Panorama

Behörden ignorierten Warnungen Hunderte Belgier lassen sich auf Ewigkeitschemikalien im Blut testen

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Eine Pflegekraft nimmt eine Blutprobe in Braine-le-Château.

Eine Pflegekraft nimmt eine Blutprobe in Braine-le-Château.

(Foto: AFP)

In zahlreichen belgischen Gemeinden lassen derzeit Bürger ihr Blut testen. Es soll geklärt werden, ob sich darin gesundheitsschädliche Ewigkeitschemikalien finden. Wie ein Medienbericht enthüllt, existierten seit Jahren Hinweise auf verunreinigtes Trinkwasser. Die Behörden blieben jedoch untätig.

In Braine-le-Château im Süden Belgiens stehen ein Dutzend Menschen Schlange, um ihr Blut auf gesundheitsschädliche Ewigkeitschemikalien (PFAS) untersuchen zu lassen. Im Trinkwasser des kleinen Orts und mehrerer anderer Gemeinden in der Region Wallonien waren erhöhte PFAS-Werte festgestellt worden. Die Behörden haben bisher aber keine Ahnung, woher die Verunreinigung kommt und wie sie das Problem beheben sollen. Das sorgt in der Bevölkerung für große Verunsicherung.

"Erst hat die Gemeindeverwaltung uns mitgeteilt, dass die Messungen unauffällig waren", sagt der 35-jährige Douglas, der in Braine-le-Château auf die Blutabnahme wartet und nur seinen Vornamen nennen will. Die Behörden hätten aber gar keine aussagekräftigen Zahlen gehabt und einfach nur versucht, "die Menschen so gut wie möglich zu beruhigen". "Mit diesem Spiel muss Schluss sein", sagt Douglas. Er hofft darauf, dass die seit Juni laufenden Blutuntersuchungen den Menschen in der französischsprachigen Region nun endlich Klarheit bringen.

Größere Wellen schlug der Skandal erstmals im Jahr 2023, als eine Recherche des belgischen Senders RTBF ergab, dass die zuständigen Behörden Warnungen vor der PFAS-Verseuchung jahrelang ignoriert hatten. Wie sich herausstellte, hatte das US-Militär, das in der Kleinstadt Chièvres einen Luftwaffenstützpunkt betreibt, den örtlichen Wasserversorger schon 2017 vor hohen PFAS-Werten im Trinkwasser gewarnt. Der US-Stützpunkt riet seinem Personal, Wasser aus Flaschen zu trinken. Die Anwohner wurden dagegen jahrelang im Dunkeln gelassen, selbst nachdem 2018 auch die Regionalregierung über das Problem informiert worden war.

Chemikalien reichern sich im Körper an

PFAS sind per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, die synthetisch hergestellt werden und aufgrund ihrer wasser- und fettabweisenden Eigenschaften und ihrer Langlebigkeit in etlichen Alltagsprodukten wie beschichteten Pfannen, Funktionskleidung, Imprägniersprays und Einweg-Verpackungen eingesetzt werden. PFAS werden auch als Ewigkeitschemikalien bezeichnet, weil sie biologisch nicht abbaubar sind und sich in der Natur und im menschlichen Körper anreichern.

Studien deuten darauf hin, dass bestimmte PFAS bei Menschen die Leber und das Immunsystem schädigen, die Wirkung von Impfungen und die Fruchtbarkeit verringern und Krebs erzeugen können. Weltweit werden daher zunehmend Beschränkungen für PFAS durchgesetzt. In Italien verurteilte ein Gericht im Juni Manager einer Chemiefabrik zu Haftstrafen von bis zu 17 Jahren, weil sie das Trinkwasser von Hunderttausenden Menschen mit PFAS verschmutzt hatten.

In Wasserproben aus Braine-le-Château wurden im vergangenen Jahr Werte gemessen, die fünf- bis sechsmal höher waren als der in Belgien geltende Grenzwert von vier Nanogramm pro Liter für vier weitverbreitete PFAS-Chemikalien. In Chièvres liefen 2024 zudem großangelegte Bluttests an, die nun auf umliegende Gemeinden ausgeweitet wurden. Seit Juni haben fast 1300 Menschen aus zehn Gemeinden Blutproben abgegeben, um sich auf PFAS-Rückstände untersuchen zu lassen.

Wasserversorgung erfüllt Richtlinie bereits

Die Regionalregierung hat zudem beschlossen, eine ab 2026 geltende EU-Richtlinie zu PFAS sofort zu übernehmen. Die Richtlinie sieht vor, dass in einem Liter Leitungswasser höchstens 100 Nanogramm von 20 PFAS-Chemikalien enthalten sein dürfen. Alle Wasserversorger in der Region "erfüllen jetzt diesen Standard", versichert der wallonische Gesundheits- und Umweltminister Yves Coppieters.

Ihm sei bewusst, dass die Bevölkerung "sehr besorgt" sei, räumt Coppieters ein. Den Menschen zu raten, keine Eier aus dem eigenen Hühnerstall und kein Gemüse aus dem eigenen Garten zu essen, sei noch keine Lösung des Problems. Wenn die Ursache der Kontamination nicht gefunden werde, könne das Problem noch Jahrzehnte fortbestehen, sagt Coppieters, der ein grundsätzliches Verbot von PFAS befürwortet.

Deutschland hatte sich Anfang 2023 unter der Vorgänger-Regierung auf EU-Ebene zusammen mit Dänemark, den Niederlanden, Norwegen und Schweden für eine weitreichende Beschränkung von PFAS eingesetzt. Die EU-Kommission prüft nach eigenen Angaben ein Verbot von PFAS in Gebrauchsgütern des alltäglichen Bedarfs.

Quelle: ntv.de, Matthieu Demeestre, AFP

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