Alarmierender Fall in Australien Ärzte warnen vor Rückkehr einer "Krankheit der Vergangenheit"
23.10.2024, 16:17 Uhr Artikel anhören
Skorbut ist auch als "Seefahrerkrankheit" bekannt. Sie trat vor allem im 18. Jahrhundert unter Seeleuten auf, die oft monatelang ohne frische Lebensmittel unterwegs waren.
(Foto: picture alliance / AP Photo)
Ein 51-Jähriger kommt mit Punkten am Bein in eine Klinik im australischen Perth. Die Diagnose überrascht die Ärzte: Der Patient leidet an Skorbut, der einstigen "Seefahrerkrankheit". Der Fall ist ein Alarmsignal: Die Erkrankung könnte sich mit steigenden Lebenshaltungskosten wieder ausbreiten.
Australische Ärzte warnen vor der Ausbreitung einer "Krankheit der Vergangenheit". Skorbut, einst auch als "Seefahrerkrankheit" bezeichnet, wird durch einen schweren Vitamin-C-Mangel verursacht. Wegen der ganzjährigen Verfügbarkeit von Obst und Gemüse tritt die Erkrankung in Industrieländern kaum noch auf. Nach einer überraschenden Diagnose bei einem 51-Jährigen im westaustralischen Perth zeigen sich Ärztinnen und Ärzte in einem Artikel für die BMJ Case Reports allerdings beunruhigt: Die steigenden Lebenshaltungskosten könnten zu einem Wiederaufkommen der Krankheit führen.
Der 51-Jährige kam mit kleinen, schmerzhaften rotbraunen Punkten an seinem Bein in die Sir-Charles-Gairdner-Klinik im westaustralischen Perth. Seine Symptome wirkten zunächst wie ein Ausschlag, heißt es in dem Bericht. Die Ärzte führten verschiedene Bluttests, Biopsien und einen CT-Scan durch - doch keine der Untersuchungen brachte einen Hinweis auf die Ursache der Leiden des Patienten. Im Gegenteil: Während seines Krankenhausaufenthalts breitete sich der Ausschlag weiter aus.
Schließlich, so heißt es weiter, stellten die Ärzte fest, dass der Patient arbeitslos war und allein lebte. Die Ernährung des Mannes habe fast ausschließlich aus verarbeiteten Lebensmitteln bestanden, "denen es an essenziellen Nährstoffen mangelte". Obst und Gemüse nahm er demnach praktisch nie zu sich.
Ärzte: Diagnose kam überraschend
Zudem unterzog sich der Mann vor rund acht Jahren einer Operation, bei der sein Magen verkleinert wurde. Die Einnahme der ihm anschließend verschriebenen Vitamine und Mineralstoffe habe er allerdings eingestellt, "da er sie sich nicht leisten konnte".
Andrew Dermawan, leitender Arzt in der Klinik, ordnete daraufhin spezifische Bluttests an, um die Nährstoffwerte des Patienten zu beurteilen. Das Ergebnis: Im Blut des 51-Jährigen war kein Vitamin C und nur geringe Mengen anderer wichtiger Nährstoffe nachweisbar, heißt es in dem Bericht. Die Diagnose Skorbut kam überraschend, sagte Dermawan zum "Guardian Australia". "Ich hätte nicht erwartet, dass so etwas in der heutigen Zeit noch vorkommt." Skorbut gelte als "Krankheit der Vergangenheit".
Die Krankheit, ausgelöst durch einen erheblichen Mangel an Vitamin C, war vor allem im 18. Jahrhundert unter Seeleuten verbreitet, da diese oft monatelang ohne frische Lebensmittel unterwegs waren. Der Körper benötigt Vitamin C, um Kollagen zu produzieren, das als Strukturprotein in Knochen, Gelenken, Haut und Gewebe für Halt sorgt. Mangelt es dem Körper an Vitamin C, können die Strukturen des Kollagens geschwächt werden, was zu Blutflecken auf der Haut führt. Frühe Symptome von Skorbut sind zudem Müdigkeit und Schwäche, einigen Patienten schmerzen die Arme und Beine.
Patient könnte "Kanarienvogel im Kohlebergwerk" sein
In Perth verschwanden die Symptome des 51-Jährigen den Ärzten zufolge prompt, nachdem er begonnen hat, die ihm verschriebenen Nährstoffe zu sich zu nehmen. Aus eigener Initiative "fing er auch an, täglich eine Zitrone zu essen", schreibt "Sky News Australia".
Für die australischen Ärztinnen und Ärzte ist der Fall des 51-Jährigen ein Alarmsignal. So sei Skorbut eine wieder aufkommende Krankheit, "die mit steigenden Lebensmittelkosten einhergeht". Dermawan wies explizit auf die hohen Kosten in Australien hin, wodurch Familien immer stärker auf preiswertere Lebensmittel angewiesen seien, "die in der Regel einen geringeren Nährwert haben".
Auch Tim Senior, der Vorsitzende der Fachgruppe für Armut und Gesundheit des britischen Verbandes der Allgemeinmediziner spricht hinsichtlich des Artikels aus Australien von einer gefährlichen Entwicklung. Der beschriebene Patient könnte demnach wie "ein Kanarienvogel im Kohlebergwerk" sein, sagte er dem "Guardian". So werde das Problem der steigenden Kosten und die damit einhergehende Unfähigkeit, sich nährstoffreiches Essen leisten zu können "definitiv zunehmen". Das werde, so Senior, "wahrscheinlich zu einer ganzen Reihe von Nährstoffmangelerscheinungen wie Skorbut führen".
Quelle: ntv.de, spl