Panorama

Nahe Internat für Indigene Erneut 182 Kindergräber in Kanada gefunden

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In Kanada nimmt die Wut auf die katholische Kirche immer weiter zu: Erneut werden in der Nähe eines Internats für indigene Kinder zahlreiche Gräber entdeckt. Zwei ähnliche Funde hatten das Land schon vor Monaten erschüttert.

In Kanada sind auf dem Gelände eines ehemaligen Internats für Kinder von Ureinwohnern weitere 182 anonyme Gräber gefunden worden. Experten stießen bei Suchaktionen an der Saint Eugene's Mission School im westkanadischen Crankbrook vermutlich auf die sterblichen Überreste von Schülern des Internats, wie die dortige indigene Gemeinschaft mitteilte. Die Wut über die Entdeckungen ist groß, erneut gingen in Kanada zwei katholische Kirchen in Flammen auf.

Bei der Suche an der Saint Eugene's Mission School in der Provinz British Columbia setzten die Experten unter anderem Bodenradargeräte ein, wie die Lower-Kootenay-Gemeinschaft mitteilte. Sie geht davon aus, dass es sich bei den toten Kindern, von denen viele in nur einen Meter tiefen Gräben verscharrt wurden, um Schüler des Internats im Alter von sieben bis 15 Jahren handelte. Die katholische Kirche hatte das Internat im Auftrag der Regierung von 1912 bis Anfang der 70er Jahre betrieben.

Zuvor hatten bereits zwei ähnliche Funde das Land erschüttert. Auf dem Gelände eines früheren katholischen Internats nahe der Kleinstadt Kamploops in British Columbia waren Ende Mai 215 Kinderleichen gefunden worden. Daraufhin wurden in ganz Kanada mit Unterstützung der Behörden Ausgrabungen in der Umgebung ehemaliger Schulen für Kinder von Ureinwohnern vorgenommen. Bei einem anderen katholischen Internat in Marieval in der Provinz Saskatchewan stießen die Experten dann auf weitere 751 anonyme Gräber.

Wut auf katholische Kirche

In Kanada waren ab 1874 rund 150.000 Kinder von Ureinwohnern und gemischten Paaren von ihren Familien und ihrer Kultur getrennt und in kirchliche Heime gesteckt worden, um sie so zur Anpassung an die weiße Mehrheitsgesellschaft zu zwingen. Viele von ihnen wurden in den Heimen misshandelt oder sexuell missbraucht. Nach bisherigen Angaben starben mindestens 3200 dieser Kinder, die meisten an Tuberkulose. Die letzten dieser Schulen schlossen erst in den 90er Jahren.

Viele indigene Gemeinschaften machen die Heime, die ganze Generationen geprägt haben, heute für soziale Probleme wie Alkoholismus, häusliche Gewalt und erhöhte Selbstmordraten unter den Indigenen verantwortlich. Ottawa entschuldigte sich im Jahr 2008 offiziell bei den Überlebenden der Internate. Sie seien Opfer eines "kulturellen Genozids", stellte eine Untersuchungskommission im Jahr 2015 fest.

Dennoch war den zahlreichen Berichten über Missbrauch und hohe Todesraten in den sogenannten Residential Schools nie ernsthaft nachgegangen worden. Kanadas Regierungschef Justin Trudeau forderte in der vergangenen Woche, das Land müsse "Lehren aus der Vergangenheit ziehen", deutete aber auch an, die Schuld liege Größtenteils bei der katholischen Kirche.

Seit den ersten Leichenfunden gingen in Kanada bereits acht Kirchen in Flammen auf. Am Mittwochmorgen brannten eine Kirche in Morinville nördlich von Edmonton in der Provinz Alberta und eine Kirche im Indigenen-Gebiet Sipekne'katik bei Halifax in der Provinz Nova Scotia ab, wie die kanadische Polizei mitteilte. Sie stuft beide Brände als "verdächtig" ein und ermittelt wegen möglicher Brandstiftung.

Mehrere andere Kirchen in Kanada wurden beschädigt, unter anderem mit roter Farbe. Offiziell wird noch geprüft, ob es eine Verbindung zwischen den Anschlägen und den Funden der Kinderleichen gibt.

Quelle: ntv.de, ses/AFP

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