Missbrauchskomplex Münster Hauptangeklagter muss 14 Jahre in Haft
06.07.2021, 09:30 Uhr
Im Hauptverfahren um den Missbrauchskomplex Münster spricht das Gericht hohe Haftstrafen aus. Der 28-jährige Hauptangeklagte muss 14 Jahre ins Gefängnis und danach in Sicherungsverwahrung. Er hatte sich jahrelang an Kindern vergangen. Auch andere Täter müssen lange in Haft.
Im Missbrauchskomplex von Münster ist der 28-jährige Hauptangeklagte wegen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 29 Fällen zu 14 Jahren Haft verurteilt worden. Für die Zeit danach ordnete das Landgericht Münster für den IT-Techniker wegen Wiederholungsgefahr Sicherungsverwahrung an. Er gilt als Schlüsselfigur in dem Prozess mit vier weiteren Angeklagten.
Die Urteile für die anderen Männer lauten: 10 Jahre Haft für einen 36-Jährigen aus Hannover für 4 Fälle, 11 Jahre und 6 Monate für einen 43-jährigen Mann aus Schorfheide in Brandenburg für 5 Fälle und 12 Jahre für einen 31-Jährigen aus dem hessischen Staufenberg für 6 Fälle.
Auch für diese Männer ordnete das Gericht Sicherungsverwahrung an. Damit folgte es weitestgehend der Forderung der Staatsanwaltschaft. Wegen Beihilfe soll die 46-jährige Mutter des IT-Technikers für 5 Jahre ins Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft hatte auf 6 Jahre plädiert. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. In dem nun zu Ende gehenden Prozess wurden nach Gerichtsangaben während der mehr als 50 Verhandlungstage 70 Zeugen vernommen, sieben Sachverständige sagten aus. Die Akten umfassen insgesamt 20.000 Seiten.
"Nur die Spitze des Eisbergs"
Die Angeklagten reagierten weitestgehend regelungslos auf die Urteile. Zur Begründung beschrieb der Vorsitzende Richter Matthias Pheiler die zum Teil schweren Missbrauchstaten, verzichtete aber zum Schutz der Opfer auf drastische Details der Vergewaltigungen. Das Gericht spricht von absolut verstörenden Taten. "Das übersteigt alles, was dieser Kammer bislang vorgelegt wurde", sagte Pheiler in der Urteilsbegründung. Die Taten seien gewohnheitsmäßig und mitleidslos erfolgt. Die auf einem Beweisvideo aus der Gartenlaube zu hörenden Dialoge hätten einen verstörenden Gesamteindruck hinterlassen.
Bei den angeklagten Taten handelt es sich nach Einschätzung des Gerichts besonders im Fall des IT-Technikers Adrian V., der im Prozess zu den Vorwürfen schwieg, nur um die Spitze des Eisbergs. Während der Verhandlung sei weiteres Material durch die Polizei entschlüsselt worden. Auf den Aufnahmen seien Täter und Opfer zum Teil eindeutig anhand von unverwechselbaren Körpermerkmalen zu erkennen gewesen.
Die Haftstrafe für die Mutter des IT-Technikers begründete das Gericht mit dem nachweislichen Wissen der Frau. Sie wusste demnach, dass es in der Gartenlaube zum schweren sexuellen Missbrauch gekommen war. Sie hatte ihrem Sohn die Laube zur Verfügung gestellt. Als Beweis zitierte Pheiler aus Chatverläufen und einer Aufnahme in der Laube bei einem Frühstück. "Sie wusste von der Pädophilie ihres Sohnes, sie war über den Missbrauch informiert", sagte das Gericht. Die Frau wusste aber wohl nicht, dass die Männer die Opfer zum Teil für die Taten betäubt hatten. Das wertete das Gericht strafmildernd.
Reul: Ermittlungsende nicht absehbar
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul sagte ntv noch vor dem Urteilsspruch, dieser sei ein "wichtiges Etappenziel in einem besonders brutalen Fall mit vielen Mittätern". Der Minister betonte: "Gleichzeitig spornt er uns an, im Kampf gegen Kindesmissbrauch nicht nachzulassen."
Gleichzeitig sagte Reul, dass ein Ende der Ermittlungen in den Kindesmissbrauchskomplexen von Lügde, Bergisch Gladbach und Münster nicht absehbar sei. "Und ich befürchte, irgendwann gibt es dann wieder einen neuen Tatkomplex", sagte er dem Rundfunksender WDR 5. Die Ermittler hätten inzwischen vier Petabyte an Daten gesammelt. Diese Menge entspreche etwa einem 8000 Meter hohen Turm mit CDs.
Das Land habe für die Ermittlungen rund 32 Millionen Euro in neue Technologien investiert, das Personal sei vervierfacht und die Polizeistellen seien miteinander vernetzt worden, sagte Reul. Es gebe jetzt auch eine Software auf Basis von Künstlicher Intelligenz. "Die lernt jeden Tag mehr dazu." Die Menge der Daten könne nun zwar etwas schneller eingegrenzt werden. Aber beim Erkennen von gleichen Gesichtern sei die Software "noch nicht gut genug". Am Ende aber säßen da immer noch Polizistinnen und Polizisten, die sich die Bilder anschauen müssten, sagte der Minister. Er sei sehr dankbar, dass es immer noch Polizisten gebe, die das machten. Die meisten seien junge Frauen. "Das ist eine Belastung, die ist unvorstellbar."
Münster ist neben Lügde und Bergisch Gladbach einer von drei großen Missbrauchsfällen der vergangenen Jahre in Nordrhein-Westfalen. Der Fall kam im Juni 2020 nach Ermittlungen in einer Gartenlaube ans Licht. Im Zuge dessen hatte es in mehreren Bundesländern und im Ausland Festnahmen gegeben. In dem Komplex wurden bereits fünf Männer zu Freiheitsstrafen verurteilt. Insgesamt wurden durch die Ermittler mehr als 50 Tatverdächtige identifiziert, von denen derzeit etwa 30 in U-Haft sitzen.
Quelle: ntv.de, mli/dpa