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Oetker geht essenWie schmeckt des Kanzlers kulinarische Heimat?

13.11.2025, 18:13 Uhr Dejeuner-David-MaupileAlexander Oetker
Gasthaus Merz Heimatdorf zu vermieten
In seinem Heimatdorf kann Kanzler Merz nicht mehr auswärts essen. (Foto: Alexander Oetker)

Friedrich Merz ist Sauerländer durch und durch. Der Landstrich ist nicht gerade für seine kulinarische Finesse bekannt. Unser Gastrokritiker stellt jedoch fest: Das Sauerland kann kochen - in einfachen Gasthäusern mit deftiger Landhausküche genau wie im Fine-Dining - man muss bei der Anreise nur all die Serpentinen gut überstehen.

Nein, die Dörfer deutscher Kanzler strotzen ja im Allgemeinen nicht vor gastronomischer Güte. Nun gut, in Oggersheim konnte Helmut Kohl wenigstens noch einen guten Saumagen bekommen. In Angela Merkels uckermärkischem Refugium namens Hohenwalde gibt es hingegen - wie so oft in Brandenburg - nicht mal mehr einen Landgasthof.

Und wie ist es beim Neukanzler? Wie schmeckt Friedrich Merz' Heimat? Niedereimer heißt das Dörfchen, es ist ein Ortsteil von Arnsberg - und tatsächlich nicht der Schönste, wie die Aneinanderreihung von Gewerbesiedlungen am Ortseingang schon vermuten lässt. Das einzige Gasthaus im Ort hieß Haus Bienstein, das große Schild über dem Eingang besagt: "Provisionsfrei zu verpachten" - sieht also nicht gut aus für warme Küche, wenn Familie Merz mal auf die Schnelle ein Hüngerchen bekommt.

So müssen wir den Blick etwas weiten – und wenden uns also dem ganzen Sauerland zu, der Heimat des Kanzlers, der stets guten Kontakt zu den Bürgern in seinen Landkreisen gehalten hat. Geboren wurde Merz in Brilon, seine Frau ist Richterin in ebenjenem Arnsberg.

Essen bei Deimanns

Wichtige Fraktionsklausuren hält er schon mal im romantischen Hotel Deimann in Schmallenberg ab, einem großen Wellnesshotel, das auch den einzigen kulinarischen Stern im Guide Michelin weit und breit hält. Schön ist es hier - und vor allem ist es eine echte Familiengeschichte, dieses Hotel, das vor Jahrhunderten nur aus einem Fachwerk-Gutshof bestand und von den Deimanns immer weiter um- und ausgebaut wurde, heute gibt es hier mehrere Pools und Saunen, Restaurants und vor allem äußerst luxuriöse Zimmer.

Die Hofstube heißt das Gourmetrestaurant des beeindruckenden Hotels - und hier steht Felix Weber am Herd. Der 36-Jährige stammt aus dem nahen Bad Berleburg und hätte dort eigentlich den Landgasthof der Eltern übernehmen wollen - doch aus wirtschaftlichen Gründen gab er das Unterfangen auf. Überhaupt wollte er viel lieber fein und exklusiv kochen - und das kann er nun, in der offenen Küche des Gourmetrestaurants.

Rehfilet Deimann
Das servierte Reh wurde um die Ecke erlegt. (Foto: Alexander Oetker)

Weber setzt auf beste Produkte teurer Produzenten, sein Balfego-Thunfisch mit Mini-Artischocken ist so gut wie die riesigen Jakobsmuscheln, die der Koch mit einer Chablis-Beurre-Blanc serviert - beides beweist, dass sich der Mann auf die große französische Klassik versteht.

Besonders fein aber sind die Sauerländer Anleihen, wie der Rehrücken mit Spitzkohl und Blaubeere. Klar, dass das Wild hier in der Region besonders gut ist, schließlich sind die vielen Wälder voller Rehe, Hirsche und Wildschweine. Nur waren die Jäger früher gar nicht auf die Spitzenküche vorbereitet, sodass jeder vor sich hinjagte und niemand wusste, wo die guten Stücke zu kaufen sind. Also gründete Weber eine Whatsapp-Gruppe mit den Jägern der Umgebung, sodass bei ihm heute stets am Morgen das Handy klingelt und er erfährt, was genau wem wo vor die Flinte gelaufen ist. Ein Glück für die hungrigen Gäste.

Was vom Kneipensterben übrig blieb

Doch die Gourmetküche ist in Friedrich Merz' Heimat noch immer die Ausnahme. Eigentlich ging es im Sauerland in den letzten Jahrzehnten gastronomisch stattdessen immer bergab. Weil die jungen Leute die Region verließen und niemand so recht Lust hatte, den Gasthof der Eltern zu übernehmen, gab es ein regelrechtes Kneipensterben. Doch der Trend ist gedreht, so scheint es, gottlob: Weil immer mehr Touristen hierherkommen, zum Wandern, zum Skifahren, für Wochenendausflüge - und weil in den Tälern von Schmallenberg, Arnsberg und Co. viele kleine Firmen sitzen, die aber weltweit richtig Umsatz machen, die Hidden Champions sozusagen. Geld ist also da, Arbeitsplätze sind es auch, sodass die Jungen langsam entweder wiederkommen oder gleich hierbleiben. Und deshalb lohnt es sich eben, hier auch gut zu kochen.

Max Leineweber hat das verstanden. Und sich entschieden: Ich übernehme den Gasthof von Mama und Papa. Jahrelang hat er in guten Häusern in Bayern, Irland und sogar bei der bekannten Gastro-Familie Steinheuer im Ahrtal gekocht, doch nun, mit Anfang 30, zieht es ihn zurück nach Lennestadt. Das Suerlänner Eck ist ein wunderschönes Gasthaus, es gibt hölzerne Tischen und tiefe Balkendecken, die Bar beherrscht den Gastraum, genau wie die zwei wunderschönen Kachelöfen, die im Winter für Behaglichkeit sorgen.

Wildbratwurst Suerlaenner Eck
Für die Wildbratwurst im "Suerlänner Eck" lohnt sich auch eine längere Anreise. (Foto: Alexander Oetker)

Noch behaglicher aber ist es, wenn Max und sein Vater Jörg am Herd zaubern: "Unsere Maxime ist es, alles selbstzumachen. Unser Brot backen wir jeden Tag selbst, wir füllen unsere Maultaschen und machen unsere Pasta selbst, es geht einfach immer um Qualität. Das ist doch die goldene Regel für gutbürgerliche Lokale: Die einfachsten Gerichte müssen einfach gut sein."

Und das sind sie hier tatsächlich: Die Wildbratwurst aus Reh und fettem Schweinebrät ist fein schmelzend und aromatisch, die speckig-zwiebeligen Bratkartoffeln können perfekter nicht sein. Dafür kommen die Gäste von überall: In der Woche treffen sich die Alten aus dem Dorf zum Mittagstisch, am Wochenende fahren die Kölner und Duisburger auch mal zwei Stunden ins Sauerland.

Sülze und Blutwurst in Arnsberg

Auch Friedrich Merz liebt derlei Küche: Sein Lieblingsgasthof ist angeblich jener der Familie Hoffmann in Arnsberg, wo Sülze und Blutwurst aus eigener Landwirtschaft auf der Karte stehen. Und sogar Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat seine Liebe zu Sauerländer Produkten zugegeben, nach einem Weißwurstessen in Merz' Heimat Brilon sang er eine Lobeshymne auf die "Dicke Sauerländer", eine Bockwurst aus Rind- und Schweinefleisch, die besser sei als so manche Weißwurst.

Die Sauerländer Produkte müssen also keinen Vergleich scheuen. Das wird Olaf Baumeister freuen, der seit Jahren für den guten Ruf der Bauern in der Region kämpft. In seinem Restaurant, dem Seegarten in Sundern, serviert er brutal regional beinahe ausschließlich Fleisch, Fisch und Gemüse, das aus unmittelbarer Nähe stammt, etwa vom Biohof Tigges oder vom Fischzüchter und Kaviarproduzenten Primus aus Iserlohn.

Die Gäste kommen in Scharen in seinen Gasthof, der auch ein modern eingerichtetes und nachhaltiges Hotel beherbergt. Schon von weitem ist das Hotel am Sorpesee gut sichtbar, weil der Infinity-Pool mit der Glaswand übers Hoteldach herausragt, sodass die Badenden bis zu den Füßen von unten gut zu sehen sind.

Grandios gelingen Olaf Baumeister und seinem jungen Team etwa das hervorragende Sauerländer Sushi von Lachsforelle aus dem Nachbarörtchen Allendorf, genau wie der krosse Saibling mit Pistazien-Spaghetti - was für ein zartschmelzendes Gedicht.

Es bleibt also dabei: Die Heimat des Kanzlers muss sich ihrer Regionalküche nicht schämen. Und vielleicht hat ja auch in Niedereimer bald wieder ein Gastwirt ein Erbarmen, damit Familie Merz nicht mehr darben muss, wenn am Abend daheim mal der kleine Hunger kommt.

Quelle: ntv.de

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