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Bericht wirft Versagen vor 72 Todesfälle bei Grenfell-Brand waren "allesamt vermeidbar"

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Der im 4. Stockwerk ausgebrochene Brand im Grenfell Tower hatte sich rasend schnell über die Fassade des 24-stöckigen Sozialbaus ausgebreitet.

Der im 4. Stockwerk ausgebrochene Brand im Grenfell Tower hatte sich rasend schnell über die Fassade des 24-stöckigen Sozialbaus ausgebreitet.

(Foto: picture alliance/AP Photo)

Sieben Jahre nach dem verheerenden Feuer in einem Londoner Wohnturm mit Dutzenden Toten wirft ein Untersuchungsbericht Behörden und Unternehmen "jahrzehntelanges Versagen" vor. Trotz Missachtung der Brandschutzbestimmungen und mutmaßlich schwerer Fehler der Feuerwehr lassen rechtlichen Konsequenzen auf sich warten.

Wie in ein Leichentuch gehüllt ragt der eingerüstete und hinter einer weißen Plane verborgene Grenfell Tower im Westen Londons in den Himmel. In dem damaligen Wohnturm im Stadtteil North Kensington starben in den frühen Morgenstunden des 14. Juni 2017 bei einem verheerenden Brand 72 Menschen. Mehr als sieben Jahre nach dem Feuer hat ein Untersuchungsbericht Behörden und Unternehmen ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt.

"Die simple Wahrheit ist, dass die Todesfälle allesamt vermeidbar waren", sagte der Vorsitzende der Untersuchung, Martin Moore-Bick. Die Katastrophe sei "das Ergebnis jahrzehntelangen Versagens" der Zentralregierung und anderer verantwortlicher Stellen hinsichtlich der Verwendung brennbaren Materials an den Außenmauern von Hochhäusern. Ursache sei in erster Linie Inkompetenz gewesen, in manchen Fällen aber auch Profitgier.

Eine schier endlose Kette von Fehlverhalten und Versagen

Der im 4. Stockwerk ausgebrochene Brand hatte sich rasend schnell über die Fassade des 24-stöckigen Sozialbaus ausgebreitet. Dabei hatte vor allem die Fassadenverkleidung eine fatale Rolle gespielt, wie sich bei der seit Jahren laufenden Untersuchung herausstellte.

Die Fassade war erst kurz vor dem Unglück mit einer Isolierung und Verkleidung versehen worden, um den bereits 1974 fertig gestellten Wohnturm ansehnlicher und energetisch effizienter zu machen. Doch die Fassadenteile aus Aluminium mit Kunststoffkern waren völlig ungeeignet und wirkten wie Brandbeschleuniger.

Dass sie dennoch installiert wurden, lag an einer schier endlosen Kette von Fehlverhalten und Versagen bei Behörden und Unternehmen, wie aus dem aktuellen Bericht hervorgeht. So wurden Brandschutzbestimmungen lax ausgelegt, Testergebnisse manipuliert oder falsch dargestellt und Warnungen in den Wind geschlagen.

Wohnungen wurden zur Todesfalle

So nahm das Unglück am 14. Juni 2017 ungehindert seinen Lauf. Ein defekter Kühlschrank im 4. Stock löste einen Brand aus, der schon bald auf die Fassade übergriff. Nur knapp eine halbe Stunde nach dem ersten Notruf hatten die Flammen bereits die obersten Etagen des Hochhauses erfasst. Von der Fassade heruntertropfender, brennender Kunststoff verbreitete das Feuer auf das ganze Gebäude.

Auch der Feuerwehr wurden schwere Fehler angelastet. So hatte sie den Menschen viel zu lange dazu geraten, in dem brennenden Gebäude zu bleiben und auf Hilfe zu warten. Dabei zeichnete sich schnell ab, dass die Flammen rasch den ganzen Tower erfassen werden. Für viele wurden ihre Wohnungen zur Todesfalle. Manche konnten sich nur noch per Handy von ihren Lieben verabschieden.

Strafrechtliche Folgen gibt es bisher nicht

Das Gelände um den ausgebrannten Turm ist inzwischen weiträumig mit einem Holzzaun abgesperrt. Daran sind unzählige Botschaften, Bilder und Andenken angebracht in verschiedenen Sprachen. Englisch, Arabisch, Spanisch, Amharisch - der Grenfell Tower war ein Zuhause für Menschen aus der ganzen Welt.

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In Trauer der Überlebenden und Hinterbliebenen mischen sich Wut und Frustration. "Leute, die Entscheidungen getroffen haben und dabei Profit über die Sicherheit von Menschen stellten, müssen hinter Gitter", sagte Sandra Ruiz, deren zwölfjährige Nichte in dem Feuer starb, der Zeitung "Guardian".

Doch strafrechtliche Folgen hat die jahrelange Untersuchung nicht. Es sei nun an den Ermittlungsbehörden, Anklagen gegen die Verantwortlichen zu erheben, sagte eine Vertreterin von Überlebenden und Angehörigen. Ob und wann es dazu kommen wird, ist ungewiss. Ein Polizeisprecher kündigte an, der Bericht werde nun geprüft, das könne jedoch bis zu 18 Monate in Anspruch nehmen.

Quelle: ntv.de, toh/dpa

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