Berufungsverfahren in Nîmes Gisèle Pelicot trifft wieder auf Vergewaltiger
05.10.2025, 10:58 Uhr Artikel anhören
Gisèle Pelicot wurde zu einer Ikone der Frauenbewegung.
(Foto: Clement Mahoudeau/AFP/dpa)
Nach den Urteilen in dem Prozess um die ungeheuerlichen Vergewaltigungen von Gisèle Pelicot hält ein Verurteilter an seiner Berufung fest. In seinem Fall geht es nun erneut um die Frage, ob den Tätern klar sein konnte, dass es sich um Vergewaltigungen handelt.
Ein Jahr nach dem aufsehenerregenden Vergewaltigungsprozess von Avignon trifft die Französin Gisèle Pelicot in einem Berufungsprozess erneut auf einen ihrer mutmaßlichen Vergewaltiger. Von den 51 Angeklagten im ersten Prozess hat nur einer an der Forderung nach einem Berufungsverfahren festgehalten, das nun im südfranzösischen Nîmes beginnt. Die zur feministischen Ikone gewordene Gisèle Pelicot will bei dem auf drei Tage angelegten Prozess anwesend sein.
"Sie hätte sich das gerne erspart, aber sie wird da sein, um klarzumachen, dass eine Vergewaltigung eine Vergewaltigung bleibt", sagte Pelicots Anwalt Antoine Camus. "Es gibt keine 'kleine' Vergewaltigung."
Die heute 72-jährige Gisèle Pelicot war von ihrem damaligen Ehemann Dominique Pelicot über Jahre hinweg immer wieder mit Medikamenten betäubt und von ihm sowie von Männern vergewaltigt worden, die er in Internetforen kontaktiert hatte.
Erotisches Spiel?
Dominique Pelicot hatte sich zu Beginn des ersten Prozesses im vergangenen Jahr geständig gezeigt und erklärt, dass er und alle 50 Mitangeklagten Vergewaltiger seien. Viele der Mitangeklagten argumentierten jedoch, sie seien überzeugt gewesen, sich lediglich an einem erotischen Spiel zu beteiligen, bei dem die Frau sich schlafend stelle.
Dies erklärte auch der 44 Jahre alte Husamettin D., der von Montag an vor Gericht erneut seine Unschuld betonen will. "Ich bin kein Vergewaltiger. Er ist doch ihr Ehemann, ich hätte nie gedacht, dass er seiner Frau so etwas hätte antun können", hatte er im ersten Prozess gesagt. Er habe erst nach einer halben Stunde "verstanden, dass es kein Spiel war" - als Gisèle Pelicot hörbar geschnarcht habe.
Das Gericht in Avignon hatte Husamettin D. in erster Instanz zu neun Jahren Haft verurteilt. Aus gesundheitlichen Gründen musste er seine Haftstrafe bislang nicht antreten. Dominique Pelicot war vom Gericht in Avignon zur Höchststrafe von 20 Jahren Haft verurteilt worden. Er wird in dem Berufungsverfahren als Zeuge auftreten.
Die übrigen Mitangeklagten waren zu Haftstrafen zwischen zwei Jahren auf Bewährung wegen sexueller Nötigung und 15 Jahren wegen mehrfacher Vergewaltigung verurteilt worden. Ursprünglich waren 17 der Männer in Berufung gegangen. Nach und nach entschieden sich alle bis auf Husamettin D. jedoch dagegen - wohl auch, um eine möglicherweise noch härtere Strafe zu vermeiden.
Memoiren Ende Januar
Wegen ihres Muts und der großen Medienaufmerksamkeit für den Prozess war Gisèle Pelicot zu einer Galionsfigur im Kampf für die Frauenrechte geworden. Sie hatte sich für ein öffentliches Verfahren eingesetzt, "damit die Scham die Seite wechselt".
Das französische Parlament will in einer Reaktion auf den Prozess von Avignon demnächst die Definition von Vergewaltigung präzisieren. Die Zustimmung zum Geschlechtsverkehr müsse "freiwillig und bewusst geschehen", steht im entsprechenden Gesetzentwurf. Sie kann demnach nicht aus einem Schweigen oder einer mangelnden Reaktion abgeleitet werden.
Unterdessen hat Gisèle Pelicot seit dem Ende des ersten Prozesses gemeinsam mit einer französischen Journalistin ihre Memoiren geschrieben. Sie sollen in zahlreichen Sprachen erscheinen, auf Deutsch Ende Januar unter dem Titel "Eine Hymne auf das Leben".
Quelle: ntv.de, David Courbet, Philippe Siuberski, AFP