Panorama

Normalität frühestens 2023 Europa, "Keimzelle" des Kreuzfahrtneustarts

Die "Aidaprima" startet an diesem Wochenende mit siebentägigen Kreuzfahrten durch die Ostsee.

Die "Aidaprima" startet an diesem Wochenende mit siebentägigen Kreuzfahrten durch die Ostsee.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Die Corona-Krise hat die Kreuzfahrtindustrie mit voller Breitseite getroffen. Seit mehr als einem Jahr stehen die meisten Schiffe still. Bis jetzt. Langsam nimmt die Branche wieder Fahrt auf. Bis zur Normalität wird es aber Jahre dauern.

Die Kreuzfahrtindustrie gehört zu den Branchen, die am schwersten von der Pandemie geplagt sind. Seit Anfang 2020 geht im Prinzip nichts. Doch mittlerweile kommt Hoffnung auf. Die ersten Schiffe sind wieder in See gestochen. Angesichts steigender Impfquoten und geringer Inzidenzen in den meisten Ländern Europas hoffen Branchenvertreter und Urlauber auf eine möglichst schnelle Rückkehr zur Normalität. "Die Lage ist auf jeden Fall besser als im letzten Sommer. Damals gab es mit den blauen Reisen den Versuch, wieder anzufangen. Das war zu früh", sagt Alexis Papathanassis, Kreuzfahrt-Professor an der Hochschule Bremerhaven, im ntv-Podcast "Wieder was gelernt".

"Blaue Reisen", das waren Touren ohne Landgänge. Mittlerweile sind einige Häfen in Europa aber wieder für die Kreuzfahrtriesen geöffnet, betont Helge Grammerstorf, Deutschlandchef des Kreuzfahrtverbandes Clia. Europa sei aktuell die "Keimzelle" für den Neustart der Kreuzfahrt. "Von den 370 Kreuzfahrtschiffen weltweit sind heute etwa 20 Prozent wieder im Dienst. Kurzfristig gehen wir davon aus, dass etwa die Hälfte der Flotte wieder fahren wird", so Grammerstorf im Podcast.

Doppelt geimpft, genesen oder negativ getestet

Von Deutschland aus sind beispielsweise Touren entlang der norwegischen Küste möglich, Hapag Lloyd Cruises hat nun sogar Landgänge genehmigt bekommen. Aida bietet siebentägige-Kreuzfahrten von Kiel über Stockholm und die Insel Gotland an, Landgang ebenfalls inklusive. In Südeuropa lassen griechische, italienische und spanische Häfen die großen Kreuzfahrtschiffe mehrerer Veranstalter wieder anlanden. Auf Karibik-Touren müssen Reisende dagegen noch verzichten. Zwar legen einige Riesen in den USA ab und schippern dann durch den tropischen Teil des Atlantiks, für Europäer gilt in den Vereinigten Staaten aber nach wie vor eine Einreisesperre. Auch Asien-Reisen mit dem Schiff werden bislang kaum angeboten.

Wer eine Kreuzfahrt findet und bucht, muss auf den Kreuzfahrtschiffen in jedem Fall die "3G-Regel" beachten. Heißt, mitreisen dürfen nur doppelt Geimpfte, Genesene und negativ Getestete. "Der Grundsatz ist, dass wir alle Passagiere vor dem Betreten des Schiffes testen. Das gilt für die Mehrheit der Abfahrten auch für Geimpfte. Die Besatzung ist ohnehin mehrfach getestet, geht vor Reisebeginn in Quarantäne. Während der Reise finden teilweise täglich Temperaturkontrollen statt und es werden auch einzelne Tests durchgeführt", berichtet Grammerstorf. Außerdem würden Tests am Ende der Kreuzfahrt angeboten. "Dort, wo das gewünscht oder vorgeschrieben ist."

Impfpflicht bei Norwegian

Der Kreuzfahrtverband Clia hat eine generelle Testpflicht für die Crew und alle Gäste bei Schiffen ab 250 Passagieren beschlossen. Eine Impfpflicht ist momentan nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Der Anbieter Sea Cloud Cruises etwa lässt nur doppelt Geimpfte an Bord seiner Segel-Kreuzfahrtschiffe. Mit Norwegian Cruise Line hat aber auch eine der größeren Reedereien eine generelle Impfpflicht für Personal und Gäste ausgerufen. "Grundsätzlich wollen wir auf den Schiffen das Sicherheits- und Hygieneniveau so hochhalten wie möglich. Es kann also durchaus sein, dass wir in einigen Punkten strengere Vorschriften haben, als das woanders der Fall ist", sagt Grammerstorf.

Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?

"Wieder was gelernt" ist ein Podcast für Neugierige. Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein wenig schlauer.

Alle Folgen finden Sie in der ntv-App, bei RTL+, Amazon Music, Apple Podcasts und Spotify. Für alle anderen Podcast-Apps können Sie den RSS-Feed verwenden.

Sie haben eine Frage? Schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an podcasts@ntv.de

Auf den Schiffen gelten selbstverständlich die Abstandsregeln sowie die Maskenpflicht, zudem würden Landgänge nur in geschlossenen Gruppen veranstaltet, betont der Kreuzfahrtverbandschef. Mit diesen Maßnahmen soll verhindert werden, dass Kreuzfahrten zur Virus-Drehscheibe werden. Anders als zu Beginn der Pandemie. Teils saßen Urlauber und Crew wochenlang an Bord fest, durften nicht an Land. Das soll sich nicht wiederholen. Man könne zwar nicht jeden Corona-Fall verhindern, aber "wir sind darauf vorbereitet, schnell und professionell zu reagieren". Betroffene Passagiere würden so schnell es geht isoliert, verspricht Grammerstorf. "Das gilt für die Infizierten und diejenigen, die im direkten Kontakt gewesen sind. Bei nächster Gelegenheit werden sie an Land gebracht, damit sie dort entsprechend betreut werden können."

"Aus Rache tolle Reise machen"

Die Kreuzfahrtschiffe können zu Beginn des Neustarts weniger Menschen an Bord nehmen als üblich. Das Angebot wird die Nachfrage nicht decken können. Gut möglich, dass Kreuzfahrten deshalb teurer werden. Clia-Deutschlandchef Helge Grammerstorf hält sich mit einer Prognose bedeckt, er verspricht ein "sehr attraktives Preisniveau".

Aber auch wenn das Preisniveau steigen sollte, erwarten Kreuzfahrtexperten wie Alexis Papathanassis eine hohe Nachfrage. Die Menschen wollen sich nach eineinhalb Jahren Corona etwas gönnen "Wir haben unserer Reisefreiheit in der Pandemie verloren. Natürlich wollen jetzt alle richtig was erleben. Deshalb kann ich mir gut vorstellen, dass viele Leute sagen: Jetzt, wenn ich wieder darf, will ich mir richtig was gönnen. Im Englischen nennt man das Revenge-Travel, das man also aus Rache eine richtig tolle Reise macht."

Bis sich die Branche vom Corona-Schock erholt hat, werde es dennoch dauern. Mindestens zwei Jahre, schätzt Papathanassis. Solange werden die Reedereien noch mehr oder weniger zu knabbern haben an den Folgen der Pandemie.

Laut Clia hat die Kreuzfahrt im Vor-Corona-Jahr 2019 allein in Deutschland etwa 6,6 Milliarden Euro erwirtschaftet. 48.000 Menschen haben in der Branche ihr Geld verdient, bis September vorigen Jahres sind 28.000 Arbeitsplätze, also mehr als jeder Zweite, verloren gegangen. Hinzu kommen dramatische wirtschaftliche Einbrüche bei den Werften. Die Branche dürfte sich über viele Rache-Reisende freuen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen