Verwechslung nach Absturz Familien der Air-India-Opfer erhalten falsche Leichen
23.07.2025, 11:52 Uhr Artikel anhören
Die Beerdigung eines Absturzopfers in Ahmedabad.
(Foto: picture alliance / Middle East Images)
Nach dem Absturz einer Passagiermaschine in Indien werden einige Opfer nach Großbritannien überstellt. Doch in mindestens zwei Fällen sollen Angehörige nicht die Leichen der eigenen Verwandten erhalten haben. Ihr Anwalt fordert nun Aufklärung.
Angehörige der Opfer des Air-India-Absturzes Mitte Juni in Indien haben einem Medienbericht zufolge nicht die sterblichen Überreste ihres Familienmitglieds zur Beisetzung erhalten. Vor dem Rückflug nach Großbritannien sei die Leiche von mindestens einer Person vertauscht worden, berichtet die Zeitung "Daily Mail". Die Verwandten des Absturzopfers mussten demnach die Beerdigung absagen, nachdem sie erfahren hatten, dass ein Sarg den Leichnam eines unbekannten Passagiers enthielt und nicht den ihres Familienmitglieds.
Ein weiterer überstellter Sarg habe zudem die "vermischten" Überreste von mehr als einer Person enthalten. Die Leichenteile mussten vor der Beerdigung am vergangenen Wochenende dem Bericht zufolge zunächst getrennt werden. Entdeckt worden sei die Verwechslung von einer Londoner Gerichtsmedizinerin, die einen DNA-Abgleich durchgeführt hatte.
Laut dem Luftfahrtanwalt James Healy-Pratt, der viele vom Absturz betroffene Familien vertritt, sorgen die Fehler der indischen Behörden für zusätzliches Leid. "Einige von ihnen haben die falschen Überreste bekommen und sind darüber sehr verzweifelt", sagte er der Zeitung. "Diese Familien verdienen eine Erklärung."
Einige Opfer bereits begraben
Andere bekannte Fälle gibt es laut der "Daily Mail" nicht. Allerdings bestehe die Befürchtung, dass noch weitere Fehler bei der Leichenüberstellung passiert sein könnten, was die Angehörigen beunruhige. Auch, weil manche der Toten aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen entweder schnell eingeäschert oder direkt in Indien begraben worden seien.
Healy-Pratt zufolge muss es allein aufgrund der bekannt gewordenen Verwechslung mindestens einen weiteren Fall geben. "Es stellt sich die Frage: Wer liegt im Sarg? Vermutlich handelt es sich um einen anderen Passagier, und die Angehörigen haben die falschen Überreste erhalten", sagte er. Der Anwalt versuche nun, die Hintergründe zu den Bergungs- und Identifizierungsvorgängen herauszufinden.
Der Air-India-Passagierflug vom indischen Ahmedabad nach London stürzte kurz nach dem Start ab. 260 Insassen starben, nur ein Mann überlebte. An Bord waren auch 52 britische Staatsbürger. Die Absturzursache ist noch ungeklärt, ein deutscher Luftfahrtexperte hält aber einen Pilotensuizid für wahrscheinlich.
Angehörige beklagten der Zeitung zufolge nach ihrer Ankunft am Unglücksort ein chaotisches Vorgehen der indischen Behörden. Eine namentlich nicht genannter Betroffener kritisierte den "Mangel an Transparenz und Kontrolle bei der Identifizierung und Handhabung sterblicher Überreste". Es habe Forderungen gegeben, britische Identifizierungsexperten einzufliegen.
Tote verbrannt oder zerstückelt
Das aus indischen Einsatzkräften bestehende Bergungsteam habe innerhalb von drei Tagen fast alle Opfer gefunden, obwohl die meisten bis zur Unkenntlichkeit verbrannt waren. Andere waren durch die Wucht des Aufpralls verstümmelt oder zerstückelt. Eine Identifizierung sei darum stellenweise nur noch über DNA-Proben möglich gewesen, in einigen besonders schweren Fällen sogar nur noch durch einen Abgleich zahnärztlicher Unterlagen.
"Niemand hat sich die Überreste angesehen. Das war uns nicht gestattet", sagte Altaf Taju aus Blackburn, dessen Eltern bei dem Absturz gestorben sind. "Sie sagten nur: 'Das ist deine Mutter oder dein Vater' und gaben uns ein Etikett mit einer ID-Nummer. Wir mussten ihnen glauben."
Von der Zeitung zitierte Regierungsquellen sagten, inzwischen seien britische Experten nach Ahmedabad entsandt worden, "um die konsularischen Maßnahmen des Vereinigten Königreichs zu unterstützen" und "die landesinternen Prozesse zur Identifizierung von Opfern, Bestattungsvorgänge und Hilfsdienste zu verstehen". Ein Regierungssprecher sagte jedoch, die formelle Identifizierung der Leichen obliege den indischen Behörden.
Der Anwalt Healy-Platt hofft indes, dass der britische Premierminister Keir Starmer das Thema beim Großbritannien-Besuch seines indischen Amtskollegen Narendra Modi in dieser Woche zur Sprache bringt. Die Familien stünden in direktem Kontakt mit ihren Abgeordneten, dem Außenministerium und dem Büro des Premierministers, sagte er.
Quelle: ntv.de, mdi