Panorama

Ein aktiver Vulkan als NachbarDie vernichtende Naturgewalt von Hawaii

08.05.2018, 15:41 Uhr
imageVon Hansjürgen Mai, Hawaii
Video poster

Einer der aktivsten Vulkane der Welt spuckt wieder Lava, die unaufhaltsam über Teile Hawaiis walzt. Die Anwohner haben keine Chance: Sie müssen weiterziehen. Doch warum leben sie überhaupt im Schatten des Kilauea? Und was hat Göttin Pele damit zu tun?

Innerhalb weniger Tage hat der Kilauea Vulkan auf Hawaiis Big Island das Leben von knapp 2000 Menschen verändert. Mindestens 35 Gebäude, der Großteil davon Einfamilienhäuser, sind den Lavamassen seit vergangenem Donnerstag bereits zum Opfer gefallen. Im Gegensatz zu vielen anderen Naturkatastrophen, die die USA heimsuchen, gibt es nach einem Lava-Ausbruch aber keinen Wiederaufbau an gleicher Stelle. Die Lava nimmt sich das, was sie will und die Menschen ziehen weiter und fangen woanders von vorne an.

"Das Land gehört nicht wirklich uns. Es gehört Pele", sagte Immobilienmaklerin Jordan Sonner, die ihr Haus aufgrund der Ausbrüche räumen musste, der "Washington Post". "Wir dürfen darauf leben, solange sie uns lässt. Aber wenn sie es zurückhaben will, dann nimmt sie es sich."

Der hawaiianischen Mythologie zufolge ist Pele die Göttin der Vulkane und somit zugleich die Erschafferin der hawaiianischen Inselgruppe. Der Legende nach lebt sie im Kilauea Vulkan. Dieser ist einer von fünf Vulkanen, die zusammen Hawaiis Big Island bilden. Kilauea ist einer der aktivsten Vulkane der Welt und seit 1983 ununterbrochen aktiv.

Es stellt sich daher die Frage, warum Menschen freiwillig im Schatten eines aktiven Vulkans leben. Neben der Faszination, die zweifellos von einem Vulkan ausgehen kann, sind sicherlich die bezahlbaren Grundstückspreise ein Hauptgrund dafür, dass Tausende das Risiko eingehen, von heute auf morgen alles verlieren zu können. Das pazifische Inselparadies ist ein teures Pflaster, wo selbst einfachste Häuser bereits Millionenpreise erzielen können. Im Gegensatz dazu beträgt der durchschnittliche Hauspreis in dem vom Kilauea bedrohten Puna Bezirk 215.000 Dollar. Ob der im Vergleich günstige Kaufpreis das Risiko wert ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Knapp 1700 Bewohner zwangsgeräumt

Ein Ausbruch des Kilauea hatte sich im Verlauf der vergangenen Woche aufgrund von erhöhter seismischer Aktivität bereits angekündigt. Mehr als 1200 Erdbeben wurden auf der größten Insel des US-Staates gemessen. Nachdem sich dann am Donnerstag der erste Lava-Ausbruch ereignet hatte, leiteten die lokalen Behörden sofortige Evakuierungsmaßnahmen ein. Insgesamt wurden knapp 1700 Bewohner aus zwei Wohngebieten in der unmittelbaren Gefahrenzone zwangsgeräumt. Weitere knapp 10.000 Bewohner der Insel befinden sich in einer freiwilligen Evakuierungszone.

102600403
Rauch steigt nach der Eruption über dem Vulkan Kilauea auf Big Island auf. (Foto: picture alliance / Marco Garcia/)

Die Vulkan-Observationsbehörde in Hawaii hat seit dem ersten Riss im Boden insgesamt zwölf Lava-Austrittsstellen gezählt. Spektakuläre Videoaufnahmen zeigen, wie glühend heiße Lava knapp 100 Meter in die Luft katapultiert wird. Auch wenn die vulkanischen Aktivitäten laut der Behörde etwas nachließen, die Gefahr eines weiteren Ausbruchs oder eines weiteren Erdbebens ist weiterhin allgegenwärtig. "Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass sich die Situation abschwächen würde", sagte Talmadge Magno, Leiter der lokalen Zivilschutzbehörde, am Sonntag. "Es gab gestern einige Pausen, aber es scheint so, als wäre eine große Menge von Magma in der Erde."

Am Freitag wurde Big Island zudem von einem schweren Erdbeben heimgesucht. Das Beben mit einer Stärke von 6,9 war das stärkste in Hawaii seit 1975. Auf den sozialen Netzwerken fanden sich nur wenig später Videos, die schwanke Einkaufsregale, hüpfende Autos und sogar ein überschwappendes Schwimmbecken zeigen. Trotz der Stärke des Erdbebens gab es weder Verletzte noch Todesopfer zu beklagen. Auch der Sachschaden scheint sich allgemein in Grenzen gehalten zu haben. Das größte Gefahrenpotenzial für die Menschen ist jedoch weder Lava noch Erdbeben - es sind gesundheitsschädigende Schwefeldioxidgase die aus der Erde austreten.

102698012
Einige wenige Anwohner haben sich dazu entschlossen, trotz der Gefahren in ihren Häusern auszuharren. (Foto: picture alliance / Marco Garcia/)

"Das Schwefeldioxid kann an manchen Stellen so giftig und stark konzentriert sein, dass es tödlich sein kann, besonders für Menschen mit Atemwegserkrankungen", erklärte die US-Kongressabgeordnete Tulsi Gabbard im Interview mit CNN.

Trotz dieser Gefahren haben sich einige Anwohner in den evakuierten Wohngebieten dazu entschlossen in ihren Häusern auszuharren. Zivilschutzchef Magno erklärte jedoch, dass die Zahl der zurückgebliebenen gering sein, "weniger als ein Dutzend". "Ich bin zurückgeblieben, da alles was ich besitze, hier ist. Ich habe keinen anderen Ort an den ich gehen könnte. Alles was ich zum Leben brauche, habe ich hier", sagte John Figoni dem "Honolulu Star-Advertiser". Der 56-Jährige will sein Haus nicht verlassen, komme, was wolle. "Du kannst sowieso nichts dagegen machen. Wenn mich der liebe Gott haben will, dann kann er kommen und mich holen."

"Pele ist die Chefin"

Der aktuelle Ausbruch des Kilauea ist nur der letzte in einer langen Liste. Im Jahr 2014 bedrohten Lavamassen die Ortschaft Pahoa, in der aktuell ein Teil der evakuierten Bewohner untergebracht ist. Zwischen 1986 und 1991 begruben Lavamassen eine Ortschaft, zwei Wohngebiete und eine Nachbarschaft unter sich.

Wissenschaftlern zufolge gibt es keine Möglichkeit, die Dauer der aktuellen Ausbruchsserie vorherzusagen. Viele der aktuell Betroffenen versuchen über Crowdsourcing-Websites Gelder zu sammeln. Denn viele der zerstörten Häuser sind nicht gegen Lava-Schäden versichert. "Es ist nicht etwas, das viele Versicherer anbieten", sagte Jerry Bump, der bei der Behörde für Handel und Kundenangelegenheiten in Hawaii arbeitet. "Für Menschen, die in ausgewiesenen Lava-Zonen leben ist selbst der Versuche eine Versicherung zu bekommen schwierig."

Den Menschen auf Hawaiis Big Island bleibt im Moment nichts anderes übrig, als abzuwarten und zu hoffen, dass sich die Lage wieder beruhigt. "Was kannst du schon machen? Du hast keine Kontrolle darüber", sagte Anwohner Steve Clapper der Associated Press. "Pele ist die Chefin."

VulkanHawaiiNaturkatastrophenImmobilienErdbeben