Panorama

US-Marine schickt Bergungssystem Chef der Betreiberfirma an Bord des Tauchboots

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Die Hoffnung, das vermisste Tauchboot könnte nach einem Notfall schon wieder aufgetaucht sein, schwindet mit jeder Stunde. 26.000 Quadratkilometer Ozean sind abgesucht, die "Titanic"-Abenteurer bleiben verschollen. Der fünfte von ihnen soll der Chef der Betreiberfirma sein.

Der fünfte Vermisste an Bord des verschollenen Tauchboots im Atlantik ist US-Medienberichten zufolge der Chef der Betreiberfirma Oceangate. Stockton Rush nahm laut Angaben der TV-Sender NBC und CNN und unter Berufung auf Oceangate und eine nicht namentlich genannte Quelle an der Expedition zum Wrack der weltberühmten "Titanic" teil. Der Kontakt zu dem Boot war am Sonntag abgebrochen.

Inzwischen hat die US-Marine ein Gerät zur Bergung des Gefährts geschickt - es kann aber erst dann zum Einsatz kommen, wenn das Boot gefunden wird. Das Tiefsee-Bergungssystem mit dem Kürzel "Fadoss" solle in der Nacht zum Mittwoch (Ortszeit) in der kanadischen Stadt St. Johns in Neufundland ankommen, sagte eine Sprecherin. Wann es das Suchgebiet Hunderte Kilometer weiter südlich erreichen könnte, ist noch unklar.

Die US Navy beschreibt "Fadoss" als "tragbares Schiffshebesystem, das eine zuverlässige Tiefsee-Hebekapazität von bis zu 27 Tonnen für die Bergung großer, sperriger und schwerer versunkener Objekte wie Flugzeuge oder kleine Schiffe bietet." Winde und Seil des Geräts gebe es dabei in verschiedenen Größen je nach Art und Gewicht des zu hebenden Objekts.

Bislang gebe es aber noch keine Spur von dem Boot, sagte der Koordinator der US-Küstenwache für die Operation, Jamie Frederick, in Boston. Die komplexe Suche findet unter hohem Zeitdruck statt: Am frühen Dienstagabend deutscher Zeit gingen Experten davon aus, dass der Sauerstoff noch rund 40 Stunden reichen werde. Ein Team, das sich aus der Küstenwache, Angehörigen der US-Nationalgarde und kanadischen Streitkräften zusammensetze, arbeite "rund um die Uhr" daran, sagte Frederick.

Man verstärke derzeit die Suche unter Wasser, erläuterte John Mauger von der US-Küstenwache dem US-Sender CNN. Zunächst habe man sich auf die Wasseroberfläche konzentriert, indem man mit Flugzeugen einem bestimmten Muster folgend ein großes Gebiet abgeflogen sei. Es sei bereits eine Fläche von rund 26.000 Quadratkilometern abgesucht worden. Für die Unterwasserortung solle ein kanadisches Seeaufklärungsflugzeug, das "P3 Aurora", Sonar-Messungen durchführen. Zudem seien auch die Schiffe "Polar Prince" und "Deep Energy" weiter im Einsatz, hieß es von der US-Küstenwache.

Das Gefährt wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst - etwa eine Stunde und 45 Minuten nach Beginn des Tauchgangs riss der Kontakt zum Begleitboot "Polar Prince" ab. Nach Angaben des Anbieters Oceangate Expeditions hat die knapp sieben Meter kleine "Titan" ausreichend Sauerstoff für 96 Stunden. Doch Experten zeigten sich mit Blick auf die Chance, das Gefährt rechtzeitig zu finden, pessimistisch.

"Gesteuert mit einem Xbox-Gamecontroller"

Der Reporter David Pogue vom US-Sender CBS, der die Fahrt im vergangenen Jahr mitgemacht hatte, sagte der BBC, das Gefährt habe auf ihn einen improvisierten Eindruck gemacht. "Man steuert dieses U-Boot mit einem Xbox-Gamecontroller", sagte Pogue. Ein Teil des Ballasts bestehe aus Baurohren. Falls das Boot eingeklemmt werde oder Leck schlage, "gibt es kein Backup, keine Rettungskapsel", sagte er. Der ehemalige U-Boot-Offizier Frank Owen sagte der BBC, die größte Herausforderung für die Eingeschlossenen sei es, ruhig zu bleiben und nicht zu viel Sauerstoff zu verbrauchen.

An Bord ist neben dem Oceangate-Chef Rush auch der französische Forscher Paul-Henri Nargeolet, der als einer der bekanntesten Experten für das Wrack gilt und daher den Spitznamen "Mr Titanic" trägt. Weitere Insassen sind der britische Abenteurer Hamish Harding sowie der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood und dessen 19-jähriger Sohn Suleman.

Der US-Drehbuchautor Mike Reiss, der das "Titanic"-Wrack im vergangenen Jahr mit demselben Mini-U-Boot besucht hatte, schilderte der BBC die Tour. Der Kompass sei damals sofort ausgefallen und habe sich nur noch wild gedreht, "wir mussten blind am Boden des Ozeans herumrudern". Vor Beginn der Fahrt hätten alle Teilnehmer einen Haftungsausschluss unterzeichnen müssen, in dem schon "auf der ersten Seite dreimal das Wort Tod vorkommt".

Wasserdruck: "Ausstieg unmöglich"

In dem Tauchboot herrschen nach Angaben eines Experten äußerst schwierige Bedingungen. "Es wird heiß sein, es wird beengt sein", sagte der Ozeanologe Simon Boxall von der Universität Southampton der BBC. In dieser Tiefe herrsche ein enormer Druck, ein Ausstieg sei unmöglich. "Also sind sie völlig darauf angewiesen, dass das Tauchboot gefunden wird." Boxall betonte: "Es ist eine enorme Herausforderung, die wir noch nie zuvor bewältigen mussten." Die Zeit für eine Rettung sei sehr knapp. Der Meeresforscher David Mearns sagte der BBC, mittlerweile sei ein kommerzielles Rohrverlegungsschiff in der Gegend angekommen. Das Schiff sei sehr leistungsfähig und es bestehe die Hoffnung, dass es die Fähigkeit habe, die nötige Tiefe zu erreichen, um nach dem Tauchboot zu suchen.

Eine Rettung kann erst angegangen werden, wenn das Boot lokalisiert ist. Das in zwei Hälften zerbrochene Wrack der "Titanic" liegt in rund 3800 Metern Tiefe. An der Stelle etwa 684 Kilometer südlich der kanadischen Insel Neufundland sind die Bedingungen äußerst schwierig. Es herrscht pechschwarze Dunkelheit, und der Wasserdruck ist groß.

Fahrkarte für 229.000 Euro

Oceangate bietet zahlungskräftigen Kunden eine abenteuerliche Reise - die Kosten für die insgesamt achttägige Expedition liegen bei 250.000 US-Dollar (229.000 Euro). Der Tauchgang selbst dauert eigentlich nur wenige Stunden. Das Unternehmen bewirbt die Fahrten mit dem Kohlefaser-Tauchboot laut BBC als Chance, "aus dem Alltag herauszutreten und etwas wirklich Außergewöhnliches zu entdecken". An Bord sind auch immer wieder Experten und Forscher.

Mit Experte Nargeolet, einem ehemaligen Marinetaucher, und Abenteurer Harding sind mindestens zwei erfahrene Insassen an Bord. Der Brite, der in wenigen Tagen 59 Jahre alt wird, hält mehrere Guinness-Weltrekorde, darunter den längsten Tauchgang im Marianengraben, dem tiefsten Ort der Erde, im März 2021. Im Juni 2022 flog er ins All. Hardings Unternehmen Action Aviation teilte mit, die Familie sei dankbar für viele unterstützende Nachrichten. Man sei sehr stolz auf Harding, der unter anderem für die Wiederansiedlung von Geparden aus Namibia in Indien verantwortlich gewesen sei.

Die "Titanic" war 1912 auf ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York im Nordatlantik gesunken, mehr als 1500 der 2200 Menschen an Bord starben. Die Überreste des berühmten Luxusdampfers wurden 1985 entdeckt. Filme wie der Blockbuster "Titanic" (1997) mit den Hollywood-Stars Kate Winslet und Leonardo DiCaprio heizten das Interesse an der Katastrophe weiter an. Erst vor kurzem hatten Wissenschaftler mit Hilfe hochauflösender 3D-Bilder die bisher genaueste Darstellung des Wracks geboten.

Quelle: ntv.de, mau/ino/dpa

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