Sucht und Elend Horrordroge Crack in deutschen Großstädten auf dem Vormarsch
18.02.2024, 09:13 Uhr Artikel anhören
Seit Monaten breitet sich Crack in Deutschland massiv aus. Die gefährliche Billigdroge wirkt innerhalb weniger Sekunden und macht so schnell psychisch abhängig wie kaum eine andere Droge. Vor allem in Innenstädten wird die Sucht sichtbar, wie in Düsseldorf.
Hulio ist vielleicht Anfang 20. Sie trägt eine rosa Mütze, eine viel zu große Handtasche und kaut umständlich ein Goudabrot. Wenn sie im Crackrausch ist, spürt sie Freude, Energie und Euphorie, berichtet sie ntv. Da seien dann keine Probleme. Wie sie ihren Konsum finanziert, möchte sie lieber nicht sagen. Angst vor der Droge hatte sie nie. "Beim ersten Mal wusste ich überhaupt nicht, was das ist", sagt sie und lacht. Und schiebt nachdenklich hinterher: "Das macht so gierig!"
Rund um den Worringer Platz, mitten in Düsseldorf, ist die junge Frau eine von vielen. Der weitläufige Verkehrsknotenpunkt mit ein paar Sitzgelegenheiten ist ein Treffpunkt für diejenigen, die irgendwohin müssen mit ihrer Sucht. Und es werden immer mehr. Offizielle bundesweite Zahlen gibt es nicht, aber Burkhard Blienert, der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, bestätigt: "Wir haben in verschiedenen westdeutschen Großstädten ein ernsthaftes Crack-Problem und die Tendenz ist steigend."
In den Drogenkonsumräumen in Nordrhein-Westfalen wird mehr Crack geraucht, berichtet Dorothee Mücken von der Suchtkooperation NRW. Crack und seine Variante Freebase seien "in der Breite angekommen und nicht mehr nur auf einzelne Szenen beschränkt", sagt auch Markus Lahrmann von der Caritas NRW.
Das zeigen auch ntv-Recherchen in Düsseldorf. Direkt am Worringer Platz gibt es einen Drogenkonsumraum. Hier dürfen Menschen legal die Droge nehmen, es ist betreutes Crack rauchen. Patrick Pincus ist Bereichsleiter der Drogenhilfe. 2016, sagt er, habe es hier noch wenige Hundert Konsumvorgänge mit Crack gegeben. 2023, so die kürzlich von der Düsseldorfer Drogenhilfe e.V. veröffentlichten Zahlen, waren es knapp 32.000. Es ist offensichtlich: In Deutschland wächst das Crack-Problem.
Billig und potenziell tödlich
Crack ist eine rauchbare Form von Kokain. Das Pulver, also das Kokainsalz, wird mit Natron aufgekocht und getrocknet. Der Crackstein, der entsteht, wird in der Pfeife geraucht. Innerhalb von acht bis zehn Sekunden kann die Droge wirken, nach frühestens zehn Minuten lässt der Trip üblicherweise nach. Sie kann Wahnvorstellungen, Halluzinationen oder Psychosen auslösen. Nach der Einnahme ist das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko um das Zehnfache erhöht. Es kann zum Atemstillstand kommen. Lungen, Mund-Rachen-Raum und Zähne werden geschädigt, und das Gehirn schrumpft schneller.

(Foto: RTL)
Die Doku jetzt auf RTL+ ansehen
Experten glauben: Der Konsum steigt in Deutschland auch, weil der Preis oft recht stabil ist. Ein Pfeifenkopf kostet häufig um die 6 Euro, das ist recht günstig. Es wird angenommen, dass das Kokain auch verhältnismäßig rein ist, also kaum gestreckt. Denn es gibt in Europa so viel von der Droge auf dem Markt, dass es sich für die Dealer oft kaum lohnt, Zeit ins Strecken zu investieren. Lieber suchen sie sich schnell den nächsten Käufer, um den Gewinn zu steigern.
Und so braut sich vor allem in Großstädten ein giftiges Gemisch aus Not, Elend und Verzweiflung zusammen. Ein Problem, das auch die Anwohner belastet. Am Worringer Platz in Düsseldorf etwa verbarrikadieren sie ihre Hauseingänge, trauen sich bei Dunkelheit nicht mehr vor die Tür. Und das mitten in einer der reichsten Städte Deutschlands, 19 Fußminuten entfernt von der Königsallee, der wohl bekanntesten Luxusstraße des Landes.
Darüber, wie das Crack-Problem gelöst werden kann, gibt es viele Meinungen. Die Politik spricht von Prävention und Kontrollen, von Aufklärung und Strafverfolgung. In Düsseldorf haben sie zumindest punktuell eine Lösung gefunden. Monatelang haben viele der wohnungslosen Crack-Konsumenten am Worringer Platz in einer verlassenen Baugrube gehaust, die inzwischen geräumt ist. Die Menschen wurden vertrieben. Kommende Woche sollen sie in einer Notunterkunft unterkommen. Damit haben sie zwar ein Dach über dem Kopf, ihre Suchtkrankheit aber wird wohl bleiben.
Hulio wird diese Diskussionen nicht mehr miterleben. Wenige Wochen nach dem Interview starb die junge Frau. An einer Überdosis.
Quelle: ntv.de