Panorama

Deutsche Studie zu Corona Jeder fünfte Patient im Krankenhaus starb

Patienten, die wegen eines schweren Verlaufs von Covid-19 in einer Klinik beatmet werden müssen, haben laut der Studie nur eine knapp 50-prozentige Überlebenschance.

Patienten, die wegen eines schweren Verlaufs von Covid-19 in einer Klinik beatmet werden müssen, haben laut der Studie nur eine knapp 50-prozentige Überlebenschance.

(Foto: picture alliance/dpa)

Erfolgreiche Behandlungen, geringe Sterblichkeitsrate: Deutschland hat das Coronavirus gut im Griff. Doch Selbstzufriedenheit ist fehl am Platz. Denn eine neue Studie zeigt, wie hart der Kampf in den Klinken in den vergangenen Monaten war.

Deutschland hat die Corona-Pandemie bisher besser gemeistert als viele andere Staaten. Vor allem die hohe Kapazität an Intensivbetten und die gute medizinische Versorgung von Covid-19-Patienten beeindruckt das Ausland. Doch Selbstzufriedenheit ist fehl am Platz. Denn eine neue Studie zeigt, wie hoch die Sterblichkeit in den gut ausgestatteten deutschen Krankenhäuser bei schweren Verläufen tatsächlich ist: Gut ein Fünftel der Corona-Patienten, die im Frühjahr in deutschen Kliniken aufgenommen wurden, starben. Beatmungsgeräte rettete zudem nicht einmal der Hälfte der Betroffenen das Leben. Das ist das Ergebnis einer Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (Wido), der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und der Technischen Universität Berlin, die jetzt im medizinischen Fachmagazin "The Lancet Respiratory Medicine" veröffentlicht wurde.

Zum Anfang der Pandemie seien viele geschockt gewesen, wie hoch die Sterblichkeit der an Covid-19 erkrankten Patienten war, sagte Reinhard Busse, Professor für Management im Gesundheitswesen an der TU Berlin und einer der Mitautoren der Studie, dem "Tagesspiegel". Nun gebe es endlich Zahlen, die das etwas genauer beleuchten. "Es zeigt sich, dass die manchmal sichtbare Selbstzufriedenheit der Intensivmediziner, hierzulande erfolgreicher behandelt zu haben, nicht ganz gerechtfertigt war."

Für die Untersuchung haben die Studienautoren die Abrechnungsdaten der AOK von rund 10.000 Patienten mit bestätigter Covid-19-Diagnose ausgewertet, die zwischen dem 26. Februar und 19. April 2020 in 920 deutschen Krankenhäusern behandelt wurden. Insgesamt wurden 1727 stationär behandelte Covid-19-Patienten künstlich beatmet, von denen rund 900 - also mehr als die Hälfte - starben. Die übrigen 8294 Patienten wurden ohne Beatmung versorgt. Von ihnen überlebten 16 Prozent nicht.

"Die hohen Sterblichkeitsraten machen deutlich, dass in den Kliniken relativ viele Patienten mit einem sehr schweren Krankheitsverlauf behandelt wurden. Diese schweren Verläufe betreffen eher ältere und gesundheitlich bereits beeinträchtigte Menschen, kommen aber auch bei jüngeren Patienten vor", sagte Wido-Geschäftsführer Jürgen Klauber.

Männer müssen öfter beatmet werden

So hatten beispielsweise 24 Prozent der Patienten ohne Beatmung Herzrhythmusstörungen, bei den beatmeten Patienten waren es mit 43 Prozent fast doppelt so viele. "Eine Diabetes-Erkrankung lag bei 26 Prozent der Patienten ohne Beatmung und bei 39 Prozent der Patienten mit Beatmung vor", heißt es in der Studie. Der Anteil der verstorbenen Über-80-Jährigen, die beatmet wurden, liegt bei 72 Prozent, die der Nichtbeatmeten dieser Altersgruppe bei 34 Prozent.

Interessante Ergebnisse liefert die neue Corona-Studie auch bei der Verteilung zwischen den Geschlechtern. Der Anteil der beatmeten Männer lag bei 22 Prozent und war damit doppelt so hoch wie bei den Frauen. Aus den Abrechnungsdaten lasse sich dieser deutliche Unterschied nicht erklären. Hier bestehe weiter Forschungsbedarf, erläutert Christian Karagiannidis von der Lungenklinik Köln-Merheim. Die Sterblichkeit bei Männern und Frauen unterschied sich hingegen nur um sechs Prozentpunkte und lag somit auf einem vergleichbaren Niveau - 25 Prozent der Männer und 19 Prozent der Frauen starben.

Die Sterblichkeit der im Krankenhaus behandelten Covid-19-Patienten sei in Deutschland durchaus vergleichbar mit anderen europäischen Ländern, erklärte Co-Autor Busse dem "Tagesspiegel". Es gebe aber einen entscheidenden Unterschied: "In Deutschland wurde ein größerer Anteil der mit dem Coronavirus infizierten Menschen vom Krankenhaus ferngehalten." Nur etwa jeder fünfte Covid-19-Patient kam in eine Klinik, in Frankreich waren es dagegen fast 70 Prozent.

Derzeit sind laut dem Divi-Intensivregister noch 258 Covid-19-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung, davon wird knapp die Hälfte beatmet. Insgesamt sind in dem Register mehr als 15.000 abgeschlossene Covid-19-Behandlungen erfasst, ein Viertel dieser Patienten starb.

Quelle: ntv.de, mit dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen