Waldbrand bei Lübtheen Bundeswehr weitet Löschflüge aus
02.07.2019, 10:23 Uhr
Ein Großaufgebot an schwerem Gerät soll den riesigen Waldbrand auf dem früheren Militärgelände in Mecklenburg-Vorpommern eindämmen. Am dritten Tag des Großfeuers kommt Verstärkung im Katastrophengebiet an. Die Bundeswehr schickt ihre größten Hubschrauber in den Einsatz.
Im Westen Mecklenburg-Vorpommerns kämpfen Einsatzkräfte von Feuerwehr, Polizei und Bundeswehr weiter gegen den größten Waldbrand in der Geschichte des Bundeslandes: Am Morgen nach der zweiten Brandnacht stehen nach Angaben der Behörden rund 700 Hektar munitionsverseuchtes Gelände in Flammen. Zeitweise weitete sich der Großbrand auf eine Fläche von rund 1000 Hektar aus, wie der Landrat des Landkreises Ludwigslust-Parchim, Stefan Sternberg, bei einer Pressekonferenz am Morgen erklärte.

Der Waldbrand bei Lübtheen aus dem All, Stand Montagmittag: In diesem Infrarot-Bild eines Sentinel-2-Satelliten erscheint der Rauch fast durchsichtig und der Flammenring in Orange.
(Foto: dpa)
Von Entspannung könne keine Rede sein, "aber von ersten Lichtblicken", fasste er die Lage zusammen. Der Schutz der Dörfer habe bislang funktioniert. Die Einsatzkräfte blieben allerdings auf die Evakuierung weiterer Ortschaften vorbereitet. Auffrischender Wind aus wechselnden Richtungen erschwert die Löscharbeiten. Am Vorabend leiteten die Behörden die Räumung des Ortes Volzrade am südwestlichen Waldrand ein. Der rund 120 Einwohner zählende Ortsteil von Lübtheen ist bereits die vierte Siedlung, die aufgrund des Waldbrandes evakuiert werden musste. Insgesamt haben damit bereits mehr als 1000 Menschen ihre Häuser und Wohnungen zurücklassen müssen.
Ob und wann sie zurückkehren können, hängt jetzt vom Erfolg der Brandbekämpfung ab. Die Flammen auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz bei Lübtheen seien noch lange nicht gelöscht, heißt es am Morgen. Der böige Wind droht den Brand in den ausgetrockneten Kiefernwäldern neu anzufachen. Da sich die Helfer den Flammen aufgrund der Gefahr durch explodierende Altlasten in dem früher militärisch genutzten Gelände nur bis auf 1000 Metern nähern dürfen, liegt ein Schwerpunkt der Löscharbeiten auf der Brandbekämpfung aus der Luft.
Immer wieder kommt es zu Explosionen
Da, wo die Flammen wüten, besteht akute Explosionsgefahr. "Immer wieder knallt es laut", heißt es in einem Einsatzbericht der Bundeswehr. Das Erdreich des früheren Militärgeländes ist nach Angaben von Landesumweltminister Till Backhaus massiv mit Blindgängern und Munitionsresten belastet. Testgrabungen aus den vergangenen Jahren ergaben teils Mengen von bis zu 45 Tonnen an explosivem Material je Hektar.
Auf dem Gelände liegen laut Backhaus nicht nur Munition und Granaten von Manövern aus mehreren Jahrzehnten Nutzung durch NVA und Bundeswehr, sondern auch große Mengen an Sprengmitteln aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Der Schießplatz bei Lübtheen mit einer gesamten Fläche von etwa 6000 Hektar wurde seit den 1930er Jahren genutzt. Während des Zweiten Weltkriegs betrieb die Kriegsmarine hier eines ihrer größten Munitionsdepots. Der militärisch genutzte Standortübungsplatz wurde 2015 geschlossen. Das Gelände ist für die Öffentlichkeit gesperrt.
Räumpanzer und Wasserwerfer im Einsatz
Den riesigen Flächenbrand, der am Sonntag dort an drei Stellen gleichzeitig ausgebrochen war, versuchen die mittlerweile rund 2000 Einsatzkräfte mit insgesamt acht Löschhubschraubern einzudämmen. Im Tagesverlauf sollen Räum- und Bergepanzer weitere Schneisen in das Brandgebiet schlagen und so den Feuerwehrleuten sicheren Zugang in das stark munitionsbelastete Gebiet verschaffen. Dafür schicke die Bundeswehr zehn der gepanzerten Fahrzeuge in die Brandzone, wie Landrat Sternberg mitteilte.
Bislang sei es darum gegangen, am Rande des Truppenübungsplatzes gelegene und zum Teil auch schon geräumte Dörfer vor dem Übergreifen des Feuers zu schützen. Dies sei gelungen. "Wir gehen nun von der Verteidigung auf Angriff über", sagte Sternberg. Zehn Wasserwerfer der Polizei sichern - zusätzlich zu den Tank- und Löschfahrzeugen der Feuerwehr - die Zufahrtswege und die frisch geschlagenen Brandschneisen, indem sie etwa die angrenzenden Waldränder wässern und die frisch geschlagenen Schneisen besprühen.

Abwehrriegel, Heli-Landeplätze, Brandschneisen: Der Kampf gegen den Waldbrand bei Lübtheen gleicht einer logistischen Mammutaufgabe.
(Foto: imago images / Michael Trammer)
Die Helfer vor Ort arbeiten mittlerweile im Schichtsystem. Zelte und Feldküchen stellen die Versorgung vor Ort sicher. Beteiligt sind neben den ehrenamtlichen Kräften der Freiwilligen Feuerwehren aus dem weiteren Umkreis auch zahlreiche Spezialisten des Militärs, Polizisten aus mehreren Bundesländern, ein Löschpanzer einer privaten Spezialfirma sowie die Hubschrauberbesatzungen der Luftwaffe.
Die drei Brandherde, von denen der Waldbrand am Sonntag ausgegangen war, haben sich mittlerweile zu einem durchgehenden langgezogenen Brandteppich ausgeweitet. An einigen Stellen sprang das Feuer vom Boden auf die Baumkronen über, aber nicht im vom Einsatzstab befürchteten Ausmaß. Die Polizei ermittelt wegen vorsätzlicher Brandstiftung.
Fünf Tonnen Wasser pro Löschangriff
Die Luftwaffe unterstützt die Brandbekämpfung mit schweren Transporthubschraubern vom Typ CH-53. Die wuchtigen Maschinen stammen vom Hubschraubergeschwader 64 aus Holzdorf im Osten Sachsen-Anhalts. Die leistungsstarken Drehflügler können mit einem Spezialbehälter zur Waldbrandbekämpfung bis zu fünf Tonnen Wasser auf einmal über dem Waldbrand abwerfen.
Zusätzlich stellte die "Streitkräftebasis" der Bundeswehr im Rahmen der Amts- und Katastrophenhilfe einen Tanklaster zur Versorgung der Löschhubschrauber mit Treibstoff sowie mit Schaufeln und Räumgerät ausgestattete Bergepanzer vom Typ "Büffel" und "Dachs" zur Verfügung. Die Panzer sind für die Brandbekämpfung im munitionsverseuchten Gebiet besonders wichtig: Mit den geschützten Kettenfahrzeugen können die Besatzungen bis in unmittelbare Nähe der Brandherde vordringen.
Auch das Taktische Luftwaffengeschwader 73 "Steinhoff" aus Laage bei Rostock schickte zur Unterstützung einen Tanklastwagen. "Er soll unter anderem die zivilen Feuerwehrwagen betanken und so die Einsatzdauer verlängern", hieß es dazu bei der Bundeswehr.
Die Schwierigkeiten bei der Brandbekämpfung in Lübtheen und bei weiteren Bränden in munitionsbelasteten Gebieten haben unterdessen die Debatte um die technische Aufrüstung der Feuerwehren in Deutschland neu angefacht. Laut dem offiziellen Kampfmittelkataster des Bundeslandes sind 90.000 Hektar Gelände Mecklenburg-Vorpommerns mit Kampfmitteln kontaminiert. Das entspricht knapp vier Prozent der Landesfläche.
Quelle: ntv.de, mit AFP und dpa