Panorama

"Wir werden niemals aufgeben" Die McCanns und die gestohlene Zeit

Kate und Gerry McCann 2012 mit dem Bild einer Computersimulation, wie Maddie im Alter von neun Jahren aussehen könnte.

Kate und Gerry McCann 2012 mit dem Bild einer Computersimulation, wie Maddie im Alter von neun Jahren aussehen könnte.

(Foto: REUTERS)

Die Familie McCann hat drei Kinder, doch seit zehn Jahren ist ihre älteste Tochter Maddie verschwunden. Was mit einem Schock im Portugal-Urlaub begann, hat sich zu einem Alptraum entwickelt, der nicht endet.

Der 3. Mai ist schwierig für die Familie McCann. Dieser Tag hat ihr Leben für immer verändert. Am 3. Mai 2007 verschwand ihre Tochter Madeleine aus dem Ferienappartement 5A des Ocean Clubs im portugiesischen Praia da Luz. Die anfängliche Hoffnung, Maddie schnell wiederzufinden, ist längst verflogen. Zehn Jahre danach haben sich Kate und Gerry McCann ebenso wie die Zwillinge Amelie und Sean an den Zustand des Vermissens gewöhnt.

Bis zu jenem warmen Frühlingstag an der Algarve schien das Ärztepaar aus dem britischen Rothley vom Glück verwöhnt. Kate und Gerry McCann hatten sich nach dem Studium 1993 in Glasgow kennengelernt und fünf Jahre später geheiratet. Am 12. Mai 2003 kam nach einer Fruchtbarkeitsbehandlung Madeleine zur Welt, im Februar 2005 die Zwillinge. Zuvor hatte das Paar jahrelang vergeblich versucht, Kinder zu bekommen. Die Reise an die Algarve unternahmen sie zusammen mit Freunden und deren Kindern. Ein paar Tage in wärmeren Gefilden verbringen, kurz darauf soll Maddies vierter Geburtstag gefeiert werden.

Am Abend des 3. Mai bringen sie die Kinder zu Bett, sie wollen sich noch in einer 100 Meter entfernten Tapas-Bar mit den Freunden zum Essen treffen, wie an jedem Abend in diesem Urlaub. Alle halbe Stunde schauen sie nach den Kindern, auf den Babysitter-Service des Ferienklubs haben sie verzichtet. "Wir fühlten uns so sicher, dass wir es einfach nicht für nötig hielten", wird Kate McCann später darüber in einem Buch schreiben, das zu Maddies achtem Geburtstag erscheint. Als die Mutter gegen 22 Uhr erneut nach dem Rechten sieht, ist das Bett ihrer ältesten Tochter leer.

"Geraubte Zeit"

Sie habe sich zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen können, dass Maddie jahrelang verschwunden bleiben würde, schrieb Kate McCann in einer Botschaft auf der Internetseite, mit der die Familie nach ihrer Tochter sucht. "Und jetzt sind wir hier … Madeleine, unsere Madeleine – zehn Jahre." Der nahende Jahrestag sei eine "furchtbare Erinnerung an geraubte Zeit".

Die Familie rüste sich für die kommenden Wochen, heißt es weiter. "Es ist wahrscheinlich, dass es stressig und schmerzhaft wird, umso mehr als die Wiederaufbereitung alter 'Geschichten', falscher Informationen, Halbwahrheiten und blanker Lügen ihre Runde in Zeitungen, sozialen Medien und Sondersendungen machen wird." Die McCanns wurden immer wieder verdächtigt, selbst etwas mit Maddies Verschwinden zu tun haben.

Es wurde behauptet, sie hätten ihre Kinder sediert, um leichter ausgehen zu können. Madeleine sei an einer Überdosis des Betäubungsmittels gestorben und sie hätten dies durch das Verstecken der Leiche vertuscht. Jede dieser Thesen wurde widerlegt. Erst kürzlich stellte Mark Rowley, der Leiter für Sonderermittlungen bei Scotland Yard, in einem Interview klar, dass die Polizei eine Beteiligung von Maddies Eltern an einem möglichen Verbrechen absolut ausschließt.

"Wir werden niemals aufgeben"

Kate und Gerry McCann betonen immer wieder, dass sie die Suche nach Maddie nicht aufgeben werden. Sie haben eine beispiellose Medienkampagne für ihre Tochter ins Leben gerufen und werden nicht müde, immer wieder an deren Verschwinden zu erinnern. Der "Daily Mail" zufolge stapeln sich im Kinderzimmer des Mädchens in Rothley ungeöffnete Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke aus den vergangenen zehn Jahren. Sollte Maddie je zurückkehren, wird sie an der unerschütterlichen Liebe ihrer Familie kaum zweifeln können.

Kate und Gerry McCann sind mit der Verzweiflung in den vergangenen Jahren ganz unterschiedlich umgegangen. Kate arbeitete zum Zeitpunkt von Maddies Verschwinden als Hausärztin, kehrte aber nach dem Mai 2007 nicht wieder in ihren Beruf zurück. Sie konzentriert sich auf die Zwillinge Sean und Amelie, die inzwischen zwölf sind. Medienberichten zufolge findet Kate McCann zudem Trost in ihrem anspruchsvollen täglichen Fitnessprogramm.

Gerry McCann stürzte sich in die Arbeit. Seit er im November 2007 wieder in seinen Job am Glenfield General Hospital in Leicester zurückkehrte, hat er sich international einen Namen als Herzspezialist gemacht. Inzwischen ist er Professor für bildgebende Verfahren am Herzen. Beide finden Halt in ihrem Glauben.

Im vergangenen Jahr sprach Kate McCann mit der britischen "Sun" über das Leben der Familie. Die Zwillinge Amelie und Sean seien sehr sportlich, berichtete sie. Das bedeute, dass sie kaum ein Wochenende frei hätten. "Als Familie sind wir 98 Prozent der Zeit beschäftigt." Sie könne nicht sagen, ob das so beabsichtigt sei, "aber es hilft".  Maddie sei im Leben ihrer Geschwister präsent. "Sie sind im Wesentlichen ohne Madeleine aufgewachsen, wissen, dass ihre Schwester vermisst ist und wollen sie zurück."

Die zehn Jahre haben den McCanns alles abverlangt. Wann immer das Paar gemeinsam auftritt, können sie sich großer Aufmerksamkeit gewiss sein. Das gilt einmal mehr für die Zeit um den Jahrestag von Maddies Verschwinden. Wie aussichtslos die Suche nach ihrer Tochter auch sein mag, für sie geht der Weg immer weiter: "Wir werden weitermachen, alles versuchen, niemals aufgeben und das Beste aus dem Leben machen, das wir haben."  

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen