"Urhebern ins Auge schauen" Bürgermeisterin von Florenz ist Opfer von Sex-Plattform
20.09.2025, 11:46 Uhr Artikel anhören
Medienberichten zufolge sollen die Portale ihre Schließung und Löschung aller Inhalte versprochen haben - Sara Funaro wird das ganz sicher prüfen.
In Italien sorgt der Online-Skandal um eine Plattform mit heimlich aufgenommenen Fotos von Frauen weiterhin für Empörung. Die Bilder gingen ohne die Zustimmung der Frauen online, sie wurden teils bearbeitet und mit obszönen und gewalttätigen Kommentaren Hunderttausender Nutzer versehen. Bekannt wurde der Fall durch die Lokalpolitikerin Valeria Campagna, die eigene Fotos auf der Seite entdeckte, Anzeige erstattete und ihr Foto auf Facebook veröffentlichte.
Auch andere betroffene Frauen, wie die Europaabgeordnete Alessandra Moretti, erstatteten Anzeige gegen die Website. Sie hatte herausgefunden, dass seit "Jahren Fotos und Ausschnitte aus Fernsehsendungen, an denen ich teilgenommen habe, gestohlen, verändert und dann Tausenden Nutzern zugänglich" gemacht worden seien. Der Skandal knüpft an den Fall von "Mia Moglie" (Meine Frau) an - einem Facebook-Archiv, in dem mehr als 30.000 Männer heimlich Fotos ihrer Partnerinnen oder anderer Frauen hochgeladen und in einer Voyeur-Community obszön kommentiert hatten.
Auch Sara Funaro, seit 2024 Bürgermeisterin von Florenz, blieb von den Machenschaften nicht verschont. Die 49-Jährige hat einen Master in Klinischer Psychologie und eine Spezialisierung als Psychotherapeutin. Mit ntv.de spricht Funaro über das, was ihr widerfahren ist.

Betroffen sind nicht nur "ganz normale Frauen", sondern auch Promis und Politikerinnen wie Sara Funaro.
(Foto: privat (Wiki))
ntv.de: Sehr geehrte Bürgermeisterin Sara Funaro, wann haben Sie von dem Vorfall erfahren?
Sara Funaro: Erst vor ein paar Tagen, Ende August. Da erfuhr ich, dass Fotos von mir auf einer Online-Plattform missbräuchlich veröffentlicht worden waren.
Einige Betroffene wurden mit Erpressungsversuchen konfrontiert ...
Ich zum Glück nicht.
Wie haben Sie darauf reagiert?
Ich habe sofort Anzeige erstattet. Das habe ich nicht nur für mich getan, sondern für alle Frauen, die Opfer dieser Niedertracht, dieser Verleumdung geworden sind. Es sind schließlich viele Frauen darunter, die weitaus verletzlicher sind als eine Bürgermeisterin, die sich zu wehren weiß. Wir dürfen solche Taten nicht unter den Teppich kehren, denn auch das ist Gewalt. Und vor allem dürfen wir keine Angst oder Scham haben, Anzeige zu erstatten.
Ist im Netz denn alles möglich?
Das Internet ist immer noch eine Welt mit zu wenig Regeln und Kontrollen. Das muss nicht nur auf nationaler, sondern auf internationaler Ebene angegangen werden: Wie man die Bürgerinnen und Bürger im Netz schützt, ist durch diesen Skandal aber nun vielleicht endlich ein dringliches Thema geworden. Ich persönlich habe zum Glück sehr viel Solidarität erfahren, von Frauen, darunter auch anderen betroffenen Politikerinnen, aber auch seitens vieler Männer.
Einer der mutmaßlichen Urheber der Plattform wohnt in Florenz, Ihrer Stadt ...
Das ist unschön. Für uns in Florenz, in der Toskana. Die Ermittler haben glücklicherweise schnell gearbeitet, Personen wurden identifiziert, die Plattformen inzwischen geschlossen. Ich möchte den Urhebern aber einmal ins Auge schauen, ihnen klarmachen, was sie anrichten.
Sie wollen wissen, ob die Urheber ein Unrechtsbewusstsein haben?
Auch das. Am wichtigsten aber ist, dagegen vorzugehen, das schulden wir allen Frauen. Auf diesen Internetseiten zeigt sich ein Frauenbild, welches von uns allen, Männern und Frauen gemeinsam, überwunden werden muss. In der breiten Gesellschaft muss da noch viel getan werden. Ich setze meine Hoffnung hauptsächlich auf die Jugend, die oft weiter ist als wir Erwachsenen. Wir als Institutionen aber müssen unsere Verantwortung wahrnehmen, dürfen nicht schweigen und die Frauen – insbesondere die besonders verletzlichen, die Opfer solcher Situationen – nicht alleinlassen.
Welches Männerbild - des italienischen Mannes - ergibt sich daraus? Auf Facebook sind noch immer Kommentare zu lesen …
Man kann nicht verallgemeinern. Es gibt sehr viele Männer, die grundlegend anders sind als diese. Doch es gibt eine Gesellschaft, über die wir wirklich nachdenken und in der wir viel tun müssen: auf kultureller Ebene und in der Sensibilisierung, für echte Gleichstellung, für echten Respekt gegenüber Frauen und um jede Form geschlechtsspezifischer Gewalt zu überwinden.
Mit Sara Funaro sprach Udo Gümpel
Quelle: ntv.de