Unfälle durch BetrunkeneHat der E-Scooter ein Alkoholproblem?

Alkoholeinfluss ist die häufigste Unfallursache bei elektrischen Tretrollern. Weil dabei häufig Kopfverletzungen auftreten, fordert die Gewerkschaft der Polizei eine Helmpflicht. Und kritisiert: E-Scooter seien "nicht zu einem alternativen Transportmittel", sondern zu einem "Spaßfaktor" geworden.
Ein paar Bier mit den Freunden am Abend und dann ab auf dem E-Scooter nach Hause: Betrunkene E-Scooter-Fahrer sorgen immer wieder für schwere Unfälle. Als "desaströs und enthemmt" brandmarkte die Kölner Polizei vor einigen Tagen erst das Verhalten der E-Scooter-Fahrer in der Millionenstadt am Rhein. Allein an einem Wochenende seien bei Unfällen mit den Rollern sechs Menschen schwer und zehn weitere leicht verletzt worden - bei allen Schwerverletzten und vier Leichtverletzten sei Alkohol im Spiel gewesen.
Auch deutschlandweit zeigt sich: Alkohol scheint für viele E-Scooter-Fahrer nicht tabu zu sein. Laut Statistischem Bundesamt war Alkoholeinfluss 2020 die häufigste Unfallursache bei E-Scootern. Bei Unfällen mit Verletzten zählte das Amt im vergangenen Jahr 2355 Fehlverhalten bei E-Scooter-Nutzern, 18,3 Prozent davon fielen auf das Fahren unter Alkoholeinfluss. Zum Vergleich: Bei Fahrradfahrern machte Alkoholkonsum nur 7,1 Prozent des Fehlverhaltens aus.
Angesichts der steigenden Zahl von Unfällen mit E-Scootern fordert der Landesverband der Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Einführung einer Helmpflicht. Verkehrsexperten sind zudem zwei Jahre nach der Zulassung der Fahrzeuge für den Straßenverkehr nicht überzeugt, dass sie zu einer Mobilitätswende beitragen können. Die E-Scooter seien "nicht zu einem alternativen Transportmittel" geworden, sondern hätten sich in den Großstädten zu einem "Spaßfaktor" entwickelt, sagt der GdP-Landesvorsitzende Michael Mertens der "Neuen Ruhr/Neuen Rhein Zeitung". Da die Sturzgefahr "extrem groß" sei und häufig bei Stürzen Kopfverletzungen aufträten, "haben wir die klare Forderung, dass eine Helmpflicht eingeführt wird", sagt der Polizeigewerkschafter.
Der ADAC Nordrhein wirbt dafür, in den Innenstädten E-Scooter nötigenfalls ab 23 oder 24 Uhr abzuschalten, um "den enthemmten Party- und Freizeitverkehr mit Alkoholfahrten in den späten Abend- und Nachtstunden zu unterbinden", so ein Sprecher.
Fußgänger fühlen sich gestört
Auch Roland Stimpel vom Fußgängerverband Fuss e.V. schimpft. Er sagt, vor allem E-Scooter zum Leihen seien ein Problem. "Sie werden nach unserer Beobachtung oft illegal genutzt - zu zweit, betrunken, von Kindern unter 14, auf Gehwegen, Plätzen und in Parks. Vor allem junge Nutzer machen sich einen Spaß daraus, um Fußgänger Slalom zu fahren."
E-Scooter prägen erst seit einigen Jahren das Bild in Großstädten. Viele Menschen schätzen sie auch, um morgens flugs zur Arbeit zu zischen, ohne sich auf einem Rad abstrampeln zu müssen. Das Thema Alkohol droht allerdings angesichts von Unfallbilanzen und Klagen anderer Verkehrsteilnehmer zum Imageproblem zu werden. Muss sich also etwas ändern?
Fragt man Lars Zemke, den Vorsitzenden des Bundesverbandes Elektrokleinstfahrzeuge, verweist dieser darauf, dass das "empfindliche Thema Alkoholkonsum" vonseiten des Gesetzgebers nur halb zu Ende gedacht worden sei. "Ja, es ist nicht vertretbar, unter Alkoholeinfluss am Straßenverkehr teilzunehmen. Aber die Promillegrenzen orientierten sich nach unserer Beobachtung meist an Gewicht und Geschwindigkeit eines Fahrzeugs", sagt Zemke. Eine These lautet: Nutzer nehmen E-Scooter wegen ihres Aussehens und ihres Gewichts eher wie ein Fahrrad wahr.
Promillegrenze wie für Autofahrer
Beim Alkoholkonsum gelten für E-Scooter-Fahrer aber dieselben Promillegrenzen wie für Autofahrer. Heißt: Ab 0,5 Promille begehen die Nutzer eine Ordnungswidrigkeit. Bei Fahrradfahrern liegt die Promillegrenze deutlich höher: Wer mit mehr als 1,6 Promille erwischt wird, begeht eine Straftat. Fährt der Radfahrer allerdings unauffällig und baut keinen Unfall, darf er bis zu diesem Grenzwert Fahrrad fahren. Entsprechend wird es auch dokumentiert, geschieht ein Unfall. "Man muss deshalb aufpassen, dass man den Alkohol als Unfallursache nicht überbewertet, denn auf dem Fahrrad gelten viel höhere Grenzwerte und das wären alles keine Alkoholunfälle", sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer.
Die Plattform Shared Mobility, ein Zusammenschluss von E-Scooter-Verleihern, unterstützt allerdings die geltenden Grenzwerte. "Die Anbieter ergriffen schon früh entsprechende Maßnahmen, um die Nutzerinnen und Nutzer zu sensibilisieren und Fahrten unter Alkoholeinfluss zu vermeiden", teilt Christoph Egels, Sprecher der Facharbeitsgruppe Mikromobilität, mit. Die Verleih-Firmen veranstalten nach Angaben der Plattform regelmäßig Fahrsicherheitstrainings und integrieren Sicherheitshinweise zum verantwortungsbewussten Umgang mit den Scootern in ihren Apps.
Unfallforscher Brockmann warnt davor, beim Thema Alkohol in hektischen Aktionismus zu verfallen. "Alkohol ist nicht die Hauptunfallquelle, auch wenn es durchaus eine Unfallursache sein kann." Insgesamt ähnele das Unfallgeschehen von Scootern stark dem des Fahrrads: Fahren in die falsche Richtung und das Benutzen von falschen Verkehrsflächen. "Auf dem Gehweg fahren, das machen die Nutzer dann, wenn kein Fahrradweg da ist." Die Zahlen des vergangenen Jahres seien nur auch bedingt aussagekräftig. "Corona greift heftig in die Statistik ein. Auf den Straßen sind zum größten Teil Mietfahrzeuge unterwegs, die Hauptnutzergruppe sind Touristen", sagt Brockmann. "Und die sind in den letzten beiden Jahren ausgeblieben."