Panorama

Ist die Strafe angemessen? BGH-Urteil im Prozess gegen Jennifer W. erwartet

261945505.jpg

Unter anderem soll Jennifer W. tatenlos dabei zugesehen haben, wie ihr Mann ein fünfjähriges jesidisches Mädchen qualvoll verdursten ließ.

(Foto: picture alliance/dpa)

Artikel anhören
00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos | Feedback senden

Der besonders grausame Fall der IS-Rückkehrerin Jennifer W. beschäftigt die Justiz seit Jahren. In München wird sie zu zehn Jahren Haft verurteilt, der BGH überprüft diese Strafe. Das Gericht sei zu Unrecht von einer minderschweren Straftat ausgegangen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entscheidet am heutigen Donnerstag über die Strafe für eine Frau aus Niedersachsen, die zur IS-Anhängerin wurde - und sogar tatenlos dabei zugesehen haben soll, wie ein kleines Mädchen qualvoll starb. Der Fall Jennifer W. beschäftigte seit 2019 die Justiz in München. Vom dortigen Oberlandesgericht (OLG) wurde sie 2021 zu zehn Jahren Haft verurteilt, diese Strafe will die Bundesanwaltschaft vom BGH überprüfen lassen. Das Münchner Gericht sah es als erwiesen an, dass W. zusammen mit ihrem Mann, ebenfalls ein Anhänger der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), 2015 im Irak eine jesidische Frau und deren fünfjährige Tochter als Sklavinnen hielt. Eines Tages fesselte er das Kind mit den Armen an ein Fenstergitter im Hof und ließ es dort so lange in der prallen Sonne hängen, bis es nicht mehr zu retten war.

W. sah laut Gericht dabei zu, erkannte die Todesgefahr und unternahm dennoch nichts. Sie wurde unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Versklavung, wegen Beihilfe zum versuchten Mord und zum versuchten Kriegsverbrechen schuldig gesprochen. Ihr Mann Taha A.-J. wurde Ende 2021 in Frankfurt wegen Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit Todesfolge zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Prozess gegen W. war der bundesweit erste gegen eine IS-Rückkehrerin. Die heute Anfang 30-Jährige stammt aus Lohne im Landkreis Vechta. Sie konvertierte zum Islam und reiste 2014 im Alter von 23 Jahren nach Syrien. Dort heiratete sie A.-J., der kurz zuvor eine vom IS gefangen genommene, zur religiösen Minderheit der Jesiden gehörende Frau und deren Tochter als Sklavinnen gekauft hatte. An den Jesiden verübte der IS während seiner Herrschaftszeit im Irak Gräueltaten.

Bundesgerichtshof überprüft OLG-Urteil auf Rechtsfehler

Das Ehepaar zog in den Irak und nahm die Frau und das Kind mit. Der Mann misshandelte die jesidische Frau während der anderthalb Monate dauernden Gefangenschaft regelmäßig, teils offenbar auf W.s Wunsch. Nach dem Tod des Mädchens 2015 wollte die Dschihadistenmiliz den Mann zunächst bestrafen, woraufhin das Ehepaar in die Türkei floh. Dort wurde W. festgenommen und nach Deutschland gebracht. 2018 wollte sie mit ihrer Tochter ins IS-Gebiet zurückkehren. Doch bei dem Versuch geriet sie an einen getarnten US-Agenten, dem sie bei einer Autofahrt über ihren ersten Aufenthalt beim IS berichtete. Das Auto des V-Manns war verwanzt, in Bayern wurde W. festgenommen und schließlich angeklagt.

Der Bundesgerichtshof überprüft das OLG-Urteil auf Antrag der Bundesanwaltschaft auf Rechtsfehler. Ein Vertreter sagte bei der Verhandlung im Januar, das OLG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es sich um einen minderschweren Fall von Versklavung mit Todesfolge handle. Es gebe bei Sklaverei gar keinen Durchschnitt oder Regelfall, somit habe das Münchner Gericht nicht einfach einen minderschweren Fall annehmen dürfen. Die Anwältin der früheren Sklavin sagte, dass W. selbst der Jesidin Anweisungen gegeben und sie grausam behandelt habe. So habe sie die Mutter etwa mit vorgehaltener Pistole davon abgehalten, um ihr totes Kind zu weinen.

Die Verteidigung von W. wiederum argumentierte, dass W. die Herrschaftsgewalt nur ausgeübt habe, wenn ihr Mann nicht da gewesen sei. Es sei kein Präzedenzfall notwendig, um hier von einem minderschweren Fall auszugehen. Auch die Angeklagte selbst legte Revision beim BGH ein, worüber dieser aber nicht mündlich verhandelte.

Quelle: ntv.de, Sarah Maria Brech, AFP

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen