Panorama

Antisemitische Schrift Amoktäter hätte Waffen auch trotz seines Traktats behalten dürfen

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Mehrere Menschen schweben nach der Tat weiter in Lebensgefahr.

(Foto: picture alliance / Eibner-Pressefoto)

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Die Polizei wird vor dem Amoklauf in einer Kirche der Zeugen Jehovas vor dem Attentäter gewarnt. Eine Überprüfung des Mannes blieb folgenlos. Dass er in einem Buch unter anderem antisemitische Thesen referiert, hätte auch keinen Einfluss auf die Entscheidung gehabt, sagt die Polizei.

Bei einer waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung des späteren Amoktäters Philipp F., der sieben Menschen und sich selbst in einer Hamburger Kirche der Zeugen Jehovas erschoss, hat ein von diesem kürzlich veröffentlichtes quasi-religiöses Traktat einem Medienbericht zufolge keine Rolle gespielt. Die "Zeit" berichtete unter Berufung auf eigene Informationen, die Polizei habe sich zu diesem Zeitpunkt nicht mit dem im Selbstverlag auf einer Internetverkaufsplattform vertriebenen Buch namens "Die Wahrheit über Gott, Jesus Christus und Satan" befasst.

Laut Medienberichten breitete F. in dem auf Englisch verfassten und rund 300-seitigen Buch eigene quasi-religiöse Thesen aus. Eine zentrale Rolle spielt demnach der Glaube an eine Wiederkehr von Jesus Christus und ein "tausendjähriges Reich". Der "Zeit" zufolge soll das inzwischen nicht mehr zugängliche Traktat neben zahlreichen antisemitischen Passagen auch die Aussage enthalten, Adolf Hitler sei ein Werkzeug Jesu Christi gewesen.

F. hatte bei einem Amoklauf in seiner früheren Gemeinde der Zeugen Jehovas in Hamburg mit einer Pistole sieben Menschen erschossen und acht weitere Menschen teilweise lebensgefährlich verletzt, bevor er sich selbst erschoss. Einsatzkräfte der Polizei waren binnen Minuten vor Ort und stürmten während der Tat das Gebäude, was mutmaßlich weitere Opfer verhinderte. Das Verbrechen löste im In- und Ausland Entsetzen aus. Nach Angaben von Ermittlern war F. bis vor eineinhalb Jahren selbst Mitglied der Kirchengemeinde im Hamburger Stadtteil Groß Borstel, verließ diese dann allerdings unter bislang nicht abschließend geklärten Umständen. Er war zudem Sportschütze und als solcher legal im Besitz der späteren Tatwaffe.

Deutsches Waffenrecht erfordert Tatsachen

Im Januar hatte die Polizei nach eigenen Angaben außerdem einen anonymen Hinweis erhalten, wonach F. an einer womöglich bislang nicht behandelten psychischen Erkrankung leide sowie Wut auf religiöse Gruppen und einen früheren Arbeitgeber hege. Demnach reichten die Hinweise für einen Entzug der Erlaubnis zum Waffenbesitz allerdings nicht aus. Eine Kontrolle zur Einhaltung waffenrechtlicher Vorschriften in F.s Hamburger Wohnung ergab darüber hinaus keine nennenswerten Beanstandungen.

Dem "Zeit"-Bericht zufolge vertritt die Polizei mit Blick auf dessen Buch nach einer ersten Aufarbeitung die Auffassung, dass auch eine Einbeziehung von dessen Inhalt in die waffenrechtliche Überprüfung keine Handhabe gegen F. geliefert hätte. Das deutsche Waffengesetz erfordere in seiner aktuellen Fassung "Tatsachen", die eindeutig auf eine nicht mehr gegebene charakterliche oder gesundheitliche Eignung zum Waffenbesitz hinwiesen. Weder das Buch noch der anonyme Hinweis hätten ausgereicht.

Quelle: ntv.de, rog/AFP

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