Oetker geht essen In London, Baby ... gibt es nicht nur Fish & Chips


Diesen Ausblick sollte man sich in London tatsächlich nicht entgehen lassen.
(Foto: Shangri-La The Shard)
Der Brexit hat London nicht wie gefürchtet den Garaus gemacht – selbst, wenn es etwas schwerer geworden ist boomt Englands Hauptstadt. Das liegt auch daran, dass die Kulinarik so spannend ist: Ob Pub-Food, Asiaten, Inder oder Peruaner - junge Sterneköche machen von sich reden – und bringen verkannte britische Produkte zu neuem Glanz.
Wow, ist das ein buntes Chaos hier, mag der London-Besucher abends am Piccadilly Zirkus denken. 19 Millionen Reisende besuchen Englands Hauptstadt jedes Jahr, Platz zwei weltweit. Das liegt auch daran, dass die Stadt nicht nur wild und sexy ist, sondern unglaublich viele Gesichter hat: Edel und posh in Mayfair, shabby chic in Shoreditch, übertouristisch in Westminster, pittoresk in Notting Hill. Überall aber ist London international und wahnsinnig lecker. Vorbei die Zeiten, in denen in den rund 5000 Pubs der Hauptstadt fetttriefende Fish & Chips serviert wurden und der Yorkshire Pudding noch den letzten Gast verjagt hat. Doch was sind die spannendsten Adressen zurzeit? Hier kommen meine persönlichen Tipps für diesen Reisesommer – von Sterneküche bis zum günstigen Traditions-Pub.
Alex Dilling im Hotel "Café Royal"
Draußen auf der Regent Street rauscht auch noch spät am Abend der Verkehr vorbei, die roten Doppelstockbusse zeigen unweigerlich, wo der Gast hier ist – und isst. Aber auch drinnen ist es very british: Das Hotel "Café Royal" ist eines der besten Häuser Londons – und vor allem ist es das derzeit luxuriöseste, weil das Personal so unglaublich freundlich und die Zimmer sehr großzügig und durchdacht sind.
Hier hat sich der junge Wilde Alex Dilling niedergelassen, nachdem der gebürtige Londoner erst bei Alain Ducasse in London und bei Hélène Darroze in Paris seine Sporen verdient hatte. Mit französischen Techniken lässt er britische Produkte brillieren und zeigt damit, was seine Heimat kulinarisch draufhat – mal verspielt und luxuriös, etwa mit reichlich Kaviar, den Dilling besonders liebt, mal ganz klar und gradlinig. Das beginnt schon beim Amuse Bouche, das neben drei hübschen Canapés mit Thunfisch, Hummer und Algen auch in einer Scheibe Hirschwurst besteht, die einfach gegrillt wurde – und dabei so viel Aroma und zugleich Finesse mitbringt, dass der Gast schon ahnt, wie gut dieser Abend wird.
Das Tempo stimmt, die Küche arbeitet schnell und genau, das ist gut, weil es zum Rhythmus der Großstadt passt und der Gast nicht vier Stunden am Tisch verbringen muss. Obwohl bei der Qualität, die Alex Dilling servieren lässt, auch das keine Qual wäre: Die Rotbarbe etwa kommt in drei kleinen Filets, die glasig gegrillt wurden, es liegt in einer so aromatisch fein ausgewogenen Vinaigrette, die mit Bellota-Schinken angemacht wurde und dennoch den zarten Fisch nicht übertüncht, sondern bestens begleitet. Perfekt ist auch die Seezunge aus Dover, bei der gilt: bestes britisches Produkt, beste französische Technik. Der Fisch wird als Roulade serviert, nebendran liegt bestes Krabbenfleisch und ein aromatischer Schaum aus wildem Knoblauch. Hinreißend schmeckt das.
Auch die Desserts bestechen durch ihre innere Klarheit und durch das Vertrauen des Kochs in seine Produkte: Der Rhabarber wurde nur ganz kurz eingekocht, dadurch ist er bissfest und doch absolut süffig, er schmeckt so intensiv, dass es nicht mal das formidable Käsekuchen-Eis zur Begleitung brauchen würde. Der Preis des großen Menüs liegt bei 215 Pfund, das ist nicht wenig, aber sowohl die Qualität des Essens als auch der schöne Raum mit Blick auf die roten Doppeldecker verspricht einen kulinarisch atemberaubenden Abend.
Bar "GŎNG" im "The Shard"-Hotel
In China-Town zeigt sich London wirklich als Weltstadt – klar, es gibt auch hier überlaufene Touristenspots, wo die chinesische Küche so schmeckt wie in Wanne-Eickel, aber es gibt auch die kleinen, beinahe geheimen Läden, wo die große chinesische Gemeinde sich wirklich an den Peking-Enten labt, die hier in den Schaufenstern hängen, goldbraun und kross. Derzeit schmeckt die bei "The Duck and Rice" in Soho am besten und ist bei der halben Ente mit Gurke, Pancakes und reichlich krosser Haut mit knapp 40 Pfund nicht mal überbezahlt.
Unweit des völlig touristenwahnsinnigen Borough Food Markets befindet sich derweil ein Hotel, das fest in chinesischer Hand ist und zudem den phänomenalsten Ausblick über die Stadt bietet. "The Shard" heißt das Hochhaus, die Scherbe also, der Bau läuft spitz nach oben zu und ist tatsächlich ein echter Hingucker, der von oben – gerne mit einem Fernglas bewaffnet – wunderschöne Einblicke in das London längs der Themse bietet.
Das Hotel gehört zur chinesischen Shangri-La-Gruppe und auch, wenn wir das Restaurant "Ting" aufgrund seiner beinahe infantil schlechten China-Küche nicht empfehlen können – die Bar "GŎNG" hingegen ist wirklich grandios. Im Stockwerk 52 gelegen ist sie die höchste Hotelbar Europas. Die Barkeeper sind echte Profis, ihre Kreationen sind gelungen und kreativ – und der Rhubarb-Cocktail mit Wodka und Sherry ist wirklich ein Traum, dazu der Ausblick auf die Stadt, die tatsächlich niemals schläft – und schon ist London ganz tief im Herzen.
"Mercato Mayfair"
Eigentlich mag ich es ja gar nicht, wenn Kirchen zweckentfremdet werden. Hier, im noblen (zuweilen etwas russisch-neureich-lastigen) Mayfair aber ist die Wandlung wirklich gut gelungen: Schon1974 wurde die Kirche St. Mark's entweiht. Nach einer aufwendigen Restaurierung ist hier alles noch an seinem Platz: die Fensterbilder, die Emporen, die Gemälde.
Doch statt einer Oblate gibts zum Abendmahl mittlerweile deutlich üppigere Portionen, denn in der Kirche befindet sich der wunderbar lebendige Foodcourt, der natürlich mittlerweile allseits bekannt und damit touristisch überlaufen ist. Und dennoch stimmt das Ambiente. An Wochentagen ist es durchaus lohnenswert, hier im "Bindas" indische Spezialitäten zu probieren (das Bathura ist grandios, genau wie der Linsen-Daal), es gibt tolle Gyozas bei "Steamy & Co" – und sogar deutsches Bier bei "GermanKraft".
Hier ist der Altar, also die Bar, aus fast 2000 Gläsern zusammengesetzt, die im Laufe des Barlebens von Gästen zerstört wurden – ein echtes Pub-Stillleben also. Sehr zu empfehlen.
"The George's Inn"

Aus den luftigen Höhen des "The Shard" an den sehr reellen Tresen eines Pubs - das alles ist London.
(Foto: IMAGO/Panthermedia)
Kein London-Besuch ohne echtes Pub-Feeling – auch wenn die Bierpreise in letzter Zeit explodiert sind. Kein Pint, das derzeit unter acht Pfund kostet – Wahnsinn – und trotzdem torkeln einem immer noch betrunkene Briten entgegen. Der Brexit hat finanziell also keine größeren Verwerfungen mit sich gebracht. Die Pub-Szene ist dennoch hart getroffen. 500 Kneipen schließen jedes Jahr landesweit, knapp 40.000 gibt es nur noch. Viele, besonders in London, schließen sich zu Ketten zusammen, die beste, weil kulinarisch ausgereifteste hat nun auch das "The George's Inn" an der Themse übernommen.
Seit 1543 soll dieser Pub nahe Borough Market schon existieren, er ist der letzte erhaltene Ausspanngasthof Englands – hier wurden früher auch die Pferde der Gäste abgespannt und für die Nacht in den Scheunen unter dem Gasthof untergebracht. Die Säulengänge existieren bis heute. Charles Dickens war hier gerne zu Gast und zumindest beim wackelnden Fußboden hat sich seit damals wohl nichts verändert.
Im Erdgeschoss gibt es Bier satt, entweder innen, wo es reichlich alkoholisch riecht – oder im lauschigen Garten. In der ersten Etage aber, wo die Dielen wirklich schwanken, weil das Gebäude so alt ist, warten typisch englische Kellner mit schütterem Haar, Zahnlücken und sehr feinem Humor und bedienen dann aber so gastfreundlich, dass es eine Pracht ist: Es gibt butterzart frittierte Fish&Chips aus biergetränktem Kabeljau, die Erbsen dazu sind so gut wie die Pommes.
Grandios ist der Duck-Hash, also die Entenkeule mit Spiegelei, gebackenen Kartoffeln und Speck, genau wie der sonntägliche Sunday-Roast von Hähnchen oder Beef Wellington, ganz original mit Yorkshire Pudding und einer sehr dunklen Soße – hell yeah, this is England.
Quelle: ntv.de