf kostenfrei) oder Kinder- und Jugendtelefon (Tel.: 0800/111-0-333 oder 116-111)
- Bei der Deutschen Depressionshilfe sind regionale Krisendienste und Kliniken zu finden, zudem Tipps für Betroffene und Angehörige.
- In der Deutschen Depressionsliga engagieren sich Betroffene und Angehörige. Dort gibt es auch eine E-Mail-Beratung für Depressive.
- Eine Übersicht über Selbsthilfegruppen zur Depression bieten die örtlichen Kontaktstellen (KISS).
Gegen 17 Uhr war die Aachener Feuerwehr zu einem Brand im Luisenhospital gerufen worden. Erst am späten Abend meldete die Stadt Aachen, dass das Feuer im Bettenbereich der Klinik gelöscht werden konnte. Demnach waren insgesamt fast 400 Leute vor Ort. Die Notfallseelsorge sei mit elf Personen vertreten gewesen. 73 betroffene Personen aus dem Luisenhospital seien betreut worden. "Vier Personen aus der Intensivstation müssen in andere Krankenhäuser transportiert werden", teilte die Stadt mit. 270 Patienten hätten im Krankenhaus bleiben können.
In den Stunden vor dem Zugriff war zu sehen, wie der Klinikbetrieb hinter dem schmiedeeisernen Gitter der weiträumig abgesperrten Klinik zumindest teilweise weiterlief. Der Klinikbereich im unmittelbaren Umfeld der Frau war sofort evakuiert worden. Patienten und auch das Personal seien in Sicherheit gebracht worden, berichtete der Aachener Polizeisprecher Andreas Müller. Ein Spezialeinsatzkommando war schwer bewaffnet im Einsatz, zeitweise kreiste ein Hubschrauber über dem Hospital. Immer wieder hatte es Spekulationen über eine mögliche Geiselnahme gegeben, die die Polizei aber nicht bestätigt hatte.
Am frühen Abend hatte die Kölner Polizei die Informationshoheit übernommen. "Es kommt zu Straßensperrungen und Einschränkungen des Bahnverkehrs. Meiden Sie den Bereich weitläufig", warnte sie via X. Im Westen von Aachen wurde vorsichtshalber ein Streckenabschnitt der Bahn gesperrt.
Das am Rand des Zentrums gelegene Krankenhaus wird von einem evangelischen Verein getragen. Nach eigenen Angaben werden in 15 Kliniken Patienten mit den unterschiedlichsten Krankheitsbildern behandelt.
Quelle: ntv.de, ino/dpa