Dating-App für FeministinnenBei Bumble reißen Frauen auf

Revolutioniert eine neue Dating-App das Balzverhalten von Mann und Frau? Bumble preist seinen feministischen Ansatz - nur Frauen dürfen, nein müssen, den ersten Schritt machen. Doch wollen die das überhaupt?
"Hey du, ich studiere auch irgendwas mit Medien, wollen wir ficken?", "Zu mir oder zu dir?","Bock auf Sex?" Obszöne Anmachsprüche dieser Art sollen bei Tinder zur Tagesordnung gehören. Die digitale Lieblings-Wisch-und Weg-Verkupplungsapplikation verspricht schnellen, unkomplizierten Sex - zumindest scheint das ein großer Teil der männlichen Nutzer zu glauben. Frauen erzählen von Männern, die sich möglichst viele Matches parallel warmhalten und nebenbei von der großen Liebe schwafeln. Sicher gibt es auch Dates mit ernsthaften Absichten und hin und wieder soll es auch Beziehungen geben, die entstehen.
Trotzdem gibt es jetzt Bumble - eine App, die feministisches Dating verspricht. Auch wenn die App fast wie Tinder funktioniert, sind "die Spielregeln neu definiert". Der wichtige Unterschied: Die Frauen haben die Zügel in der Hand. Männer können zwar liken, aber nicht als Erste schreiben. Bei einem Match bleibt es der Frau vorbehalten, den Kontakt zu Prince Charming herzustellen. Kann sie sich nicht binnen 24 Stunden dazu aufraffen, verschwindet das Match wieder. Die Kontaktaufnahme durch die Frau soll Männern so schmeicheln, dass sexistische Äußerungen nicht mehr so leicht von den Fingern gehen und die Herren von selbst den Drang verspüren, sich zu benehmen.
Die Idee dazu stammt von Whitney Wolfe, 27 Jahre alt und ehemalige Vizemarketingchefin von Tinder. Ihren Ausstieg bei Tinder begleitete ein Rechtsstreit wegen sexueller Belästigung. Es ging um ihren Exfreund und Tinder-Mitgründer Justin Mateen, der die Trennung nicht akzeptieren wollte. Unschöne Textnachrichten des Ex und der Hinweis des Vorgesetzen vielleicht besser zu kündigen, sollen die Folgen gewesen sein. Es folgte eine Klage gegen Tinder wegen Diskriminierung und sexueller Belästigung. Im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung erstritt Wolfe eine Million Dollar - und startete neu. Zusammen mit zwei Exkollegen von Tinder entwickelte sie die Dating-App Bumble, die es vor allem Frauen leichter machen sollte, nicht an den "Falschen" zu geraten.
Keine Anmachsprüche, aber auch keine Auswahl
Eine kurze Umfrage im Bekanntenkreis zeigt, die meisten finden die Idee dahinter prima. Endlich werde dem schwachen Geschlecht die Last abgenommen, immer den ersten Schritt machen zu müssen, tönen die Männer. Bumble sei ein "richtiger Schritt im Kampf gegen unser verkrustetes Geschlechterdenken", betonen andere. Zumindest sorgt das System dafür, dass Frauen anfänglich von berüchtigten Tinder-Konversationen verschont bleiben. Aber auf Tinder wie auf Bumble auch, ergibt sich ein Chat erst, wenn beide Seiten interessiert sind.
Also der Selbstversuch: Nach der Anmeldung werden mir gerade mal ein Dutzend Männer präsentiert. Auch eine Bekannte, tinder-überdrüssig und offen für eine Beziehung, berichtet vom Männermangel: "Es gab nur fünf Fotos, die ich schnell weggewischt habe. Seitdem kommt die Meldung, es gebe gerade keine Auswahl." So ergeht es auch Matthias aus Dresden, der die App gerne genutzt hätte, "weil er dann weniger Stress hätte" - doch auch für ihn war der Spaß nach zehn potentiellen Matches schon wieder vorbei.
Zumindest in Deutschland scheint die Verkupplungs-App, die aussieht wie eine gelb gefärbte Version von Tinder, noch nicht bei allen datingwilligen Singles angekommen. Ganz anders bei Tinder. Dort ist die Auswahl riesig. Mit täglich 1,4 Milliarden "Swipes" und 26 Millionen Matches kann sich Tinder derzeit rühmen. Liegt das nur daran, dass Bumble noch in den Kinderschuhen steckt?
"Ich finde es besser, wenn beide den ersten Schritt machen können", sagt einer der Männer, die ich frage. Nicht jeder ist gern auf die Frau angewiesen. In Deutschland gehen viele Frauen beim Flirten noch immer davon aus, dass der Mann den ersten Schritt macht. So wie meine Bekannte Birgit, die darin eher einen Nachteil sieht, zu wissen, dass sie die Initiative ergreifen muss, um zu verhindern, dass das Match nach einem Tag verfällt: "Wenn man nur ein paar Fotos sieht und sonst kaum etwas über den Mann weiß, gibt es wenig, worauf man eingehen kann." Die erste Kontaktaufnahme sei immer schwierig. Männer, die auf Standardsprüche und "irgendwelche Maschen" zurückgreifen, könne sie jetzt "irgendwie besser verstehen". Außerdem, verrät sie mir nach ihrem einwöchigen Bumble-Ausflug, lasse sie sich sowieso lieber anschreiben.
Kleine Verschiebung, großer Unterschied?
Bumble ist keine Dating-App, es ist eine Bewegung, räumte Gründerin Wolfe jüngst im Gespräch mit dem "Time Magazin" ein: "Das könnte verändern, wie Frauen und Männer miteinander umgehen, wie Frauen und Männer ausgehen und was Frauen von sich selbst halten." Zum ersten Mal im digitalen Raum werde das weibliche Geschlecht ermutigt, auf einem ausgeglichenen Feld zu spielen.
"Da sich die Frau auf Bumble gezwungen sieht, den ersten Schritt zu machen, passiert es nicht, dass der Mann gleich am Anfang abgewiesen wird. Er wird nicht aggressiv, im Gegenteil: Er fühlt sich geschmeichelt. Diese kleine Verschiebung macht den großen Unterschied", so Wolfe.
Doch ist die App tatsächlich feministisch? Schließlich ändert sie an den vorherrschenden Spielregeln nichts weiter als die Reihenfolge - die bei Tinder und Co übrigens nicht vorgegeben ist. Zwar ist es ein interessanter Ansatz, dass bei Bumble nur die Frau entscheiden kann, ob ein Gespräch in Gang gesetzt wird oder nicht. Doch wer garantiert, dass nach dem ersten "Hallo" nicht doch eine der berüchtigten Tinder-Konversationen oder gar ein "dick pic" folgt?
Vielleicht tut es wirklich gut, Frauen zu ermutigen, den ersten Spielzug zu machen. Doch was am Ende aus einem Match tatsächlich wird, ist nicht von der Verkupplungs-Applikation abhängig - sondern immer noch von den Menschen.