So geht ein schönes Leben Alexander Oetker pflegt das Glück des Südens


Den Espresso lieber im Sitzen trinken und besser die Alltagswege zu Fuß erledigen, statt ins Fitnessstudio zu gehen, nur zwei Ideen von Oetker, die das Leben schöner machen.
(Foto: Markus Bassler)
Seit Jahrzehnten ist Bestsellerautor Alexander Oetker in Südeuropa unterwegs und erlebt sehr viel mehr Gelassenheit und weniger Optimierungswahn als hierzulande. Seitdem treibt ihn die Frage um, was machen die Menschen dort anders?
In Alexander Oetker schlummert ein sardischer Bergbauer, ein französischer Winzer oder vielleicht auch ein portugiesischer Koch. Man sieht es dem Bestsellerautor, Restaurantkritiker und Journalist nicht an, aber er gehört einfach nicht in die kalten Berliner Winter. Seit Jahrzehnten führen ihn seine beruflichen und privaten Reisen deshalb überwiegend nach Südeuropa.
Dort hat er sich inspirieren lassen, was die Menschen anders machen, um glücklicher und zufriedener zu sein. "Ganz viel macht die Gemeinschaft aus", erzählt Oetker ntv.de. Als die Schuldenkrise in den 2010er-Jahren den Griechinnen und Griechen alles abverlangte, stand er staunend davor. "Wenn es bei uns schlecht läuft und wir arm dran sind, dann kümmern wir uns zuerst um uns selbst", stellt er fest. Doch in Griechenland sei das anders gewesen. Dort seien junge Leute wieder bei den Eltern eingezogen, wer noch Geld hatte, habe es mit anderen geteilt. Großzügigkeit ohne die Erwartung einer Gegenleistung, ein Leben im Hier und Jetzt, ohne sich allzu viele Gedanken um das Morgen oder die Rente zu machen.
Inzwischen wächst die griechische Wirtschaft stärker als der EU-Durchschnitt. Die Arbeitslosigkeit ist von Spitzenwerten über 27 Prozent im Jahr 2013 auf unter 10 Prozent gefallen. Für Oetker ein Beleg dafür, dass man mit Gemeinsinn auch durch die tiefste Krise kommt und nur ein Beispiel in seinem Buch "Es kann so schön sein, das Leben. Wie wir mit dem Dolce-Vita-Prinzip gesund und glücklich werden".
Hat das wirklich etwas mit mir zu tun?
Natürlich gibt es auch in Griechenland immer noch die Nachwirkungen der Krise, Renten und Gehälter wurden massiv gekürzt, die Armutsquote ist hoch, 600.000 Menschen, vor allem gut Ausgebildete, haben das Land verlassen. Aber - und das ist Oetkers tiefe Überzeugung - viele leben trotzdem jeden Tag ein schönes und fröhliches Leben. Sie gehen in die Tavernen, trinken guten Wein und genießen den Augenblick.
Als Russland im Februar 2022 die Ukraine überfiel, saß Oetker mit Frau und Kindern in Berlin. "Ich hatte das Gefühl, wir sitzen da wie auf dem Präsentierteller für Putin." Alle zusammen fuhren dann nach Frankreich, wo er an seinem Aquitaine-Kochbuch "Chez Luc" arbeitete und sich fragte, warum sich alles so anders anfühlte, als in Deutschland.
"Ob das jetzt der Dax ist, Trump, Putin, die Apartheid - alles hat mit uns zu tun. In Frankreich gucken sich die Leute an, hat es was mit mir zu tun, oder nicht? Für lokale, regionale oder nationale Entscheidungen gehen sie auf die Straße und machen so lange Bambule, bis es entweder zurückgenommen wird, wie die Rentenreform, oder bis klar ist, diesmal haben wir verloren. Wenn es aber nichts mit ihnen zu tun hat, dann halten sie sich informiert über das, was passiert, lassen sich davon aber nicht ins Bockshorn jagen und werden vor allen Dingen nicht damit aufhören, es sich trotzdem schön zu machen."
Bei seinen Erzählungen von Erfahrungen und Begegnungen schrammt Oetker immer dicht am Klischee vorbei und trifft trotzdem in diesen rauen Zeiten einen Punkt. Die lärmenden Kinder in Italien, die überbordenden Marktstände voller frischer Lebensmittel, der gute Wein, das Licht am Meer - das ist natürlich auch eine Sehnsuchtserzählung. Doch Oetker drückt etwas aus, wovon viele Menschen gern mehr hätten. Zeit für sich und ihre Lieben, Spaß und Freude an gutem Essen und Trinken, etwas mehr Gelassenheit und etwas weniger German Angst.
Kleinigkeiten machen den Unterschied
"Man muss wahrscheinlich irgendwo anfangen, sonst wird es nicht anders", sagt Oetker. "Die Stimmung wird ja nicht besser, wenn wir jetzt alle so weitermachen und nur auf unser Handy starren." Der 43-Jährige weiß, wie es ist, seine Komfortzone zu verlassen. Lange verzichtete er auf Reisen in den Süden, weil ihn eine "heftige Angsterkrankung" daran hinderte, in ein Flugzeug zu steigen. Dabei hatte ihm seine früh verstorbene Mutter die Liebe zu Frankreich "wie mit einem Brennglas übertragen". Weil er so lange darauf verzichtete, es sich im Süden gut gehen zu lassen, genießt er das südliche Leben "in all seiner Schönheit" heute umso mehr.
Auf keinen Fall habe er ein Ratgeberbuch geschrieben, betont Oetker. Lesen lässt es sich natürlich trotzdem so, zumal die Kapitel Überschriften haben wie: "Iss gut und trink viel", "Lebe laut und liebe ständig" oder "Sprich mit Gott". "Letztlich geht es um Resilienz, auch wenn das so ein Modewort ist, um Selbstvergewisserung, aber auch um Werte wie Achtung oder Respekt", so Oetker.
Diese Gefühle und Lebenseinstellungen lassen sich im Süden nicht einfach einpacken, wie eine Flasche Wein oder Olivenöl. Aber sie lassen sich auch hier zelebrieren. Das versucht Oetker, auch wenn der Brandenburger Himmel grau und der Berliner Taxifahrer ruppig ist. "Ich gebe mir Mühe, keine in Plastik eingepackten Lebensmittel zu kaufen, sondern nur das, was ich heute essen möchte. Die Kerze am Abendbrottisch hat für mich und meine Kinder etwas verändert. Sie schafft eine Stimmung, in der wir miteinander reden. Und ich gehe nicht mit Kaffeebecher und Handy durch die Stadt." Die Italiener oder Franzosen nähmen sich immer die fünf Minuten für den Cappuccino in Ruhe, für einen kleinen Schwatz oder die Zeit, die Umgebung anzugucken.
Oetkers 240 Seiten sind ein liebevolles Plädoyer für weniger Optimierungswahn, weniger Erfüllen von Erwartungen und Konventionen, dafür mehr Übereinstimmung mit sich selbst. Das ist ein wenig naiv und trotzdem sehr bestärkend. Wer auch immer Lust auf seinen inneren Süden hat, dieses Buch kann auf jeden Fall eine Landkarte sein.
Quelle: ntv.de