Panorama

ROVs, "Faddos" und Druckkammer Diese Technik soll die Tauchboot-Besatzung retten

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Die komplexe Suchaktion erfordere verschiedene Kräfte mit Fachkenntnissen und Spezialausrüstung, sagt Jamie Frederick von der US-Küstenwache.

Die komplexe Suchaktion erfordere verschiedene Kräfte mit Fachkenntnissen und Spezialausrüstung, sagt Jamie Frederick von der US-Küstenwache.

(Foto: dpa)

Bis Donnerstagmittag reicht vermutlich der Sauerstoff in dem seit Sonntag vermissten Tauchboot für die fünf Passagiere. Bis dahin müssen die Rettungsteams die "Titan" finden und an die Meeresoberfläche bringen. Helfen soll dabei Spezialtechnik, die jedoch auch ihre Grenzen hat.

Die Suche nach dem Tauchboot "Titan" geht bereits in den vierten Tag und die Rettungsbemühungen laufen unter extremem Zeitdruck. Denn der Sauerstoff für die fünf Menschen an Bord reicht insgesamt maximal für 96 Stunden, möglicherweise auch nur für 70. Der Kontakt zur "Titan" ist bereits am Sonntag abgebrochen, das Zeitfenster für eine mögliche glückliche Rettung wird also immer kleiner, wenn sich das Tauchboot seitdem unter Wasser befindet.

Noch gibt es lediglich den Hauch einer Spur zur "Titan". Am Dienstag sei alle 30 Minuten eine Art von Klopfgeräuschen in der Region registriert worden, in dem das Gefährt der Firma Oceangate vermutet werde, heißt es in einem internen Memo der US-Regierung. Daraus zitierten der Sender CNN und das Magazin "Rolling Stone" in der Nacht. Immerhin ist die Hoffnung noch nicht verloren.

Doch die Lokalisierung wäre lediglich Phase eins einer Rettungsmission, wie sie Rick Murcar, Inhaber von Aquatic Adventures of Florida, im US-Sender CNN beschrieb. Phase zwei sei dann, die gesundheitliche Lage der Insassen einzuschätzen. Viel weiter mag bisher kaum jemand denken.

Erstmal lokalisieren

Sollten die Suchtrupps das vermisste Tauchboot tief im Ozean ausfindig machen, steht ihnen die enorme Herausforderung bevor, das Tauchboot und die Überlebenden zu bergen. Bereits am Dienstag traf die "Deep Energy" an der "Polar Prince", dem Begleitschiff der "Titan", ein. Die "Deep Energy" ist ein kommerzielles Rohrverlegungsschiff und hat Tauchboote an Bord, die ferngesteuert werden können. Gegenüber der britischen BBC zeigte sich der Ozeanograf und Schiffswrackjäger David Mearns zuversichtlich, dass sie das Titanic-Wrack erreichen könnten, um in 3800 Metern Tiefe nach dem vermissten Fahrzeug zu suchen.

Der französische Präsident Emmanuel Macron ordnete außerdem die Entsendung des Forschungsschiffs "Atalante" zur Unterstützung der Suche im Nordatlantik an. Unter den Vermissten ist unter anderem der französische Forscher Paul-Henri Nargeolet, der den Spitznamen "Mr Titanic" trägt, weil er als einer der bekanntesten Experten für das "Titanic"-Wrack gilt. Die Atalante ist mit einem Unterwasserroboter ausgestattet, der in Tiefen bis zu 4000 Metern operieren kann.

Auch das Tiefseekartierungsunternehmen Magellan erklärte seine Bereitschaft, bei der Suche mitzuhelfen. Magellan hat mithilfe seiner Tiefseeausrüstung viele der "Titanic"-Bilder erstellt, wie sie heute bekannt sind. Der Haken dabei ist jedoch, dass sich die meiste Magellan-Ausrüstung derzeit in Europa findet und zunächst ins Suchgebiet transportiert werden müsste. Dazu wäre die Firma auf militärische Unterstützung angewiesen, denn für den Transport nach Kanada brauche man einen militärischen Frachtjet vom Typ C-17 Globemaster III, heißt es von der Firma.

Die US-Küstenwache und die kanadische Küstenwache arbeiten bei der Suchaktion bereits zusammen und verlegen auch gemeinsam Gerät in das Suchgebiet. Der pensionierte Marinekapitän Ray Scott "Chip" McCord dämpfte gegenüber CNN aber allzu hohe Erwartungen an besondere Militärtechnik. US-Militär-ROVs, also ferngesteuerte Unterwasserfahrzeuge, seien zwar in der Lage, das Tauchboot zu lokalisieren, hätten aber nicht die Kapazität, das vermisste Schiff zu heben, sagte er dem Sender.

Schwierige Hebung

Für diesen Schritt ruhen alle Hoffnungen auf dem Tiefsee-Bergungssystem "Fadoss", das in der Nacht auf Mittwoch (Ortszeit) in der kanadischen Stadt St. Johns in Neufundland ankommen sollte. Die US Navy beschreibt "Fadoss" als "tragbares Schiffshebesystem, das eine zuverlässige Tiefsee-Hebekapazität von bis zu 27 Tonnen für die Bergung großer, sperriger und schwerer versunkener Objekte wie Flugzeuge oder kleine Schiffe bietet". Winde und Seil des Geräts gebe es dabei in verschiedenen Größen je nach Art und Gewicht des zu hebenden Objekts. Die Titan ist 6,70 Meter lang und 10,4 Tonnen schwer. Wie schwierig dieses Manöver in der Kälte und Dunkelheit von 3,8 Kilometern Meerestiefe ist, kann man sich vorstellen. Doch die Experten halten ein Gelingen dennoch nicht für ausgeschlossen. Doch noch ist unklar, wann "Fadoss" das Suchgebiet erreichen könnte.

Wäre es geortet und gehoben, müsste das Tauchboot von außen geöffnet werden. Dann stünde der nächste heikle Schritt bevor - der Übertritt der fünf Männer in eine Dekompressionskammer. Die kanadische HMCS Glace Bay, ein Küstenverteidigungsschiff der Kingston-Klasse ist bereits am Suchort, es verfügt über eine mobile Dekompressionskammer für sechs Personen und hat ein auf Tauchmedizin spezialisiertes medizinisches Team an Bord.

Mehr zum Thema

So soll ermöglicht werden, dass bei einem schnellen und unkontrollierten Aufstieg die notwendige Dekompression, also der Druckausgleich, nachgeholt werden kann. Andernfalls drohen bleibende Schäden. In der Kammer wird der Luftdruck erhöht, damit sich der hohe Stickstoffgehalt im Blut, der sich unter hohem Umgebungsdruck im Blut bildet, langsam wieder abbauen kann. Andernfalls drohen sich Gasblasen in Blut und Gewebe zu bilden, die tödlich sein können, wenn sie ins Gehirn gelangen. Dieser Prozess kann Stunden, Tage oder sogar Wochen dauern.

Für die Teilnahme an der Tauchfahrt waren keine besonderen gesundheitlichen Voraussetzungen erforderlich. Die Firma Oceangate erwartet nach eigenen Angaben von den Teilnehmenden lediglich durchschnittliche Fitness, um den normalerweise etwa achtstündigen Ausflug in die Tiefe auf dem Boden sitzend in dem Raum so groß wie etwa ein Minivan mit nur einer Toilette halbwegs gut zu überstehen. In diesem Szenario sind mehrere Tage unter hohem Druck bei eisiger Kälte und schwindenden Sauerstoffreserven nicht vorgesehen. Schätzungen der Behörden zufolge dürfte der Sauerstoff noch bis Donnerstagmittag (MESZ) reichen. Danach würde aus der Rettungs- eine Bergungsmission.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen