Bei Musterung durchgefallen Graz-Täter lebte zurückgezogen und spielte "Ego-Shooter"
12.06.2025, 16:40 Uhr Artikel anhören
Bei dem Amoklauf starben neun Jugendliche vor Ort und eine Lehrerin später im Krankenhaus.
(Foto: Erwin Scheriau/APA/dpa)
Es kommen immer mehr Details über den Amokläufer von Graz ans Licht: So spielte der 21-jährige Täter Ballerspiele und übte auch einige Male am Schießstand. Auch bewarb er sich für das österreichische Heer - das ihn aber ablehnte.
Nach dem Amoklauf an einer österreichischen Schule in Graz mit zehn Todesopfern hat die Polizei noch immer keinen konkreten Hinweis auf ein Motiv, jedoch inzwischen Details zum Tathergang und Täter erlangt. Bei einer Pressekonferenz schilderten die Landespolizei Steiermark und die Staatsanwaltschaft, dass der 21-jährige Österreicher seine ehemalige Schule, ein Oberstufengymnasium, mit einem Rucksack betreten hat. In diesem befanden sich zwei kürzlich legal erworbene Waffen sowie Munition. Es handelte sich um eine Pistole der Marke Glock und eine am Schaft abgesägte Doppelflinte. In einer Toilettenkabine habe er sich einen Waffengurt mit Jagdmesser angelegt, eine Schießbrille und ein Headset aufgesetzt und die Pistole sowie Schrotflinte aus dem Rucksack geholt, sagte Michael Lohnegger, Leiter des Landeskriminalamts Steiermark.
Der Amoklauf am Dienstag dauerte etwa sieben Minuten. Anfangs hat der 21-Jährige im 2. Stock des Gebäudes wahllos auf Menschen geschossen, sagte Lohnegger. Danach sei er in den 3. Stock gegangen und habe die inzwischen von innen verriegelte Tür aufgeschossen. Praktisch zeitgleich mit dem Eintreffen der Polizei habe er sich in den Toilettenräumen mit einem Schuss in den Kopf selbst getötet.
Unter den Toten war auch eine Lehrerin, die ihn früher unterrichtet hatte. Ob dies eine Rolle spielte, ist noch Gegenstand der Ermittlungen. Insgesamt waren zum Tatzeitpunkt 350 bis 400 Personen in der Schule. Munition hatte der Täter laut Lohnegger so viel dabei, dass er noch länger hätte um sich schießen können.
Bei dem Amoklauf starben insgesamt 9 Jugendliche vor Ort. Sie waren nach Angaben der Polizei zwischen 14 und 17 Jahre alt. Die Lehrerin erlag Stunden nach der Tat in einem Krankenhaus ihren schweren Verletzungen. 11 weitere Personen wurden verletzt. Die meisten von ihnen mussten auf Intensivstationen betreut werden, doch ihr Gesundheitszustand sei inzwischen stabil, heißt es vom Krankenhausbetreiber Kages.
Introvertierter Täter spielte gern Schießspiele
Nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei galt der junge Mann als sehr introvertiert. "Er lebte extrem zurückgezogen und war nicht gewillt, an Unternehmungen im Leben draußen, in der realen Welt teilzunehmen", sagte Lohnegger. Er habe viel Zeit im virtuellen Raum verbracht und eine große Leidenschaft für sogenannte "Online-Ego-Shooter" gehabt - ein Computerspiel-Genre, bei dem aus der Ich-Perspektive mit Schusswaffen gekämpft wird.
In dieser Community pflegte er offenbar seine sozialen Kontakte. Hinweise auf konkrete Drohungen oder Unmut gegenüber der Schule gab es bislang nicht. "Somit ist auch noch nicht geklärt, warum diese Schule Opfer dieser Handlung wurde", sagte Lohnegger.
Die Tat führte der Mann allein aus. Die Polizei prüft jedoch, ob er im Vorfeld Unterstützung erhalten hatte. Bei der Hausdurchsuchung am Wohnsitz fanden Ermittler neben einem Abschiedsbrief und einem Abschiedsvideo auch eine nicht funktionsfähige Rohrbombe sowie Anschlagspläne. "Offenbar fehlte ihm die Zeit, eine funktionstüchtige Bombe herzustellen", sagte Lohnegger.
Zudem sei ein handschriftlicher "minutiöser Ablaufplan" entdeckt worden, der auf eine detaillierte Vorbereitung hindeute. "Er hat sich genau darüber informiert und Gedanken gemacht, wann er welches Stockwerk sich vornimmt", sagte Lohnegger über den Amokschützen.
Bei Musterung durchgefallen
Die Waffen hatte der Täter laut dem LKA-Chef legal bei zwei verschiedenen Händlern erworben. Ab März absolvierte er demnach fünf Schießtrainings mit Leihwaffen in einem Grazer Schützenverein. Seit Mitte Mai besaß er nach Angaben der Polizei eine Waffenbesitzkarte - inklusive bestandener psychologischer Eignungsprüfung. Zuvor war der Schütze polizeilich nicht auffällig geworden.
Er wurde allerdings vor einiger Zeit bei seiner Musterung beim österreichischen Bundesheer als psychisch untauglich eingestuft. Getestet wurde demnach die Belastbarkeit des jungen Mannes, "wie verhält man sich bei Gefahr, bei einer möglichen Gefahr, wie verhält man sich in Gemeinschaft mit anderen", sagte der Sprecher des österreichischen Verteidigungsministeriums, Michael Bauer.
Quelle: ntv.de, mpa/dpa/rts/AFP