Panorama

Lehren aus Germanwings-KatastropheExperten setzen auf Prävention

30.06.2015, 15:42 Uhr
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Der Airbus zerschellte in den französischen Alpen. (Foto: dpa)

Ein Mann will sterben und reißt 149 andere Menschen mit in den Tod. Hätte man das verhindern können? Kann man künftig etwas besser machen? Experten haben erste Antworten auf diese Fragen.

Welche Konsequenzen muss die deutsche Luftfahrtbranche aus dem Absturz der Germanwings-Maschine im März ziehen? Mit dieser Frage beschäftigte sich in den vergangenen Wochen eine Taskforce des Verkehrsministeriums und die im Branchenverband BDL zusammengeschlossenen der Luftfahrtunternehmen. Am 24. März hatte der Copilot den Piloten eines Airbus aus dem Cockpit ausgesperrt und die Maschine dann abstürzen lassen, 150 Menschen starben.

Wegen des Absturzhergangs standen zwei Punkte im Zentrum der Aufmerksamkeit: zum einen die Sicherheitsvorgaben rund um die Cockpittüren, zum anderen die bessere Erkennung der Flugtauglichkeit der eingesetzten Piloten. BDL-Geschäftsführer Matthias von Randow fasste die Erkenntnisse der Experten-Arbeitsgruppe zusammen. Er betonte, die wesentliche Sicherheitsfunktion der Cockpittür müsse erhalten bleiben. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hatten die Fluggesellschaften speziell gesicherte Türen eingeführt, die nur von innen zu öffnen sind. So soll unter anderem verhindert werden, dass Entführer die Piloten bedrohen und so das ganze Flugzeug in ihre Gewalt bringen können.

An diesem Modus werde es auch keine kurzfristigen Änderungen geben. Allerdings könne man langfristig andere Optionen bei der Entwicklung neuer Flugzeugmodelle prüfen. Denkbar nannte von Randow beispielsweise eine Schleuse zwischen Cockpit und Passagierraum. Unmittelbar nach dem Unglück hatten alle deutschen Fluggesellschaften bereits die Zwei-Personen-Regel eingeführt. Wenn Pilot oder Copilot das Cockpit verlassen, beispielsweise um zur Toilette zu gehen, nimmt so lange ein Crewmitglied den anderen Platz ein. Damit sollen Situationen, wie die an Bord des Germanwings-Flugzeugs vermieden werden, dass ein Einzelner über das Wohl und Wehe des gesamten Flugzeugs entscheiden kann. Die bereits von US-Fluggesellschaften angewandte Regel soll nach einem Jahr auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden.

Bessere Anlaufstellen

Die eigentlichen Verbesserungsmöglichkeiten sehen die Experten jedoch bei der Überprüfung der Flugtauglichkeit der Piloten. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hatte der Copilot psychische Probleme und brachte die Maschine deshalb absichtlich zum Absturz. Er war am Unglückstag zudem krank geschrieben, konnte dies aber vor seinem Arbeitgeber verbergen. Künftig gehe es darum, Flugmediziner verstärkt für psychische Erkrankungen zu sensibilisieren. Zuvor hatte bereits Verkehrsminister Alexander Dobrindt darauf hingewiesen, dass Depressionen eine einerseits weit verbreitete, aber auch gut heilbare Krankheit seien. Darum sollten Betroffene ermutigt werden, sich zu öffnen und Hilfe zu suchen.

Dazu empfiehlt die Expertengruppe die weitere Stärkung bereits vorhandener Anlaufstellen in den Unternehmen. Dort können sich Betroffene selbst melden oder auch ihrer Sorge um Kollegen Ausdruck verleihen. Bislang basierten diese Anlaufstellen auf Selbstverpflichtungen der Unternehmen, langfristig sollen sie europäischer Standard werden. Kontrovers diskutiert wurden erweiterte Kontrollen auf Medikamente, Drogen oder Alkohol. Das Flugpersonal stehe auch unangekündigten Zufallskontrollen sehr offen gegenüber, sagte von Randow. Da diese in den USA bereits praktiziert werden, sollen die US-Erfahrungen zunächst ausgewertet werden. Schwierig gestaltet es sich, alle Untersuchungsergebnisse der Piloten transparent zu machen. Das Bedürfnis eines umfassenden Einblicks kollidiere mit Vorgaben des Datenschutzes und der ärztlichen Schweigepflicht. Hier plane man die Entwicklung von Alternativen zu den bisherigen Pseudonymisierungsverfahren, so von Randow.

Die Vorschläge der Taskforce werden nun an europäische und internationale Behörden, Branchenverbände und Luftfahrtorganisationen weitergeleitet.

Quelle: ntv.de, sba

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