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"Chronische" Probleme Athen räumt nach Zugunglück staatliches Versagen ein

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Einige Fahrgäste werden noch vermisst, andere können nur noch mittels DNA-Test identifiziert werden, da sie bis zur Unkenntlichkeit verbrannt sind.

(Foto: picture alliance / ANE / Eurokinissi)

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Nach dem Zugunglück in Griechenland mit fast 50 Toten übernimmt ein Bahnmitarbeiter die Verantwortung. Andererseits sei auch der schlechte Zustand des Bahnnetzes lange bekannt gewesen, gesteht die Regierung nun ein. Die Rettungsarbeiten dauern an.

Nach dem schweren Zugunglück in Griechenland hat die Regierung staatliches Versagen eingeräumt. Verzögerungen bei der Modernisierung des griechischen Bahnnetzes seien auf "chronische" Probleme und "jahrzehntelanges Versagen" in der Verwaltung zurückzuführen, sagte Regierungssprecher Giannis Economou. Die persönliche Verantwortung für das Unglück übernahm unterdessen der für den Streckenabschnitt zuständige Bahnhofsvorsteher. Bei den Rettungs- und Bergungsarbeiten wurden inzwischen fast 50 Tote geborgen, Hoffnung auf Überlebende gab es kaum noch.

Auf der Strecke zwischen der Hauptstadt Athen und der Hafenstadt Thessaloniki waren kurz vor Mitternacht ein Intercity mit mehr als 350 Menschen an Bord und ein auf demselben Gleis entgegenkommender Güterzug frontal zusammengestoßen. Zwei Waggons wurden durch die Wucht des Zusammenpralls zerquetscht, der Speisewagen ging in Flammen auf, zahlreiche Menschen wurden in den entgleisten und ineinander verkeilten Wracks eingeschlossen. Wenige Stunden nach dem Unglück wurde der Bahnhofsvorsteher, der zum Zeitpunkt des Unglücks in der nahegelegenen Stadt Larisa im Dienst gewesen war, festgenommen.

Bahnhofsvorsteher droht lebenslange Haft

Dem 59-Jährigen werden fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung zur Last gelegt. Bei einer Verurteilung droht ihm lebenslange Haft. Nach Angaben seines Anwalts hat er die Vorwürfe nun eingeräumt. Sein Mandant habe "zugegeben, was er getan hat", sagte der Anwalt. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hatte schon am Mittwoch nach einem Besuch am Unglücksort von einem "tragischen menschlichen Fehler" gesprochen. Verkehrsminister Kostas Karamanlis trat zurück. Sein Nachfolger Giorgos Gerapetritis bat die Familien der Opfer um Entschuldigung und kündigte eine selbstkritische Aufarbeitung des Unglücks an.

Nach dem Unglück war in Griechenland eine heftige Diskussion über den Zustand des Bahnnetzes entbrannt. Laut der Lokführergewerkschaft OSE ist die Strecke zwischen Athen und Thessaloniki in einem sehr schlechten Zustand. Alle Signale würden manuell gesteuert, sagte Gewerkschaftschef Kostas Genidounias. In einem offenen Brief hatten Bahnmitarbeiter im Februar darauf hingewiesen, dass die Sicherheitssysteme unvollständig und schlecht gewartet seien. Im Zuge eines umfassenden Privatisierungsprogramms infolge der Finanzkrise hatte die italienische Staatsbahn Ferrovie di Stato (FS) die griechische Bahn 2017 übernommen. In Larisa und vor der Zentrale der Bahngesellschaft Hellenic Train in Athen gab es am Mittwochabend Proteste. "Privatisierung tötet" stand auf Schildern der Demonstranten in Larisa. In Athen setzte die Polizei Tränengas gegen Demonstranten ein, die Steine auf das Bahngebäude warfen.

An der Unglücksstelle wurden nach Angaben der Feuerwehr 48 Tote geborgen, von denen die meisten in den ersten drei Waggons gesessen hatten. Wegen des Feuers im Speisewagen sind manche Leichen bis zur Unkenntlichkeit verkohlt, ihre Identifizierung muss mittels DNA-Test erfolgen. Mehr als 80 weitere Menschen wurden verletzt. Sie werden in Krankenhäusern in Larisa, Thessaloniki und Katerini behandelt, teilweise auf der Intensivstation. Die Rettungskräfte arbeiteten sich mit schwerem Gerät weiter durch verbogene Metalltrümmer. Einige Fahrgäste werden noch vermisst, genaue Angaben machten die Behörden allerdings nicht. Der Gerichtsmediziner Roubini Leontari vom Krankenhaus in Larisa sprach im Sender ERT von mehr als zehn Vermissten.

Quelle: ntv.de, lar/AFP

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