Wer ist Maximilian Eder? Italien liefert "Reichsbürger"-Schlüsselfigur aus


Das Uniformtrageverbot der Bundeswehr ignorierte Eder regelmäßig.
(Foto: imago images/Schreyer)
Bevor er abgedriftet ist, war Maximilian Eder sein Leben lang Staatsdiener: erst als Soldat, dann als Mitbegründer des KSK. Mit diesen Kontakten schafft er es in der mutmaßlichen Terrorgruppe um Heinrich XIII. ganz nach oben. Als diese im Dezember zerschlagen wird, kann er vorerst entkommen.
Sie waren fest entschlossen, den Staat zu stürzen, Bundestagsabgeordnete festzunehmen und ihren Vorsitzenden, Heinrich XIII. Prinz Reuß, zum neuen Regenten Deutschlands zu küren. Doch bevor die Anhänger der rechtsextremen "Reichsbürger"-Gruppierung zum großen Staatsstreich ansetzen konnten, kamen ihnen die Behörden zuvor: Nach einer Großrazzia im vergangenen Dezember wurden 25 Mitglieder jener mutmaßlichen Terrorgruppe festgenommen. Ein Verdächtiger saß jedoch noch immer nicht vor einem deutschen Richter. Und das, obwohl er in der Gruppe um Heinrich XIII. offenbar eine Schlüsselrolle innehatte.
Maximilian Eder aus der bayerischen Gemeinde Eppenschlag setzte sich vor der Durchsuchung nach Italien ab. Die dortigen Behörden nahmen den 63-Jährigen am Tag der großen Razzia aufgrund eines internationalen Haftbefehls im mittelitalienischen Perugia fest - seitdem sitzt er wegen des Verdachts auf staatsfeindliche Aktivitäten im italienischen Gefängnis. Die Auslieferung des Mannes zog sich ungewöhnlich lang hin. "Wir warten immer noch", hieß es von der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe Mitte Januar. Nun, rund zehn Wochen nach der Razzia, hat sie Erfolg: Eder wird Berichten zufolge an diesem Donnerstag ausgeliefert und einem deutschen Haftrichter vorgeführt.
Soldat durch und durch
Der Ex-Bundeswehroberst soll die militärischen Strippen der rechtsextremen Geheimgesellschaft gezogen haben. Sein Wissen und sein Netzwerk aus der Zeit bei den Truppen kommen ihm dabei offenbar zugute. So war Eder, der mit der Zeit immer weiter in Verschwörungs- und verfassungsfeindliche Theorien abgedriftet ist, beinah sein ganzes Leben genau das Gegenteil: ein Staatsdiener. 1999 folgt er einer Entscheidung des Deutschen Bundestages, als er sein Panzergrenadierbataillon in den Kosovo und damit in den ersten Kriegseinsatz der Bundeswehr führt.
Auch ist er Mitbegründer des Kommandos Spezialkräfte - jener Elitetruppe der Bundeswehr, die wegen rechtsextremer Vorfälle immer wieder in den Schlagzeilen landet. "Ich war dort der dritthöchste Rang", prahlt der Pensionär im vergangenen Jahr stolz auf einer Veranstaltung in Baden-Baden, wie das Nachrichtenportal "Badische Neueste Nachrichten" berichtete. Eder, das wird nach einem kurzen Blick auf seinen Lebenslauf deutlich, ist ein eingefleischter Militär. Obwohl er nicht mehr im Dienst ist, trägt er die Uniform noch heute - als Redner ist er oft mit einem roten Barett, der Kopfbedeckung der Bundeswehr, zu sehen. Über eine Sache spricht der Ex-Soldat jedoch weniger gern: das Ende seiner militärischen Karriere.
Zuletzt ist der grauhaarige Mann mit den schmalen Augen und dem Schnauzbart Verbindungsoffizier der NATO in Georgien. Dort konzentriert er sich laut den "Badischen Neuesten Nachrichten" allerdings weniger auf Geopolitik als vielmehr auf seine eigenen Geschäfte. Eder will etwa Bier aus Bayern in die georgische Hauptstadt Tiflis importieren, nach mehreren fehlgeschlagenen Geschäften hat er jedoch hohe Mietschulden. "Der Max hat ständig halbseidene Geschäfte mit halbseidenen Partnern gemacht. Als Repräsentant der westlichen Demokratie hat er einen desaströsen Eindruck hinterlassen", zitiert die Zeitung einen ehemaligen Geschäftspartner von Eder. Schließlich sei ihm nahegelegt worden, in den vorzeitigen Ruhestand zu gehen. Von da an beginnt die Radikalisierung des einst staatstreuen Mannes.
Eder spricht von "satanischen Ritualen an Kindern"
Größere Aufmerksamkeit bekommt dies erstmals in der Corona-Pandemie. Die Maßnahmen der Regierung, etwa die Maskenpflicht an Schulen oder die Impfpflicht, hält Eder für ein Verbrechen. Der ARD sagt er damals, dass seine "Freiheitsbewegung" vermeintliche Beweise gegen die Verantwortlichen sammle. Nach und nach nimmt sein Hass auf "die Verantwortlichen" zu: "Man müsste das KSK mal nach Berlin schicken und hier ordentlich aufräumen, dann könnt ihr mal sehen, was die können", hetzt er bei einem Corona-Protest im Sommer 2021. Für die Sicherheitsbehörden ist diese Rede der entscheidende Moment, den Ex-Offizier zu beobachten.
Dies hält Eder jedoch kaum von einer weiteren Radikalisierung ab. Schnell wird er zum Star der "Querdenker"-Szene, in Ravensburg wird er von knapp 2000 Anhängern bejubelt, als er behauptet, dass man "einen Krieg mit den Leuten, mit dem Staat, die uns dirigieren und drangsalieren" führe. Auch gehört Eder zu dem Verschwörungsnetzwerk, das nach der Flutkatastrophe in Ahrweiler im Sommer 2021 ein angebliches Hilfswerk in einer Schule errichtet. Im Auftrag von Bodo Schiffmann, Arzt und Idol der Querdenker-Szene, tritt der Pensionär ARD-Recherchen zufolge im Flutgebiet als Offizier auf: In seiner ehemaligen Uniform kommandiert er Veteranen, erteilt Befehle und spricht - ganz im Militärjargon - von seinem "Stab" für Fluthilfe. Eder ignorierte das Uniformtrageverbot nach "Spiegel"-Angaben ganz bewusst - auch Ermittlungen gegen ihn wegen Amtsanmaßung lassen ihn unbeeindruckt.
Die Reden des Obersts außer Dienst strotzen nicht nur vor Demokratiefeindlichkeit, sondern auch vor Verschwörungstheorien. So berichtet Eder in Baden-Baden von Eliten und "satanischen Ritualen an kleinen Kindern und jungen Frauen, die in unterirdischen Katakomben im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet" gequält würden. Eder bildet damit das europäische Pendant zur US-amerikanischen "QAnon"-Gruppe, die ähnliche Thesen verbreitet und Ex-Präsident Donald Trump für den Bekämpfer dieser Elite hält. "Das ist eine Realität, die ich beweisen kann", sagt Eder damals.
"Hilfsbereit und zurückhaltend"
Im vergangenen Winter spitzen sich die Ankündigungen des Ex-Soldaten schließlich zu. Eder kündigt - beinah wortwörtlich - einen Staatsstreich an. "Wir werden bald einen Riesen Umbruch haben", sagt er in seiner Adventsbotschaft, wie der "Tagesspiegel" berichtet. Er hoffe sehr, dass dies noch vor Weihnachten 2022 geschehe. Eder befindet sich bei der Aufnahme des Videos bereits im Ausland. Schon wenige Tage später soll Schluss sein mit dem Traum vom Umbruch - bei dem Ex-Soldaten klicken die Handschellen. Ein Post am frühen Morgen des gleichen Tages auf seinem Telegram-Kanal, in dem er "Nürnberg 2.0" für sämtliche Behördenleiter in Deutschland ankündigte, sollte schließlich sein bisher letzter bleiben.
Auch sein Haus in Eppenschlag wird von Ermittlern durchsucht. Die Nachbarschaft ist jedoch wenig überrascht. Eder sei hochintelligent, nutze dies jedoch gegen den Rechtsstaat, sagte der Bürgermeister dem Bayerischen Rundfunk. In der Gemeinde galt er trotzdem als hilfsbereit, wenn auch eher zurückhaltend. "Für mich ist er ein Mensch, der Probleme hat, sich im zivilen Leben zurechtzufinden", macht eine Nachbarin gegenüber dem ZDF deutlich. Denn: "Er denkt weiterhin wie ein Soldat."
Genau das macht sich das Netzwerk um Heinrich XIII. zum Vorteil: Eder gehört neben zwei weiteren Soldaten zum Führungsstab des "militärischen Arms" der Gruppe. Als ehemaliger hochrangiger Militär kennt er die Strukturen der Sicherheitsbehörden und hat Kontakte. Schon der Querdenker Schiffmann betont bei den Corona-Protesten gegenüber der ARD, wie wertvoll Eders Freunde "aus der Militärzeit" seien.
Italien setzte Auslieferung aus
Der gute Draht in die Sicherheitskreise wäre eine Erklärung, dass der Rechtsextremist im vergangenen Winter von der anstehenden Razzia weiß, bevor diese stattfindet. So warnt er seine Nachbarin bereits eine Woche zuvor davor, wie die "Passauer Neue Presse" berichtet. Der ehemalige Kriminalbeamte und Bundestagsabgeordnete Sebastian Fiedler hält es im ZDF allerdings für wahrscheinlicher, dass Eder auf die engmaschige Beobachtung durch Ermittler aufmerksam geworden sei und etwas geahnt habe.
Ob durch Zufall oder Kontakte, den deutschen Ermittlern kann Eder jedenfalls rechtzeitig entgehen. Zwar beschließt ein Gericht in Perugia bereits am 19. Dezember die Auslieferung des Inhaftierten, es setzt diese jedoch wenig später wieder aus. Der Grund: Eder klagt gegen die Auslieferung - sowohl in Italien als auch vor dem Europäischen Gerichtshof, schreiben die "Badischen Neuesten Nachrichten". Er fordert politisches Asyl und schafft es so, dem Verfahren in Deutschland über zwei Monate lang zu entgehen. Selbst Eders Anwalt hält eine solch lange Prüfung für ungewöhnlich, wie dieser im ZDF sagt. Vor allem angesichts der politischen Bedeutung des Falls.
Nun aber hat das italienische Gericht Eders Rechtsmittel endgültig abgewiesen - der Ex-Soldat wird abgeschoben. Ab heute liegt in den Händen der Richter in Karlsruhe, wie es mit Eder weitergeht. Bis zu seinem Verfahren könnte er, wohl gegen Auflagen, freikommen. Die Chance ist jedoch groß, dass Eder seine U-Haft in einem deutschen Gefängnis fortsetzt. Etwa, wenn der Richter bei ihm Flucht- oder Verdunkelungsgefahr feststellt.
Quelle: ntv.de