Panorama

Messerangriff in Regionalzug Haftbefehl erlassen - Täter kam erst kurz zuvor aus U-Haft

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Auf dem Bahnhof von Brokstedt wurde der Täter überwältigt.

(Foto: dpa)

In Schleswig-Holstein herrscht nach dem Messerangriff noch immer Entsetzen und Trauer. Die Kieler Innenministerin Sütterlin-Waack muss eingestehen, dass auch sie noch viele Fragen hat. Der mutmaßliche Täter war für die Behörden jedenfalls kein Unbekannter.

Nach dem Messerangriff in einem Regionalzug in Schleswig-Holstein ist der 33-jährige Täter wegen zweifachen heimtückischen Mordes und vierfachen versuchten Totschlags in Untersuchungshaft genommen worden. Das teilte ein Sprecher der für die Ermittlungen zuständigen Staatsanwaltschaft in Itzehoe mit. Demnach entsprach der zuständige Haftrichter am Amtsgericht dem von der Behörde beantragten Haftbefehl gegen den Mann.

Derweil sind die Hintergründe der Bluttat nach Angaben der Ermittlungsbehörden bisher vollkommen unklar. Für einen terroristischen Hintergrund gebe es "nicht die geringsten Hinweise", sagte der Leiter der Staatsanwaltschaft Itzehoe, Carsten Ohlrogge. Diese warnte "Vermutungen und Spekulationen", es gebe in den Fall viele offene Fragen.

Zuvor hatte Landesinnenministerin Sabine Sütterlin-Waack die Angaben zu den Opfern korrigiert. Bei den Getöteten handele es ich um eine "17-Jährige und einen 19-Jährigen aus der Region", sagte sie. "Die beiden kannten sich." Später ergänzte Bildungsministerin Karin Prien, beide hätten eine Schule in Neumünster besucht.

Angreifer mehrfach straffällig

Die Zahl der Verletzten gab Sütterlin-Waack mit fünf an, bisher war von sieben die Rede. Zwei Menschen seien durch Messerstiche in dem Zug lebensgefährlich verletzt worden, drei weitere schwer. Drei von ihnen werden noch immer im Krankenhaus behandelt. Auch der mutmaßliche Täter sei bei seiner Festnahme in Brokstedt leicht verletzt gewesen, wann er sich diese Verletzungen zugezogen habe, sei aber noch unklar.

Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich, der Ministerin zufolge, um einen 33-jährigen staatenlosen Palästinenser. Ibrahim A. sei im Dezember 2014 nach Deutschland eingereist. Der Mann habe zunächst seinen Lebensmittelpunkt in Nordrhein-Westfalen gehabt und sei sowohl in NRW, als auch in Hamburg straffällig geworden. Kurz vor dem Messerangriff war er aus der U-Haft in Hamburg entlassen worden. Bei seiner Festnahme hatte er größere Mengen Gepäck dabei, das jetzt untersucht wird. Zur Tatwaffe wurden keine Angaben gemacht, um möglich Zeugenaussagen nicht zu verfälschen.

Motiv völlig unklar

Die CDU-Politikerin warnte vor vorschnellen politischen Forderungen. "Aufgrund des sehr dynamischen Tatverlaufs ist vieles unklar", sagte sie. Ergebnisse einer Vernehmung des mutmaßlichen Täters gebe es noch nicht, sodass die Hintergründe noch unklar seien und man nichts zum Motiv sagen könne. "Auch ich habe viele Fragen", sagte die Ministerin.

Der Leitende Oberstaatsanwalt , Ohlrogge, widersprach Medienberichten, dass es sich bei dem Festgenommenen um einen Intensivtäter handele. Der 33-Jährige habe drei Vorstrafen gehabt, eine Verurteilung wegen eines anderen Messerangriffs war noch nicht rechtskräftig. Deshalb sei die Entlassung aus der U-Haft angeordnet worden. A. habe dann eine Zeitlang in einer Gemeinschaftsunterkunft in Kiel gelebt, dort aber wegen zahlreicher Verstöße gegen die Hausordnung zuletzt Hausverbot gehabt. Zuletzt war er demnach obdachlos, die Kieler Behörden vermuteten ihn jedoch überwiegend in Hamburg.

Den letzten Kontakt hatten Kieler Behörden mit dem Tatverdächtigen laut Stadtkämmerer Christian Zierau am Tag des Messerangriffs. Demnach war Ibrahim A. an einem Infopunkt in der Ausländerbehörde der Stadt vorstellig geworden, um eine Aufenthaltskarte zu beantragen. Weil sein Aufenthaltsort ungeklärt war, sei er jedoch an das Einwohnermeldeamt und die Obdachlosenhilfe verwiesen worden. Den Mitarbeitenden der Stadt Kiel seien bei diesem Kontakt keine Auffälligkeiten im Verhalten von A. aufgefallen. Auch bei seiner Festnahme habe er sich ruhig verhalten.

Wegen seiner Rechtsverstöße hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BamF) gegen den Mann ein Verfahren eingeleitet, durch das er seinen subsidiären Schutz verlieren sollte. Dieses Widerrufs- und Rücknahmeverfahren habe im November 2021 begonnen. Bisher sei er aber nicht ausreisepflichtig gewesen. Weil er staatenlos ist, müsste sich für den Fall einer angeordneten Abschiebung ein Staat bereiterklären, ihn aufzunehmen.

Quelle: ntv.de, sba/jwu

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