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Notstand auf Kurilen ausgerufen Erdbeben der Stärke 8,8 vor Russland - Tsunamiwellen bis fünf Meter hoch

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Ein auch an Land deutlich spürbares Erdbeben vor der Ostküste Russlands sorgt auf dem Ozean für heftige Wellen. Ein dadurch ausgelöster Tsunami richtet auf der Inselgruppe Kurilen Schäden an. Der Notstand wird ausgerufen. Auch die USA und Japan bereiten sich auf das Schlimmste vor.

Nach dem schweren Erdbeben vor der russischen Halbinsel Kamtschatka haben mehr als drei Meter hohe Tsunami-Wellen in der Nähe der Stadt Sewero-Kurilsk Russlands Pazifikküste erreicht. Die stärkste Welle sei sogar fünf Meter hoch gewesen, berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti unter Berufung auf Rettungsdienste. Mit weiteren Nachbeben sei noch etwa einen Monat lang zu rechnen, sie könnten Stärken von bis zu 7,5 erreichen. Damit war das Beben das weltweit stärkste seit der Katastrophe von Fukushima im März 2011 - und wurde seit Beginn der Messungen überhaupt nur von fünf Beben übertroffen.

Das Erdbeben sei schwer und das stärkste seit Jahrzehnten gewesen, sagte der Gouverneur von Kamtschatka, Wladimir Solodow, in einer auf Telegram veröffentlichten Videobotschaft. Laut dem Kamtschatka-Zweig des Geophysikalischen Dienstes der Russischen Akademie der Wissenschaften war es das schwerste Beben seit 1952. Damals hatte ein Beben der Stärke 9,0 an etwa der gleichen Stelle einen zerstörerischen Tsunami im gesamten Pazifikraum ausgelöst.

Bisher nur Verletzte gemeldet

Das aktuelle Beben ereignete sich um 1.25 Uhr MESZ vor der Küste in einer Tiefe von 19,3 Kilometern, wie die US-Erdbebenwarte (USGS) mitteilte. Den Angaben zufolge war es rund 126 Kilometer von der Stadt Petropawlowsk-Kamtschatski, der Hauptstadt der Region Kamtschatka, entfernt. In Petropawlowsk-Kamtschatski rannten laut TASS verängstigte Menschen barfuß ins Freie. Kleiderschränke stürzten um, Autos rutschten über wackelnde Straßen und ein Kindergarten-Gebäude wurde schwer beschädigt. Zeitweise sei das Strom- und Telefonnetz zusammengebrochen. "Was die Verletzten des Erdbebens betrifft, so gibt es leider einige", sagte Oleg Melnikow, Gesundheitsminister der Region Kamtschatka, zur russischen Nachrichtenagentur TASS.

"Im Bezirk Nordkurilen, wo sich heute ein Erdbeben und ein Tsunami ereignet haben, wurde der Notstand ausgerufen", erklärte die Regierung von Sachalin. Im Norden der Inselgruppe ist es zu Überschwemmungen gekommen. Das Wasser drang demnach 200 Meter ins Landesinnere ein. Die russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti meldete unter Berufung auf Einsatzkräfte, dass die größte Welle bis zu fünf Meter hoch gewesen sei. Es habe insgesamt vier Tsunami-Wellen gegeben, sagte Alexander Owsjannikow, Verwaltungschef im Kreis Sewero-Kurilsk auf der Insel Paramuschir. Die Tsunami-Warnung bestehe weiterhin.

Nach Angaben des Zivilschutzes wurden der Hafen der Stadt Sewero-Kurilsk und ein Fischereiunternehmen dort teilweise überflutet. Die Bevölkerung sei evakuiert worden, unter den rund 2000 Menschen befinden sich auch 60 Urlauber. Die Niederlassung der Russischen Akademie der Wissenschaften von Kamtschatka veröffentlichte ein mit einer Drohne aufgenommenes Video von der Insel Paramuschir. Darauf sind die Überflutungen zu sehen.

"Es gibt Menschen, die beim Laufen verletzt wurden. Ein Patient ist aus dem Fenster gesprungen. Unglücklicherweise wurde auch eine Frau verletzt, die sich im neuen Flughafengebäude aufhielt", erklärte Melnikov. "Alle Patienten sind in einem zufriedenstellenden Zustand. Bisher wurden keine schweren Verletzungen registriert."

Fukushima-Betreiber evakuiert Angestellte

Auch Japans Wetterbehörde gab nach dem Erdbeben eine Tsunami-Warnung heraus. Die Behörde rechnete demnach mit bis zu drei Meter hohen Wellen an Japans Pazifikküste. Es werde zu mehreren Tsunamis kommen, warnte die Behörde bei X und rief die Bevölkerung auf, sich von der Küste fernzuhalten, bis die Warnung aufgehoben ist. Wie der japanische Fernsehsender NHK berichtete, wurden an der Küste der nördlichen Präfektur Hokkaido sowie der Präfektur Iwate im Nordosten inzwischen Flutwellen mit einer Höhe von 60 Zentimetern registriert.

Infolge der Warnung brachte der Betreiber des havarierten japanischen Atomkraftwerks Fukushima seine Arbeiter in Sicherheit. "Wir haben alle Arbeiter und Angestellten evakuiert", sagte eine Sprecherin des Akw-Betreibers Tepco. In dem Kraftwerk seien keine Auffälligkeiten festgestellt worden, fügte sie hinzu.

Das am Meer gelegene Atomkraftwerk Fukushima war kurz nach einem schweren Seebeben am 11. März 2011 von einem fast 15 Meter hohen Tsunami getroffen worden. Das Kühlsystem des Kraftwerks fiel aus, in drei der sechs Reaktoren kam es zur Kernschmelze. Es war das schlimmste Atomunglück seit der Tschernobyl-Katastrophe von 1986.

Bewohner entlang der japanischen Küste wurden aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. In den Küstengebieten der nördlichen Präfekturen Hokkaido und Aomori wurden zunächst Flutwellen von 40 Zentimetern Höhe registriert, wie der japanische Fernsehsender NHK meldete.

USA rechnen mit "gefährlichen Tsunami-Wellen"

Das US-Tsunamizentrum warnte vor zwischen einem und drei Meter hohen Tsunamiwellen an den Küsten Chiles, Costa Ricas, Französisch-Polynesiens und der Pazifikinsel Guam. In unter anderem Australien, Kolumbien, Mexiko, Neuseeland und Taiwan seien Wellen von bis zu einem Meter möglich, hieß es.

Die USA gaben Warnungen für die Westküste Nordamerikas und Kalifornien heraus. In Kalifornien wurden Tsunamiwarnungen an Mobiltelefone verschickt. Die Häfen der US-Pazifikinsel Hawaii sind mittlerweile geschlossen worden. Die Küstenwache wies Handelsschiffe, die Häfen ansteuern wollten, an, vor der Küste zu bleiben.

In Mexiko wurden Behörden auf allen Regierungsebenen mobilisiert, um die Menschen von den Pazifikstränden fernzuhalten. Die Marine warnte vor starken Strömungen in einigen Gebieten. Peru gab eine Tsunamiwarnung heraus. In Ecuador warnten die Behörden vor einer "hohen Wahrscheinlichkeit" eines Tsunamis und ordneten "präventive Evakuierungen" an.

Auch in China werden Tsunamiwellen von bis zu einem Meter Höhe erwartet worden. Wie das chinesische Tsunami-Warnzentrum mitteilte, rechneten die Behörden mit Wellen zwischen 30 Zentimetern und einem Meter, die auf Teile der chinesischen Ostküste treffen würden. Die Einschätzung basiere auf der Analyse des Tsunami-Beratungszentrums des Ministeriums für Nationale Ressourcen, voraussichtlich werde der durch das Beben ausgelöste Tsunami "Schäden in bestimmten Küstengebieten Chinas verursachen".

Bei der Halbinsel Kamtschatka treffen die pazifische und die nordamerikanische Kontinentalplatte aufeinander, was die Region zu einer der weltweit erdbebenreichsten Zonen macht. Am 20. Juli hatte sich in derselben Region ein Erdbeben der Stärke 7,4 ereignet. Dabei kam es zu keinen größeren Schäden.

Quelle: ntv.de, mpa/rts/AFP/dpa

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